Mit der Canon EOS C700 hat Canon auf der letztjährigen IBC sein neues 4K Flaggschiff der Cinema EOS Reihe inkl. Dual Pixel AF Funktion vorgestellt. Wir hatten Gelegenheit zu einem ersten Praxis- und Labortest kurz vor dem offiziellen Verkaufsstart …

Nach unseren Praxistests der VariCAM LT, der RED Scarlet W (und RED Raven), der Ursa Mini 4.6K (und Pro) sowie der ARRI Amira stellt die Canon C700 den "späten Gast" im nach wie vor wachsenden Segment der S35 Cine Cams dar.
Als Alleinstellungsmerkmal bringt die Canon C700 den von anderen Cinema EOS Modellen (sowie DSLRs) bereits bekannten Dual Pixel AF mit – eine Funktion die speziell an einer „Cine-Cam“ im Vorfeld für reichlich Diskussion – auch hier auf slashCAM - gesorgt hat. Entsprechend waren wir ziemlich gespannt auf den Dual Pixel bei der Canon C700, den wir im Verbund mit dem ebenfalls neuen Canon CN-E18-80mm T4,4 L IS KAS S Zoom testen konnten.
Vorab hier unser kurzer Testclip mit der Canon EOS C700 bei dem wir an einen Nachmittag in Berlin mit Ricarda einen ersten Blick auf besagten Dual Pixel AF, Skintones unter verschiedenen Lichtbedingungen, Canon Log 3 und die dazugehörige LUT, 60p / 240p Zeitlupen u.a. werfen:
Canon EOS C700 / Praxis
Dual Pixel AF
Wir haben drei Szenarios mit der Dual Pixel AF Funktion der Canon EOS C700 gefilmt. Bei allen dreien kam das neue CN-E18-80mm T4,4 L IS KAS S Zoom bei max. geöffneter Blende T4.4 zum Einsatz. Beim ersten Shot bewegt sich Ricarda frontal auf die Kamera zu. Bei den AF-Funktionen ist die Gesichtserkennung eingeschaltet, die ab den ersten Frames auch gut auf Ricardas Gesicht andockt. Um den AF bestmöglich beurteilen zu können, haben wir das Zoom in maximaler Telebrennweite – also 80mm – gefahren.

Bei diesem Shot funktioniert der Dual Pixel AF gut. Der normalen Schrittgeschwindigkeit von Ricarda auf die Kamera zu kann der Dual Pixel AF weitestgehend folgen. Allerdings waren wir hier bei ausreichend guten Lichtbedingungen und mit einem Motiv mit genügend Kontrast unterwegs – zudem operieren wir hier noch komplett in der Reichweite der Gesichtserkennungsfunktion. Bei weiter entfernten Gesichtern gerät der Dual Pixel AF dann an seine Grenzen.

Bei diesem Shot ist ebenfalls das Gesichtstracking mit einer Blende T4.4 aktiviert. Bis in den Nahbereich arbeitet der Dual Pixel AF auch hier zuverlässig bevor er in die Unschärfe geht.
Beim letzten Beispiel-Shot wurde das Gesichtstracking deaktiviert. Hier wechseln wir im Lowlight Bereich (bei ca. 30 Lux auf der Kante im Vordergrund) via AF die Schärfeebene den Gang hinunter. Dafür waren dann ein Paar Versuche nötig, bevor der Dual Pixel AF wie gewünscht funktionierte:

Für komplexere Schärfeverlagerungen - gerade im szenischen Bereich, wo man häufig auch mit variablen Geschwindigkeiten die Schärfe zieht, halten wir einen professionellen Focus-Puller immer noch für die effektivere Variante – sowohl zeitlich gesehen als auch von der Reproduzierbarkeit her. Letztlich geht es hier auch um Verlässlichkeit und wenn der AF bei einer ansonsten perfekten Szene vom Timing her nicht passt ist das einfach ein zu großes Risiko. Auch bei schwachem Umgebungslicht sollte man für verlässliche Ergebnisse lieber per Hand die Schärfe ziehen.
Doch nicht bei allen Bewegtbildproduktionen ist man inkl. Fokuspuller aufgestellt. Gerade bei kleineren Teams im TV / Doku etc. Umfeld bietet der Dual Pixel AF ein willkommenes Potential. Es sind hiermit einfach Schärfeverlagerungen möglich, für die zuvor noch eine weitere (erfahrene) Hand gebraucht wurde. Hier erweitert sich das Repertoire an filmischen Ausdrucksmöglichkeiten deutlich.
Und auch wenn manuelle Optiken an der Canon EOS C700 zum Einsatz kommen, hält der Dual Pixel AF via Schärfeindikatoren noch ein Paar Tricks bereit: So lässt sich auch ohne Suchervergrösserung recht schnell erkennen, ob das Motiv aus der Schärfe herausgewandert ist oder nicht, bzw. auch in welche Richtung sich die Schärfe verlagert hat – sicherlich nicht essentiell aber ein "nice to have".
60p und 240p Slowmo
Wer maximale (4K) Bildqualität (quasi Full Sensor Readout) bei der Zeitlupe benötigt, kann die FPS Funktion der Canon EOS C700 bis max. 60p hochsetzen. Achten sollte man hierbei auf die Timebase der Canon EOS C700, die bei allen unseren Beispiel-Shots bei 24 fps belassen wurde. Dies ist auch notwendig, wenn man nicht die Karte – bei geänderter Timebase - neu formatieren möchte. (Das kennt man zwar auch von anderen Cine-Cams – es geht aber auch ohne Neuformatierung – hier darf Canon unserer Meinung nach gerne noch etwas nachlegen).

Wer noch höhere Bildraten bei der Zeitlupe benötigt, kann bequem Frameweise die FPS noch weiter bis max. 240fps via Klickwheel hochsetzen. Hier arbeitet der Canon C700 intern allerdings im HD Sensorcrop mit 1080er Ausschnitt. Damit schließt die Canon in Sachen Zeitlupenfunktion zur aktuellen Riege an S35 Cine-Cams auf – bietet allerdings auch nichts darüber hinaus Reichendes. Im Hinterkopf sollte man hierbei behalten, dass für ProRes Aufnahmen intern bei max. 60p und 2K Auflösungen Schluß ist.

Wer 60p und 4K / UHD benötigt, muss zum Canon XF-AVC Intraframe Codec greifen (der sich unter Resolve (OS X) im Schnitt und in der Farbkorrektur hinreichend performant gezeigt hat). Mit angedocktem Codex Recorder ist 4K allerdings auch als 12 Bit RAW bis max. 120 fps möglich.
Skintones
Die Wiedergabe von Hauttönen dürfte für viele Canon User eines DER Hauptargumente für die Wahl von Canon sein und auch die Canon EOS C700 weiss hier zu punkten. Wir sehen hier eine realistische Wiedergabe mit Dank 10 Bit guter Abstufung und der typischen, minimalen Canon-Tendenz hin zu warmen Farben.

Besonders angenehm bei der der Bearbeitung des Canon LOG Materials ist dass die LUTs Out of The Box gleich sitzen.

Korrekturen sind dann eher Geschmack und Look.

Das spart deutlich Zeit und zeigt die Erfahrung und auch die Präzision, die Canon in Sachen Farbabstimmung bereit hält.

Bei den Kunstlicht-Shots lässt sich bei den Close-Ups recht gut die sehr feine Farbgradation sehen. Wir haben uns hier für einen etwas kühleren Look entschieden aber das Material lässt sich ohne Qualitätseinbußen auch in ganz andere Regionen „drehen“.
CN-E18-80mm T4,4 / Schulter- und Stativbedienung
Unser Canon EOS C700 Testgerät kam mit der Canon eigenen Schulterstütze im Gepäck. Deren hinteres Schulterpolster lässt sich werkzeuglos verschieben, so dass in begrenztem Umfang eine Justage möglich ist. Für unser Setup mit dem Canon CN-E18-80mm T4,4 L IS KAS S Zoom, dem großen Anton Bauer Akku (Cine 150) sowie dem exzellenten Canon OLED-Sucher hatten wir allerdings ein perfekt für die Schulter tariertes System.
Wer mit anderen Brennweiten (B4, Festbrennweiten, schwereren Zooms etc.) unterwegs ist und grundsätzliche eine andere Kamera-Gewichtsverteilung hat, dürfte sich jedoch über eine Baseplate freuen, die einen längeren, werkzeuglosen Verstellbereich bietet. Auch würden wir bei der Rod-Klemmung für werkzeuglose, federgelagerte Hebel plädieren, statt der Inbus-Schrauben.

Wer viel von der Schulter filmt, und um das teils recht komplexe Schulterrigging der Canon EOS C100-C300 MKII Bauform herumkommen möchte, findet in der Canon EOS C700 eine deutlich bessere Schulterbedienung.
Das Canon CN-E18-80mm T4,4 L IS KAS S Zoom reiht sich in die neue Riege leichter Cine-Zooms ein, die derzeit ein völlig neues Produktsegment bei den Objektiven eröffnen. Mit seiner UVP von 6.188 Euro ist es „günstig“ genug, um auch für sog. Owner Operator attraktiv zu sein. Unserem CN-E 18-80 lag eine optionale Zoomwippe + integrierte Motoreinheit bei, die via Hirose Stecker an die Kamera und damit auch an die Stromversorgung angedockt wird.

Positiv aufgefallen ist uns neben dem recht geringen Gewicht (1.2 Kg) die sehr gut ausgelegte Zoomwippe mit der sich feinfühlig bei Bedarf auf „Creeping Zooms“ realisieren lassen – keine Selbstverständlichkeit in diesem Preissegment.

Die drei mit Zahnkränzen versehenen Drehringe für Zoom, Schärfe und Blende wissen ebenfalls zu gefallen. Einzig etwas lichtstärker hätte es sein dürfen und auch Fokus-Breathing ist zu sehen aber uns ist auch klar, dass man hier einen Kompromiss eingehen muss. Für Cine-Anwendungen mit seiner T4,4 sicherlich etwas eingeschränkt – für TV, Reportage und alle Anwendungen, bei denen ein größerer DOF von Vorteil ist eine interessante Option.

Die von uns getestete Canon C700 war mit EF-Mount inkl. Cinema Lock Type ausgestattet. Dank EF lässt sich ein besonders breites Spektrum an Optiken nutzen und der Cinema Lock Type sorgt für einen möglichst festen Sitz am Gehäuse sowie Objektivwechsel ohne Drehung, was gerade im Verbund mit komplexeren Riggs von Vorteil ist.
Wer nicht auf PL verzichten kann oder will (PL bietet noch etwas mehr Sicherheitsreserven beim Objektivwechsel und ist grundsätzlich auch etwas robuster ausgeführt), kann den Mount der EOS C700 auch wechseln (lassen).

Der letzte Stand den wir in Sachen Wechselmount bei der Canon EOS C700 hatten war, dass Canon empfiehlt, den Mount beim Canon Service wechseln zu lassen, wenn man nicht die Garantie oder Fehlfunktionen riskieren möchte. Das ist zwar erklärbar wegen der elektrischen Kontakte, die EF mit sich bringt aber doch eine Einschränkung im Vergleich zur Konkurrenz wir VariCam LT, ARRI Amira, RED oder sogar der neuen Blackmagic Ursa Mini Pro, bei denen der Mountwechsel schnell und unkompliziert vom User selbst vorgenommen werden kann.
Canon LOG und Cinema Gamut
Die Canon EOS C700 bietet eine absolut vorbildliche Fülle an Farbraum-Optionen an. Zur Auswahl stehen: DCI-P3, Cinema Gamut, BT.2020 und natürlich BT.709. Bei den Log- Gamma Funktionen finden sich das altbekannte Canon Log, das auf maximale Dynamik ausgelegte Canon Log 2 sowie das neue Canon Log 3, das wir als gelungenen Kompromiss zwischen Canon Log und Canon Log 2 sehen.

Ebenfalls vorbildlich sind die von Canon bereits als freier Donwload zur Verfügung stehenden 3D-Luts, die nicht nur für jeweils alle Log-Formate und Farbräume sowie in verschiedenen Grids (17, 35, 65) angeboten werden, sondern zusätzlich auch noch in drei unterschiedlichen Ranges ( Full to Full, Full to Narrow und Narrow to Narrow). Damit stehen für alle möglichen Ausspielungen die passenden LUTs zur Verfügung – die Wahl darf dann unter insgesamt mehreren Hundert LUTs getroffen werden!

Wir haben uns mit dem Cinema Gamut für den weitesten Farbraum im Verbund mit Canon Log 3 entschieden. Zuvor haben wir in DaVinci Resolve kurz die Farbkonsistenz der einzelnen LUTs auf ihre jeweiligen Farbräume bezogen angeschaut und konnten bei Skintone-Shots keinen Unterschied wahrnehmen. Hier scheint Canon - zumindest auf unseren ersten kurzen Blick hin – hervorragende Arbeit geleistet zu haben.

Die C700 ist damit sofort in entsprechenden Postproduktionssystemen startklar und dürfte mit den weit ausgelegten Farbräumen sowie 10/12 Bit und RAW auch jede Menge Zukunftsoptionen Stichwort „HDR“ bereit halten.
Stromverbrauch
Wir waren insgesamt 4 Stunden mit der Canon EOS C700 unterwegs. Im On/Off Betrieb hat unser 150er Akku ziemlich genau die 4 Stunden gehalten. Ein sehr guter Wert. Die Canon EOS C700 erlaubt eine individuelle Minimalspannung zu speichern, ab der eine Akku-Warnung gesetzt wird. Ebenfalls vorbildlich gelöst.

Akkus mit BMS System (Battery Management System) können auch in Prozent auf die Akku-Warnung gesetzt werden und diese dann auch in Prozent anzeigen.
Soweit Teil 1 unseres Praxistests mit der Canon EOS C700. Weiter geht es dann in Kürze u.a. mit dem Testlabor, Layout/Handling sowie unserem Fazit zur Canon EOS C700.