Auf der NAB im April diesen Jahres hatte Sennheiser seine neue AVX-Funkstrecke vorgestellt, die im 1.9 GHz Bereich arbeitet, sehr kompakt konstruiert wurde und sich gemäß Sennheiser vor allem an One-Man-Bands bei der Videoproduktion richtet. Wir hatten die neue AVX Funkstrecke für unsere Videoberichterstattung von der IBC mit dabei und damit erste eigene Praxiserfahrung gesammelt:
Was beim ersten In-die-Hand-nehmen der neuen Sennheiser AVX Funkstrecke sofort ins Auge fällt, ist der völlig neu entworfene, kompakte Formfaktor des Empfängers, der im Vergleich zu bekannten Funkstrecken wie der G3 aus gleichem Hause oder der Sony UWP-D direkt in die XLR-Buchse (ohne Kabel dazwischen) des Camcorders gesteckt wird und hier via Phantom-Power clever den Strom für seine Schaltung zusätzlich zum internen Lithium Ionen Akku erhält. Wird die Kamera ausgeschaltet, bekommt das der AVX-Empfänger mit und geht ebenfalls in Standby – ebenso wie der Taschensender. Wird die Kamera wieder eingeschaltet, schalten sich Taschensender und Empfänger wieder dazu (allerdings nur bei Kameras mit Phantom-Power).
Die Betriebszeiten für den Taschensender (SK AVX-5) sowie für den Handsender (SKM AVX-835) im Mikroverbund gibt Sennheiser mit einem Minimum von 10 Stunden an. Für den AVX-Empfänger (EKP AVX-3) werden ca 4-5 Betriebsstunden angegeben. Alle hier genannten AVX Komponenten verfügen über eine Micro-USB Buchse am Akku durch die sich diverse Stromversorgungsszenarien ergeben: So kann von einem Batteriepack oder zur Not auch von einem Handy aus neu aufgeladen werden (standardmäßig vom Stromnetz mit Netzteil ) und auch das Laden im laufenden Betrieb vom Micro-USB Port der Kamera soll möglich sein.
Da unsere Messevideos eher nebenbei beim Messebesuch laufen, sind wir „nur“ auf max ca. 3.5 Stunden an einem Tag gekommen und hatten entsprechend mit der Batterielaufleistung der Empfängers, der Nachts mit den restlichen Akkus wieder frisch geladen wurde, keine Probleme. Für die Batterieanzeige gibt es 4 Balken, die jeweils ca. 1h repräsentieren. Fängt der letzte Balken rot zu blinken an, hat man nur noch 15 Minuten bis zum Akkuwechsel oder zur USB-Stromversorgung.
Mit dabei hatten wir in diesem Jahr die Panasonic GH4 und die Sony A7s. Auch für entsprechende DSLR-Setups (die nicht über XLR-Eingänge verfügen) bietet das von uns genutzte AVX-MKE2 Set entsprechende Anschlüsse und Halterungen. Via ringförmigen Blitzschuh-Mount wird der AVX-Empfänger an der Kameraoberseite befestigt und auch ein XLR-Mini-Klinke Adapterkabel für den Audio-Eingang von Systemkameras und DSLRs liegt dem Set bei.
Für Kameras mit XLR-Buchsen ergibt sich mit dem neuen AVX-Empfänger ein extrem kompaktes Setup – für Kameras, die auf Miniklinke für den Audioeingang angewiesen sind, muss der XLR-Miniklinken-Adapter genutzt werden, der wieder etwas „Masse“ hinzufügt.
Wer an Stelle der Kombination Lavalier + Taschensender mit einem Handsender und entsprechender (Hand)Mikrofonierung unterwegs sein will, muss bei der AVX-Funkstrecke zum dynamischen SKM AVX-835 Mikro greifen, in dem die bewerte MMD 835 Kapsel (Niere) arbeitet. Die dynamischen 835 Mikros von Sennheiser sind in vielen Ausführungen erhältlich (drahtgebunden/ Funk) und nun kommt auch eine AVX-Version mit integriertem Sender und Lithium Ionen Akku hinzu, der ebenfalls via Micro-USB geladen wird. Wer bereits eine drahtgebundene XLR-Version des 835 besitzt kann diese unseres Wissens jedoch nicht via XLR-Handsender (wie beim G3 Set) in das 1.9 GHz Netz speisen. Hierfür müsste dann die AVX-Version des Mikros angeschafft werden.
Im Mittelpunkt der neuen Sennheiser AVX Funkstrecke steht ihr stark vereinfachtes Bedienkonzept, das auch jenen (Video)journalisten, Kameramännern und Autoren nicht-drahtgebundene Tonaufnahmen ermöglichen soll, die weniger technikafin sind und/oder sich als One-Man-Bands in erster Linie auf das Interview oder die Filmaufnahme konzentrieren wollen. Entsprechend hat Sennheiser das Setup des Funksystems inklusive Pegeln und Pairing von Empfänger und Sender beim AVX-System stark vereinfacht. Weder müssen freie Frequenzen vorab manuell gescannt werden, noch die Sensitivity der Mikro-Sender Einheit eingestellt oder andere Parameter (Squelch, Pilot Tone, Line Level, etc.) beachtet werden. Einzig das AF-Out Signal des Empfängers muss angepasst werden (zwischen -30 und 0 dBu) - das war´s.
Das Pairing der Sennheiser AVX Funkstrecke funktionierte während unseres gesamten Aufenthalts auf dem Showfloor der IBC 2015 in Amsterdam völlig problemlos: Taschensender einschalten, Empfänger einschalten und nach ein paar Sekunden leuchten die entsprechenden LEDs grün, was das erfolgreiche Pairing anzeigt: Fertig.
Wir hatten zu keinem Zeitpunkt ein Problem mit Interferenzen, was für eine Elektronik-lastige Messe wie die IBC nicht selbstverständlich ist. Interessanter Weise waren Kollegen von uns von drahtlos- auf kabelgebundene Mikros wieder zurückgegangen, nachdem sie bei Technikmessen zunehmend Probleme mit Interferenzen bei der Aufnahme vor Ort bekommen hatten. Allerdings müssen wir fairerweise sagen, dass wir mit der analogen G3 Funkstrecke von Sennheiser bei den letzten Messe-Events (IBC2014, IFA etc.) auch keine Probleme hatten – hier allerdings (auch immer recht zeitintensiv) vor jeder Aufnahme den Frequenzscan der Funkstrecke haben durchlaufen lassen.
Die Reichweite gibt Sennheiser mit ca. 30 m an, was unterhalb der analogen G3 Funkstrecke liegt. Für die meisten Interviewsituationen sollten 30 m allerdings locker reichen. Die Latenz des digitalen AVX-Systems liegt bei 19 ms. Für One-to-One Interviews halten wir das für unproblematisch - sind jedoch komplexere Setups gefragt, bei denen das Funksignal noch durch andere Stellen (Mixer, etc.) geht, sollte man auf sich addierende Latenzen aufpassen ...
Wir haben auf der IBC mit unserem Systemkamera-Setup „klassisch“ gepegelt. Das bedeutet: Eher geringe interne Kameraverstärkung bei höherem AF-Output des Empfängers. Bei der Sony A7S sind wir im Zusammenspiel mit dem MKE2 Lavalier bei der AVX-Funkstrecke meistens bei -20, bzw. -10 dBU von den 4 möglichen (-30, -20, -10 und 0 dBu) AF-Out Verstärkerstufen gelandet.
Hört man die Sennheiser Funkstrecken im Vergleich (G3 & AVX) mit dem gleichen Lavalier-System empfinden wir die AVX im Vergleich etwas mehr höhenbetont. Wer eine G3 besitzt und nicht vor einem Frequenzwechsel steht, wird wohl mit der G3 problemlos noch weiter aufnehmen. Wer sich in Sachen Funkstrecke neu eindeckt, sollte sich die AVX mal näher anschauen und überlegen, ob sie zum eigenen Workflow passt.
Für uns stellt die neue AVX-Funkstrecke eine echte Alternative zur G3 Funkstrecke vor allem für einfache One-to-One Interviews dar - je nachdem, was vor Ort höhere Priorität hat: Schnelle, unkomplizierte Einrichtung und Bedienung mit Abstrichen bei der Akkulaufzeit (=AVX) oder komplexeres Setup und Finetuning bei längerer Laufleistung (=G3).
Einige Messevideos mit der Sennheiser AVX-Funkstrecke und dem MKE2 Lavalier sind bereits online. Am besten selbst mal reinhören und sich ein Bild oder besser ein Ohr machen, wie sich die AVX auf der (lauten) Messe geschlagen hat. (Beim Interview mit Todd Kopriva von Adobe hatten wir eine Klimaanlage im Raum, die sich leider nicht ausschalten liess – könnte man mit etwas mehr Zeit eventuell mit einer Rauschunterdückung noch dran rumfummeln ...)