Nun hatten wir sie auch einmal in den Händen: Die VENICE, Sonys Vollformat-Antwort auf (oder Ansage an) ARRI und RED. Mit drehfertigen Paketpreisen ab ca. 60.000 Euro für den Cine-Einsatz ist diese Kamera kaum für Owner-Operatoren sondern deutlich im klassischen Rental-Business angesiedelt. Zuletzt kündigte James Cameron an, seine Avatar-Nachfolger mit Sonys neuem Flagschiff zu filmen. Na und was für unseren James gut genug ist, muss natürlich auch einmal in der slashCAM Redaktion vorbeischauen ;)...

Holpriger Start mit Default Einstellungen
Nach den ersten Testaufnahmen bot sich uns erst einmal ein unerwartetes Bild. Die Bildqualität der 6K-Kamera erschien uns für diese Preisklasse nicht sonderlich angemessen. Erst nach einigem Rätseln kamen wir darauf, dass die Default Einstellung beim Debayering unter Resolve bei Sonys X-OCN Codec per Default in einer niedrigen Qualitätsstufe steht.
Nachdem wir in den Debayering-Optionen von Resolve die volle RAW-Qualität eingestellt hatten, bekamen wir einwandfreie Bilder zu sehen. Dafür war daraufhin keine flüssige Wiedergabe mehr mit 24fps in den besten Sony-Qualitätseinstellungen mehr möglich.
Doch trotz X-OCN Codec kann man alternativ das Default Resolve Debayering nutzen, mit dem sich auf unserem Testrechner mit 1 x 6 Core Core i7 5820K und 2x Vega 56 GPU dann auch das 6K-Material in höchster Qualität mit 24 fps ruckelfrei wiedergeben ließ…
Nachdem also Resolve auf die höchste X-OCN-Qualität eingestellt war, beglückte uns die VENICE mit einer tadellosen Bildqualität. Viele Details, jedoch ohne übermäßig geschärfte Konturen bei gleichzeitig hoher Dynamik. Also genau, was man von einer Cinema-Kamera in ihrer Anmutung erwartet.
Sensor-Readout
Mit der aktuellen Firmware bietet der 6K-Sensor in jeder Auflösung nur einen 1:1 Sensor Readout. Internes Skalieren bzw. Downsampling gibt es bei der VENICE (noch?) nicht. Alle X-OCN Formate unter 6K werden daher nur gecroppt und ebenfalls 1:1 aufgezeichnet.
Wählen wir für unsere Messungen den typischen 4K Bildausschnitt, so wird das Bild zu groß. Zum Vergleich mit anderen 4K-Kameras muss das Bild daher auf 4K-Auflösung in der Nachbearbeitung herunterskaliert werden. Zum Verständnis zuerst der 4K-Ausschnitt mit 6K gefilmt:

Dieser ist faktisch witzlos, weil er in dieser Auflösung keinerlei kritische Bereiche besitzt, die den 6K-Sensor irgendwie fordern würden. Dennoch entspricht er wohl einer typischen Arbeitsweise, wenn man das Projekt anschließend in 4K mastern will.
Denn so sieht das Testchart anschließend korrekt nach 4K skaliert aus:

Durch dieses Downsampling entsteht ein praktisch fehlerfreies Abbild unseres Testcharts ohne Moires oder Aliasing Störungen. Zum Vergleich haben wir das Testchart mit der VENICE auch einmal in nativen 4K-Modus bei 1:1-Sensor-Readout gefilmt:

Hier werden unter anderem in den 4K-kritischen Strukturen deutliche Zipper-Artefakte sichtbar, was typisch für das Debayering eines 1:1 Readouts ist.
Kleine Anmerkung hierzu am Rande: Mit dem eigenen Sony-Debayering Algorithmus für X-OCN unter Resolve werden Zipper einen Tick stärker gefiltert, als mit dem Standard Debayering-Algorithmus, der für eine ruckelfreie Bearbeitung empfehlenswerter ist. Die Zipper scheinen dabei in ein leichtes Zufallsmuster überführt zu werden, wenn sie in einem kritischen Frequenzbereich liegen. Dies verhindert letztlich Aliasing und trägt zu einem organischen Bildeindruck bei. Ähnlich einem optischen Lowpass Filter findet hier wohl eine digitale FIlterung mit einer Art "statistischem Verrauschen" statt. Wohlgemerkt ist dies nur bei den allerfeinsten Details der Fall. Hier einmal ein stark vergrößertes Testbild der beiden Debayering-Verfahren:

Der Unterschied ist marginal, jedoch scheint dieses leichte digitale Rauschen/Filtern typische Aliasing-Effekte in feinen Mustern etwas zu reduzieren.
1200LUX, Low-Light und Rolling Shutter
Bei wenig Licht (und bei unserem typischen 12 Lux-Testaufbau) zeigt die VENICE ein sehr gutes Low-Light Verhalten. Relativ große Sensel treffen hier auf eine Dual-Base-ISO-Signalverarbeitung. In der hohen Base-ISO 2500 Einstellung hat die VENICE ihr Rauschen bemerkenswert im Griff wie unser Testbild belegt:

Auf 4K skaliert und neutral farbkorrigiert erkennt man die Reserven im Bild:

Bei viel Licht (1200 LUX) liefert die VENICE wenig überraschend ein extrem sauberes Bild, das zu keiner Zeit digital überschärft wirkt.

Bleiben noch ein paar Worte zum Rolling Shutter Verhalten: Dieser war von uns nicht zuverlässig messbar, weil sich die Balken fast gar nicht bogen. Um es kurz zu sagen, das Rolling Verhalten der VENICE ist ebenfalls vorbildlich. Subjektiv würden wir behaupten, dass sich dies in einer unterbewusst wahrnehmbaren Frameruhe widerspiegelt, die tatsächlich teilweise für die angenehme Anmutung der VENICE Aufnahmen (mit)verantworlich sein könnte.
Fazit
Wenn Sony eine neue CineKamera entwickelt, dann darf man schon hohe Erwartungen anlegen. Und die wurden nicht enttäuscht. Tatsächlich muss man die Bildqualität mit dem neuen X-OCN Codec als markellos bezeichnen. Herunterskaliert auf 4K erhält man immer angenehmes Bild ohne sichtbare Kompressions- oder Debayering-Artefakte, dass bereits Out-Of-The-Box mit einer Slog3-LUT sehr ansprechend und grundsätzlich cinematisch wirkt.
Die VENICE bietet mit der X-OCN-Aufzeichnung und hoher Sensordynamik dazu genügend Reserven um auch noch in der Post eine Menge Details aus einem Motiv herauszuarbeiten. Gegenüber der indirekten S35-Konkurrenz glänzt die VENICE weiter mit ihrem ausgezeichneten Rolling-Shutter Verhalten, beherrscht jedoch im Gegenzug keine hohen 6K-Frameraten wie sie beispielsweise RED anbietet. Ein detaillierter Hands-On Artikel zur VENICE folgt in kürze auf slashCAM.