Ratgeber Computer für 4K-Videobearbeitung konfigurieren --Teil 2: Workstation-Plattformen HEDT und Threadripper

Computer für 4K-Videobearbeitung konfigurieren --Teil 2: Workstation-Plattformen HEDT und Threadripper

Profis nutzen zur Videobearbeitung Workstation Plattformen wie Intels HEDT oder AMDs Threadripper. Worin liegen die Unterschiede gegenüber typischen Desktop-PCs?

// 08:40 Fr, 18. Mai 2018von

Wer es mit der Videobearbeitung etwas ernster meint, dürfte sich bei Workstation Plattformen wie Intels HEDT oder AMDs Threadripper deutlich besser aufgehoben fühlen als bei den günstigen Desktop-Plattformen. Doch worin liegen die Unterschiede gegenüber typischen Desktop-PCs?



1. Workstation-Plattformen wie Intels HEDT oder AMDs Threadripper/TR4 nutzen Ableger von Server-Prozessoren und bieten gegenüber Desktop-Plattformen eine doppelt so schnelle Speicheranbindung (Quad-Channel statt Dual-Channel). In der Praxis kann der Hauptspeicher (RAM) aktuell ungefähr 80 GB/s (statt 40GB/s bei den Desktop-Lösungen) übertragen, was definitiv in vielen Anwendungen spürbar ist. Um in den Genuss der schnelleren Speicheranbindung zu gelangen muss logischerweise das Mainboard mit vier gleichen Speicherriegeln bestückt werden (darum auch die Bezeichnung Quad-Channel).



Auf Workstation Mainboards finden sich meistens 8 RAM-Steckplätze
Auf Workstation Mainboards finden sich meistens 8 RAM-Steckplätze


2. Mehr PCIe-Lanes: Will man mehr als eine Grafikkarte und/oder mehr als eine schnelle NVMe-SSD mit einer Video-Vorschaukarte im System verbauen so stößt man an die Grenzen der verfügbaren PCIe-Lanes. Eine PCIe-Lane bedeutet einfach eine sehr schnelle Verbindung zwischen dem Prozessor und anderen Komponenten wie SSDs oder Grafikkarten. Je mehr Lanes ein Rechner zur Verfügung stellt, desto mehr Komponenten lassen sich ungebremst mit hoher Geschwindigkeit betreiben.



Auf Workstation Plattformen gibt es in der Regel deutlich mehr nutzbare Lanes und damit auch eine bessere System-Erweiterbarkeit. Intel gewährt hier beim aktuellen Sockel 2066 je nach Prozessor zwischen 28 und 44 Lanes. AMD lässt sich nicht bitten und schaltet für alle Threadripper-Prozessoren auf der TR4-Plattform satte 64 PCIe-Lanes frei.



Auf Workstation Mainboards finden sich meistens viele PCIe-Schnittstellen
Auf Workstation Mainboards finden sich meistens viele PCIe-Schnittstellen


3. Mehr Cache bei den Workstation-Prozessoren. Sowohl AMD als auch Intels Workstation-Prozessoren sind in der Regel Ableger der Server-Prozessor-Reihen mit deutlich mehr L2 und L3-Cache. Und tatsächlich korreliert mehr Cache in der Regel mit mehr Geschwindigkeit und konstanter Performance. Bei gleicher Prozessor-Frequenz macht ein größerer Cache gerade in der Videobearbeitung nach unserer Erfahrung oft einen spürbaren Unterschied.



Schauen wir uns die erwähnten Punkte noch etwas genauer an:







Zu 1:Sinnvoller Hauptspeicher-Ausbau

Da aktuelle Workstation-Boards mit einem Prozessorsockel in der Regel 8 Speicherslots besitzen und immer 4 Riegel gleichzeitig bestückt werden sollten, kommen als sinnvolle Speicher-Kombination minimal 4x4GB also 16 GB in Frage. Wenn man nicht viele Applikationen (z.B. After Effects, Premiere Resolve und Photoshop mit großen Dateien) gleichzeitig (!!) geöffnet halten will, werden nach unserer Erfahrung für 4K-Projekte selbst 16 GB RAM meistens vom System nicht voll genutzt. Oft zitierte Ausnahme ist After Effects, das mit viel mehr RAM signifikant an Geschwindigkeit zulegen kann. Auch das neue Fusion Modul für Compositing in Resolve wünscht sich laut Configuration Guide mindestens 32 GB RAM.



Compositing-Programme wie After Effetcs lieben eine großzügige RAM-Ausstattung
Compositing-Programme wie After Effetcs lieben eine großzügige RAM-Ausstattung


Leider sind Preise für schnelles Qualitäts-DDR4-RAM mit ca. 10 Euro/GB in den letzten Monaten ziemlich teuer geworden, doch seit kurzem zeichnet sich zumindest kein weiterer Preisanstieg am Markt ab. Wir würden aktuell einen 8 Core-Prozessor mit 32 GB bestücken und einem 16 Core-Modell ruhig 64 GB gönnen, wenn es das Budget hergibt. Mehr halten wir in 99 Prozent aller Anwendungsfälle für eine unnötige Ausgabe. Bei AMD-Prozessoren macht es dazu Sinn eher 4 statt 8 Bänke zu bestücken und dabei auf schnelles (sowie kompatibles) RAM zu achten, weil die neue Zen-Architektur schnelles RAM etwas effizienter in Performance umsetzen kann als Intel. Bestückt man 8 statt 4 Sockel, so geht die maximale Speicherzugriffszeit in der Regel leicht zurück.





Zu 2: PCIe-Lanes

Auch zu den PCIe-Lanes sollten wir vielleicht noch ein paar erklärende Worte verlieren. Die Art und die Anzahl der PCIe-Lanes bestimmen wie schnell Grafikkarten, Videoschnittkarten und/oder besonders flinke PCIe-SSDs an den Prozessor angebunden werden können. Nach ausgiebigen Tests mit Resolve haben wir in der Vergangenheit herausgefunden, dass 8 PCIe 2.0 Lanes mit ca. 4GB/s Übertragungsrate tatsächlich einen Flaschenhals bei der 4K GPU-Berechnung darstellen. Aktuelle Mainboards, Grafikkarten und Prozessoren unterstützen jedoch PCIe 3.0. (Erste PCI 4.0 Implementierungen werden frühestens für Ende 2018 erwartet). Schon bei der PCI 3.0-Anbindung konnten wir keinen signifikanten Unterschied feststellen, wenn die Grafikkarten mit 8 oder mit 16 Lanes betrieben wurden. Da immer mehr die Hersteller jedoch die GPU für alle möglichen Effekte nutzen, könnte sich dies in Zukunft noch ändern.









LanesPCIe Gen 2.0PCIe Gen 3.0
x1500 MB/s985 MB/s
x42.000 MB/s3.938 MB/s
x84.000 MB/s7.877 MB/s
x168.000 MB/s15.754 MB/s




Tabelle: Übertragungs-Geschwindigkeiten PCIe-Lanes





Zu 3: Empfehlenswerte Prozessoren

Bei Intel im Workstation-Bereich würden wir aktuell zu einem i7-7820X mit 8x 3.60GHz greifen, wenn uns 28 Lanes für ein Schnittsystem bis auf weiteres ausreichen sollten. Vor allem das Preis-Leistungs-Verhältnis von Intels kleinstem 8 Core Prozessor mit Quad-Channel-Anbindung, der dazu noch übertaktbar ist erscheint uns gut. Aktuell (Mai 2018) kostet diese CPU rund 450 Euro. Da gute Intel 2066-Workstation-Boards mit X299-Chipsatz schon deutlich unter 200 Euro (ab ca. 170 Euro / Mai 2018) zu haben sind, wirkt der Intel Core i7-7820X in dieser Preislage gerade in Kombination mit einem passenden Mainboard nicht einmal überteuert.



Der Intel Core i7-7820X bietet gute 8 Core-Performance zum fairen Preis
Der Intel Core i7-7820X bietet gute 8 Core-Performance zum fairen Preis


AMDs TR4-Workstation Boards mit X399-Chipsatz kosten dagegen mindestens 100 Euro mehr (ab ca. 280 Euro/Mai 2018), was den Preisvorteil von AMD-Threadripper-Prozessoren bei 8 Kernen praktisch nivelliert. Denn ein 8 Core Threadripper kostete Mitte Mai 2018 noch mindestens 340 Euro, was ihn im Vergleich zum Intel Modell mit einem passenden Board nicht günstiger dastehen lässt. Dafür bekommt man bei AMD für diesen Preis bereits volle 64 PCIe-Lanes und etwas mehr Basistakt (3.8 vs. 3.6GHz). Außerdem scheinen momentan AMD-Prozessoren aktuell etwas weniger von kommenden Sicherheitspatches betroffen zu sein, die voraussichtlich die Performance von Intel-Prozessoren etwas einbremsen werden (Stichwort Spectre-NG, Spectre und Meltdown).





Extrem Interessant wird die AMD-TR4-Plattform jedoch bei 12 und 16 Prozessorkernen, denn in diesen Gefilden werden Intel-Prozessoren bei hohem Takt schnell unverhältnismäßig teuer. So gab es im Mai 2018 einen 12Core 3.50GHz Threadripper für 600 Euro und das 16 Core-Topmodell mit 16x3.40GHz für 820 Euro. Bei Intel gibt es so viele Kerne als 2066-Workstation-Prozessoren nur noch mit signifikant weniger Basistakt (2.8 -2.9GHz). Und das erst erst ab 1.000 bzw. 1.500 Euro für 12 bzw. 16 Kerne.



Bei 12 und 16 Kernen bietet der AMD Threadripper ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis
Bei 12 und 16 Kernen bietet der AMD Threadripper ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis


Wir würden daher bei der Planung eines zukunftssicheren Performance-Monsters mit 12 oder 16 Kernen definitiv zu AMD greifen. Aktuell mag das noch leicht übertrieben klingen, doch ein 16 Core-Rechner dürfte auch für kommende 6K- und 8K-Aufgaben noch lange gut gewappnet sein. Und wenn man sich schon ein System zusammengestellt, das auch einige Jahre laufen soll sollte man dazu bedenken, dass die übrigen Kosten einer Video-Workstation (Gehäuse, Netzteil, Kühler, Speicher, Massenspeicher etc.) beim Bau ziemlich konstant bleiben. Somit fallen die Aufpreise der CPU und des Mainboards meist weniger gravierend ins Gewicht als bei einer ersten groben Kalkulation.



Im Gegensatz zu Intel hat sich AMD auch deutlich der Zukunftssicherheit seiner Sockel verpflichtet. So sollen auch die kommenden Zen-Prozessoren nach einem BIOS-Update in heutigen Mainboards laufen. Voraussichtlich bis zum Jahr 2020 sollen AM4- und TR4-Sockel unverändert erhalten bleiben.




Noch mehr Leistung?

Noch mehr CPU-Leistung benötigt man vor allem im Bereich der komplexen Special Effects, wenn diese nicht auf GPUs berechnet werden (können). Aktuell sind hierfür After Effects und andere Compositing-Programme klassiche Vorzeigefälle. Doch auch hier ist in den letzten Jahren immer deutlicher eine Bewegung in Richtung GPU zu verzeichnen.



Dazu ist der Sprung in höhere Gefilde der Prozessorleistung jenseits von 16 Threadripper Kernen mit ganz erheblichen Mehrkosten verbunden. Bei Intel wird es schon über 8 Kernen richtig teuer (wenn diese vernünftigen Takt mitbringen sollen) und auch bei AMD muss man dann unter Namen EPYC die Preise für "echte" Server Prozessoren bezahlen. AMD bietet dann bis zu 32 Kerne in einem Sockel (ab ca. 2.000 Euro), Intel ist aktuell bei maximal 28 Kernen/Sockel (ab ca. 4.000 Euro). Beide Hersteller schaffen bei so vielen Prozessorkernen nur Basis-Taktraten um die 2 GHz.



Mit Dual-Sockel Mainboards lässt sich die theoretische Rechenleistung dann nochmal verdoppeln, darüber ist dann ohne extreme Mehrausgaben das Ende der Fahnenstange erreicht.



Bei zwei CPUs werden weitere Komponenten schnell groß und teuer
Bei zwei CPUs werden weitere Komponenten schnell groß und teuer


Boards, Gehäuse, Netzteile und Speicherausstattung sind für solche Systeme ebenfalls deutlich teurer. Und sogar die Stromkosten für den Betrieb eines solchen Systems können dann plötzlich relevante Dimensionen erreichen.



Auch nicht unwichtig: Die Skalierung der Applikationen ist oft ebenfalls ab einer gewissen Kernanzahl nicht mehr effektiv. Für flüssigen 4K Schnitt oder GPU-Compositing dürfte man dazu kaum einen spürbaren Vorteil aus solchen Systemen ziehen. Weshalb wir bis auf weiteres eine 16 Core-Workstation mit vollen 3.4GHz Basistakt als sinnvolle Obergrenze für eine Systemempfehlung zur Videobearbeitung sehen.





Im nächsten Teil dieses Artikelserie werden wir uns einmal näher mit sinnvollen GPUs und Videoschnittkarten befassen...



Ähnliche Artikel //
Umfrage
    Generative Video-KI: Hast du ein Abo?







    Ergebnis ansehen

slashCAM nutzt Cookies zur Optimierung des Angebots, auch Cookies Dritter. Die Speicherung von Cookies kann in den Browsereinstellungen unterbunden werden. Mehr Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. Mehr Infos Verstanden!
RSS Suche YouTube Facebook Twitter slashCAM-Slash