3D im Kino – physikalische Grenzen, subjektive Wahrnehmung
Wie gesagt gibt es ja viele mögliche Fehlerquellen auf dem Weg des 3D-Bildes von der Aufnahme bis zum Publikum – die Qualität des wahrgenommenen Bildes hängt ja sogar davon ab, wo man im Kino sitzt. Wird man das denn alles unter Kontrolle bekommen?
Es wird Assistenzsysteme geben, die das unterstützen, aber klar, das kann so gut sein wie es will, wenn das Fachwissen nicht vorhanden ist beim Personal wird es immer möglich sein, durch eine Fehleinstellung ein 3D-Bild zu ruinieren. Man muß sich auch bewußt sein, daß es gewisse physikalische Grenzen gibt, die liegen in der Natur unserer Wahrnehmung, in optisch-physikalischen Gegebenheiten, die man nicht ändern kann. Dazu gehört sicherlich auch die unterschiedliche 3D-Wahrnehmung auf unterschiedlichen Positionen im Kino.
Es gibt durchaus Schwächen bei der Vorführung von 3D im Kino heute, die man technisch in den Griff bekommen kann. Dazu gehört zB. Ghosting, dh. das Überspringen von kontrastreichen Bildteilen vom linken Bild ins rechte und zurück, also die Überschneidung von Kontrasten in den beiden Bildern. Dieses Ghosting kann durch bessere Filtertechnologien, durch bessere Shuttertechnologien, durch bessere Leinwände usw, also aus einem Bündel an Maßnahmen verbessert werden. Aber gerade die Positionierung vor der Kinoleinwand, das ist eine physikalische Gegebenheit.
Sollte man dann nicht besser bei 3D-Vorführungen den Zuschauerbereich einschränken, damit Leute gar kein schlechtes 3D zu sehen bekommen können? Um zu vermeiden, daß aufgrund von eigentlich unnötigen Problemen nachher die Leute sagen, von 3D bekomme ich Kopfschmerzen, da geh ich nicht mehr rein...
Das war ja im IMAX-Kino so, da gab es Sitze, die wurden wirklich als für 3D nicht geeignet definiert. Das wird in Zukunft in den Kinos architektonisch berücksichtigt werden müssen, wie es IMAX vorgemacht hat. Da hat man praktisch von jedem Platz gut sehen können, die schwächeren Plätze waren nicht inakzeptabel schwach -- in diese Richtung wird sicher die Entwicklung gehen.
Sehen Sie auch eine Gefahr in der aktuellen Tendenz in Hollywood, 2D-Filme nachträglich in 3D umzuwandeln, oder überhaupt schnell in 3D zu produzieren?
Definitiv, das ist eine ganz große Gefahr, daß man dadurch die Begeisterung wieder erstickt, weil zuviele unerfahrene Filmemacher und Produzenten auf diesen Zug aufspringen, nicht über das nötige Fachwissen verfügen, nicht die richtige Technik einsetzen, sondern nur den schnellen Euro sehen. Da muß man auch ein bißchen auf die Filmkritik vertrauen, daß die sich weiterbilden und auch in der Lage sein werden, einen 3D-Effekt als solchen zu betrachten. Es gibt auch Diskussionen in Fachkreisen, über – salopp ausgedrückt – eine Art 3D-TÜV, ob es Bewertungskriterien dafür geben könnte.
So etwas ähnliches wie den Jugendschutz?
Ja, ich bin ja Mitglied in der Steering Group vom Innovationsforum des Multimediazentrums in Halle, die auch den FantaVier-Event veranstalten, und da laufen Diskussionen in diese Richtung. Wobei man eine schwierige Gratwanderung zu bewältigen hat zwischen einerseits einem technischen Standard, den man definiert, der aber auf der anderen Seite nicht die kreative Freiheit des Filmemachers beschneiden soll. Oft kann ja eine bewußt falsch eingesetzte, stereoskopische Einstellung dazu dienen, eine Irritation hervorrufen, die kreativ gewollt ist. Wie behandle ich das dann in meiner Prüftabelle? Wenn ich das jetzt übertragen würde auf den 2D-Film, da gibt es solche, die mit Unschärfen und Wackelbildern arbeiten -- Blair Witch Project hätte einen solchen Test nie bestanden, und das ist ja ein exzellenter Film. Also so ganz einfach ist das nicht.
Manchmal scheint es, als müsste man, um über 3D überhaupt sprechen zu können, eine Sprache erfinden für die vielen Arten von Effekten, oder 3D überhaupt. Wenn etwas schief läuft zum Beispiel kann man oft gar nicht genau definieren, was es war.
Ein Umstand von 3D ist ja, das soviel dabei in der subjektiven Wahrnehmung stattfindet. Das ist wirklich nicht ganz mit mathematisch oder technischen Systemen in den Griff zu bekommen. Zwei Beispiele dazu: ich erlebe sehr oft bei Vorführungen, daß die Bilder für linkes und rechtes Auge vertauscht sind. Das sehen sich unbedarfte Leute an, und finden es irgendwie komisch, aber können es nicht benennen. Es ist ja immer noch 3D, aber alles was hinten sein soll ist vorne und was vorn sein soll ist hinten. Es wird ein Fehler wahrgenommen, aber dieser kann nicht definiert werden, dann kommt es manchmal zum Urteil: das soll halt so sein, aber es gefällt mir nicht wirklich.
Das andere Beispiel, von dem man sich erzählt, daß es tatsächlich passiert ist in einem Kino, als Avatar vorgeführt wurde. Das Publikum hat den Film angeguckt -- wunderbar, alle gingen begeistert raus. Nachher hat sich herausgestellt, in der Vorführtechnik war 3D gar nicht aktiv. Dh. alleine mit einer Brille vor der Leinwand zu sitzen, kann für einen 3D-Effekt ausreichen. Gut, das ist ein Gerücht -- ich kann mir aber vorstellen, daß es stimmt, denn wir haben auch schon besonders in Sequenzen, in denen sehr schnelle Bewegungen vorkamen, ein-zwei Einstellungen in 2D reingeschnitten, weil sich Geschwindigkeit und 3D oft feindlich gegenüberstehen können. Da arbeitet man dann auch mit der subjektiven Wahrnehmung und mit dem Interpolieren des Effekts. Ich bin mir sicher, wenn ich Ihnen eine Abfolge von 10 Szenen zeige, davon sind die ersten 7 in 3D, dann kommt eine in 2D, und dann wieder zwei in 3D, Sie würden das nicht wirklich rausfinden.