Das neue iPhone 12 kann 4K-Videos nun mit Dolby Vision in 10-bit HDR aufzeichnen. Das riecht erst einmal nach professioneller Kameratechnik, passt jedoch so gar nicht zum kleinen verbauten Sensor...
Hintergrund
Smartphones besitzen aufgrund Ihrer Bauform einen extremen Nachteil gegenüber "größeren" Kameras. In den flachen und kompakten Gehäusen ist grundsätzlich sehr wenig Platz für die Bildsensoren. Zum Vergleich: Ein typischer Sensor für die Filmproduktion ist mittlerweile mindestens 2,4cm breit, während der beste Hauptsensor im neuen iPhone nur ungefähr 7mm breit ist und einen Crop-Faktor von ca. 5 besitzt.

Gleichzeitig dürfen auch die Optiken nicht sonderlich ausladend werden, damit sie nicht aus dem Smartphone stehen. Das macht es grundsätzlich schwer, eine größere Sensorfläche gleichmäßig "auszuleuchten". Für eine variable Blenden-Konstruktion ist meistens ebenfalls kein Platz. Stattdessen werden die üblichen Smartphonekameras mit einer festen Blende konstruiert. Im Falle des neuen iPhones 12 Max besitzt die 4K-Hauptkamera eine solche fixe Blende von f 1/1,6.
Aus diesem Grund kann die Belichtung einer Videoaufnahme nur über die Belichtungszeit und die elektronische Nachverstärkung (ISO) gesteuert werden. Dies steht jedoch diametral zur typischen, szenischen Kameraarbeit, bei der in der Regel die Verschlusszeit konstant gehalten werden soll. In früheren Version des iPhones ging die Smartphonekamera sogar so weit, dass sie die Framerate des Videos bei schlechter Belichtung herunterschraubte und damit Clips mit variabler Framerate aufzeichnete. Glücklicherweise lässt sich dieses Verhalten mittlerweile in den globalen Einstellungen des iPhones abstellen:

Doch leider bietet Apple ansonsten den Anwendern in der eigenen Kamera-App kaum weitere manuellen Eingriffsmöglichkeiten. Über das SDK gibt es jedoch direkteren Zugriff auf wichtige Parameter, was den Markt für Kamera Apps von Drittanbietern öffnet.
Eine der beliebtesten Apps ist dabei FiLMiC Pro, das seit kurzem auch auch als eine der ersten Apps mit 10-Bit-Dolby Vision HDR auf 12er iPhones aufzeichnen kann. Was wiederum für uns ein Grund war, mal wieder ein iPhone mit dieser App als Kamera zu testen. Die Option zum Aktivieren von Dolby Vision findet sich im Menü "Einstellungen" > "Auflösung". Wenn man dort etwas nach unten scrollt, lässt sich der Dolby Vision-Schalter aktivieren, was gleichzeitig auch die begehrte 10 Bit-Aufnahme erzeugt:

Gleichzeitig wird dadurch die Aufzeichnung auf maximal 30 fps in 4K und 60 fps in 1080p begrenzt. Und bei uns die Frage geweckt, wie sich der Sensor wohl in diesen "professionellen" Einstellungen schlagen wird...
4K-Debayering
Der Sensor besitzt ungefähr 4000 Horizontalpixel, wodurch ein 1:1 Sensel-Readout möglich ist. Das Debayering fällt für diesen Readout typisch aus:

Für einen 1:1 Sensor Readout gelingt das 4K-Debayering gut. Es zeigen sich jedoch die typischen Aliasing-Falschmuster und Zipper-Artefakte an den Grenzfrequenzen bei wenig Filterung. Gegen einen cinematischen Einsatz spricht die hohe Kantenaufsteilung durch die starke künstliche Nachschärfung.
Rolling Shutter
Eine bemerkenswerte Leistung bekamen wir bei den Messwerten zum Rolling Shutter zu sehen: Mit ungefähr 5ms schlägt der iPhone Sensor hier fast jeden aktuellen Großflächen-Sensor. Für kleine Sensoren ist so ein Verhalten nicht untypisch, aber wir hatten bis dato noch nicht die Gelegenheit, unsere Rolling Shutter Messungen auch einmal an einem Smartphone-Sensor zu validieren.
Dynamik
In unserem Dynamikvergleich wird dann die Problematik kleiner Sensoren besonders deutlich. Beim Rückbelichten unserer Blendenreihen erkennt man deutlich, dass der iPhone Bildsensor mit seinen kleinen Senseln (ca. 1,7µm) gegenüber großen "Cine"-Senseln das Nachsehen hat:

Interessant ist dabei zu sehen, wie stark die Noise Reduction des iPhone bei weniger Licht eingreift. So wird das Auge nicht rauschiger, sondern wirkt immer "aquarelliger". Da diese Aquarell-Strukturen auch wabern, wirken derart rekonstruierte Bereiche in bewegten Bildbereichen nicht mehr sehr ansehnlich. Im Vergleich mit unseren aktuellen Dynamik-Spitzenreitern von Panasonic aus der LUMIX S-Serie würden wir den Dynamik Abfall des neuen iPhones mit ca. 4,5 Blendenstufen beziffern.
Fazit Sensorverhalten iPhone 12 Pro Max
Die Schärfe des neuen iPhone 12 Pro Max liegt wegen der deutlichen Nachschärfung eher auf dem Niveau von typischen 4K-Einsteigerkameras. Könnte man die künstliche Nachschärfung bei den Videoaufnahmen zurückdrehen bzw. abschalten, wäre dies schon ein wichtiger Schritt in Richtung cinematische Anmutung. Von den schnellen Rolling Shutter Zeiten profitiert dagegen jede Anwendung, ob szenisch oder nicht. Bei der Dynamik unterliegt der kleine Sensor des iPhones prinzipbedingt allen "waschechten" Kameras mit größeren Senseln. Hier kann auch keine computational Magic bei der Signalverarbeitung unterstützend eingreifen. Die Stärke der iPhone-Aufnahmemöglichkeiten liegen daher klar in Bereichen, wo schnelle zuverlässige Automatiken in einem kompakten Gehäuse mehr gefragt sind, als hochdynamische Sensorqualitäten mit sauberem Debayering.