Seit unseren Tests der Kinefinity TERRA 6K und der RED Scarlet-W werden wir immer wieder gefragt, welches Kamerakonzept die bessere Wahl sei: RED oder KINEFINITY? Deshalb hier mal unsere Erfahrungen/Einschätzungen mit beiden Kamerasystemen als Pro und Contra: Bedienkonzept, Bildqualität, Preis-Leistung, Zuverlässigkeit, RAW-Workflow, Slowmotion, Einsatzgebiete, u.a.
Zur Einstimmung vorneweg zwei unterschiedliche Testclips von uns die wir einmal mit der KINEFINITY und einmal mit der RED Scarlet-W gedreht haben. Mit der Terra 6K von KINEFINITY hatten wir leider nur wenig Zeit – aber es hat – zumindest bei uns - gereicht, um von der Colorscience speziell bei Hauttönen beeindruckt zu sein:
KINEFINITY Terra 6K:
RED Scarlet-W:
Und hier unser Praxistest mit der RED Scarlet-W und hier Test 1 mit der KINEFINITY Terra 6k und hier unser Kurzdreh mit der Terra 6k.
Auf den ersten Blick scheinen die Philosophien hinter RED und KINEFINITY ziemlich ähnlich zu sein: Sehr kompakte, Raw- und ProRes-fähige Sensoreinheiten mit hoher Auflösung, die mit modularem Zubehör je nach Bedürfnis entsprechend ausgebaut werden. Selbst die Display-Infos die man bei KINEFINITY und RED auf den Monitor zu sehen bekommt sind ziemlich ähnlich. Und sowohl bei RED als auch bei Kinefinity sind die Monitore möglichst schlank an die Kamera gebaut: Signalweg und Stromversorgung für die hauseigenen Monitore sind integriert. Auch einen (EF) Lock-Mount kennen beide Kameras für einen festen Objektivsitz, ebenso wie diverse IN/Out Module und die Option „cinematische“ WS- (Widescreen) Formate bei der Aufzeichnung zu wählen.

Das war es allerdings auch schon mit den (eher oberflächlichen) Gemeinsamkeiten. KINEFINITY und RED Kameras verhalten sich recht unterschiedlich beim Handling und in der Drehpraxis.
Auch nicht völlig außer Acht sollte man hierbei lassen, dass sich KINEFINITY unserer Meinung nach klar an RED „orientiert“ - um es Mal vorsichtig auszudrücken.
Wir beziehen uns im Nachfolgenden Pro und Contra in erster Linie auf unsere Erfahrungen mit der KINEFINITY Terra 6K und der RED Scarlet-W.
Kamerabedienung
RED:
+ einfache und intuitive Bedienung via Touchscreens von guter Qualität und kabellos (Extrakosten)
+ sehr weitreichende REMOTE-Control / WIFI und Kamera-Setups (Fool Control = 169,99 Dollar)
+ via Zubehör optional auch mehr Button-Controls und Wheels („Sidekick, Side Handle“ etc. (Extrakosten)
+ gereiftes, übersichtliches und stabiles Menü- und Kamerasystem
+ gute Belichtungs- und Fokussierfunktionen
- Zubehör kostet alles extra und nicht wenig
KINEFINITY:
+ Button-Controls und Wheels bereits integriert
+ ebenfalls mit mehr Controls erweiterbar (SideGrip = Extrakosten)
+ passable Belichtungs- und gute Fokussierfunktionen
- Button-Controls und insbesondere Clickwheels teilweise überempfindlich (zickig) / kompliziertere Navigation - mehr Eingewöhnungszeit nötig
- Menü macht teilweise noch unausgereiften Eindruck, bei 720p Anzeige nur schwer lesbar etc.
- kein Touchscreen

Zuverlässigkeit / Service
RED:
+ RED hat in den letzten Jahren bei der Betriebssicherheit stark zugelegt = hohes Niveau
+ schnelle Formatwechsel ohne Neustart der Kamera möglich, selbst schnelles Durchsteppen führte nicht zu Abstürzen
+ RED ist bei vielen professionellen Produktionen mittlerweile angekommen und damit anerkannt.
+ relativ große und aktive Community, wo man sich Praxis-Infos holen kann (wenn man die Zeit hat, seitenlange Threads zu lesen)
+/- Service nur teilweise vor Ort bei Distributor möglich, ansonsten einschicken
- Verfügbarkeiten sind ein Dauerproblem bei RED
KINEFINITY:
+ keine Dropped Frames bei unseren Aufnahmen und kein Kameraabsturz bei Formatwechseln
- Kamerakomponenten teilweise noch nicht ausgereift (s. SDI-Out Signal und Focal Reducer bei unserem Test)
+/-engagierter Service bei deutschem Distributor und europäischer Service angekündigt aber es gibt noch keine Erfahrungswerte hier und China ist weit weg

Bildqualität
RED:
+ hohe Bildqualität Dank Compressed Raw (REDCODE RAW) - (trotz schwammiger Auskünfte von RED ob 12 oder 16 Bit final abgespeichert werden)
+ hohe Auflösung durch 5K Sensoren und damit gute Downsample-Optionen
+ hohe Flexibilität durch viele unterschiedliche RAW-Kompressionsraten (= geringe Datenrate + RAW-Vorteile)
+ relativ gutes Lowlightverhalten
+ relativ guter Dynamikumfang
+ relativ gutes Rolling Shutter Verhalten
+/- Auflösung ist nicht alles: siehe ARRI
- proprietäres RAW Format (.R3D) aber weitreichende Integration in Postproduktionssoftware
KINEFINITY:
+ hohe Bildqualität durch RAW vermutlich 16 Bit auf 12 abgebildet
+ hohe Auflösung durch 6K Sensoren und damit viel Downsample-Optionen
+ erstaunlich gute Colorscience – vor allem bei Skintones (subjektiv)
+ relativ guter Dynamikumfang
+/- Auflösung ist nicht alles: siehe ARRI
- etwas schwächer bei Lowlight
- ausgeprägter Rolling Shutter
- proprietäres RAW Format (.KRW) mit kaum vorhandener Integration in Postproduktionssoftware

RAW Workflow
RED:
+ Redcine X Pro mit weitreichenden RED RAW Editing und Konvertierungsfunktionen
+ weitreichende Integration in fast alle relevanten Schnitt- und Postproduktionssysteme
KINEFINITY:
- lieblos anmutende Kinestation Software von Kinefinity für RAW-Konvertierung
- Virenscanner hat bei uns bei der Installation (Download von chinesischem Server) Alarm geschlagen
- eher komplizierte Formatwandlung
- kaum nennenswerte Verbreitung von Kinefinity Raw -fähiger Postproduktionssoftware (uns ist nur Assimilates Scratch bekannt, das der Kinefinity für 1 Jahr kostenlos beiliegt)

Slowmotion
RED:
+ qualitativ hochwertige Slowmotion Funktionen
+ vergleichsweise hohe fps (bsp: Scarlet-W bei 4K = 120 fps bei ca. 14:1 Kompression)
+ Vorwahl von Projekt-FPS und nachträglich mögliche Änderung via Metadaten
KINEFINITY:
+/- Erfahrungswerte bei HFR zur Bildqualität fehlen noch
+/- im Vergleich weniger hohe max fps (bsp. Kinefinity Terra 6K bei 4K = 75 Bilder pro Sekunde in RAW und Prores)

Medien
RED:
+ zuverlässig
+ schneller Offload bei entsprechender Anbindung
- proprietär und teuer
KINEFINITY:
+ zeichnet auf handelsüblichen SSDs auf
+ wer mehr Sicherheit braucht kann aber muss nicht zertifizierte KineMAG+ SSDs nutzen
+ schneller Offload bei entsprechender Anbindung
+ nicht proprietär und günstig
- Zuverlässigkeit je nach gewählter SSD variiert (bei uns keine Dropped Frames mit Samsung SSD)

Mounts / Focal Reducer
RED:
+ schneller Mountwechsel
+ viel Auswahl
+ schneller OLPF-Wechsel
KINEFINITY:
+ schneller Mountwechsel via KineMOUNT-System
+/- Auswahl da aber noch steigerungsfähig
+ KineEnhancer Focal Reducer verfügbar
- KineEnhancer mit Problemen bei extrudierenden Elementen (bsp. Zeiss Cp.2 bei unserem Test)
Einsatzgebiete
RED:
+ kommerzielle Produktionen (in denen Ausfallsicherheit, schnelle Bedienung und etablierte Workflows Faktoren sind)
+ kompakte Kamerasetups für Gimbal und Drohne
+ VFX-lastige Shots bei denen hohe Auflösung hilft (Werbung, etc.)
KINEFINITY:
+ Indie- und professionelle Produktionen (in denen Ausfallsicherheit, schnelle Bedienung und etablierte Workflows keine primären Faktoren sind)
+ kompakte Kamerasetups für Gimbal und Drohne
+ VFX-lastige Shots bei denen hohe Auflösung hilft
Preis-Leistung
RED:
+ im professionellen Umfeld vergleichsweise anerkannt (aber siehe auch unser Artikel zur Kamerawahl und Risikobewertung)
+/- vergleichsweise hohe Hardware-Investitionen benötigen kommerziell erfolgreiche Projekte
+/- für Owner-Operator entsprechend hoher Druck Investitionen wieder einzuspielen
KINEFINITY:
+ viel Bildqualität für weniger Geld
- mehr Hassle bei der Bedienung und beim Workflow (Zeit und Kosten)