Eigentum trumpft -- Gericht untersagt Filmverbreitung

// 08:45 Fr, 15. Jun 2012von

Im Rechtsstreit um den Dokumentarfilm Unlike U, der Teile der Berliner Graffiti-Szene portraitiert, fiel kürzlich das Urteil des Landgerichts Berlin. Darin wird aufgrund ungenehmigter Aufnahmen auf dem BVG-Gelände die Verbreitung des Films untersagt -- es geht also nur indirekt darum, was der Film zeigt (illegale Graffiti-Aktionen), sondern die Hauptfrage lautet statt dessen, wo diese Aufnahmen jeweils angefertigt wurden. Da einige Aufnahmen eindeutig ungenehmigt auf dem Betriebsgelände der BVG, etwa an zwei identifizierbaren U-Bahnhöfen, gemacht wurden, liegt laut Urteil eine Eigentumsverletzung vor -- und zwar durch die Kamera. "... das ungenehmigte Filmen eines Gebäudes und die Verwertung der Bilder[stellen] eine Eigentumsverletzung dar, wenn das Gebäude von dem Grundstück aus, auf dem es sich befindet, gefilmt wird, denn das Eigentum kann auch dadurch beeinträchtigt werden, dass es, ohne beschädigt zu werden, in einer dem Willen des Eigentümers widersprechenden Weise genutzt wird" (Zitat aus dem Urteil). Abhängig von den über DVD-Verkäufe erzielten Einnahmen soll nun die Höhe des Schadensersatzes errechnet werden.


Daß die Filmproduzenten diese Aufnahmen nicht selbst angefertigt, sondern zugespielt bekommen haben, spiele keine Rolle, da sich aus der Art des Materials ableiten ließe, daß keine Genehmigung vorliege, und es hier ja um die Verbreitung des Materials gehe. Dem Eigentumsrecht kann in diesem Fall laut Gericht auch das Presserecht nicht entgegengestellt werden, da die betreffenden Filmausschnitte nichts substantiell Neues zeigen würden -- aus dem Urteil: "... die Darstellung der Straftat in bewegten Bildern dem Zuschauer zwar eine besondere Authentizität des Geschehens vermittelt, der damit einhergehende Erkenntnisgewinn gegenüber bspw. einer mündlichen Schilderung der Vorgänge oder der Einblendung von Standfotos indes eher gering bleibt. Die beanstandete Sequenz dient damit vornehmlich der Befriedigung der Neugierde des Zuschauers, vermittelt ihm aber keine weitergehenden Informationen."


Dem Beklagten, so heißt es weiter, sei "es weder verboten, einen Film über Graffitis im öffentlichen Nahverkehr und die dazugehörige Szene herzustellen und der Öffentlichkeit zu präsentieren, noch, Bilder von bemalten U-Bahn-Zügen zu zeigen. Er kann solche Aufnahmen weiterhin verwenden, sofern sie an Standorten außerhalb des Eigentums der Klägerin entstanden". Die Filmproduzenten sehen die Unterlassungsklage der BVG dagegen weiterhin als Versuch, Zensur auszuüben (wir berichteten), und kündigen an, in die Berufung gehen zu wollen. Aufgrund des Urteils stellen sie den Film jedoch nicht mehr auf der Webseite zur Verfügung.



Von diesem konkreten Fall einmal abgesehen, dürfte die Position von Dokumentarfilmern allgemein durch das Urteil nicht gerade gestärkt werden. Das Recht am Bild des eigenen Gebäudes (sofern auf dem Gelände selbst angefertigt) geht demnach prinzipiell vor, zumindest wenn kein eindeutiger Erkenntnisgewinn durch die Bilder entsteht. Durchaus vorstellbar, daß mit dieser Argumentation in Zukunft versucht werden könnte, die Verbreitung von so manchem kritischen Dokumentarfilm zu unterbinden, sich Filmemacher also vor Gericht vermehrt darüber streiten müssen, ob der Inhalt einer beanstandeten, ohne Drehgenehmigung entstandene Aufnahme tatsächlich zwingend Neues zeigt, also presserechtlich relevant ist, oder ob vielleicht auch eine "mündliche Schilderung der Vorgänge" genügt hätte...


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