Automatik – Ist Weniger Mehr?
Ehrlich komisch wirkt, wie sich die ungleichen Konkurrenten auf offener Straße entgegenkommen und aneinander vorbeifahren. Canon denkt, dass Automatiken bei Profis uncool sind (und lässt sie raus), während die neue RED jetzt sogar Touch-Autofokus beherrscht und viele Automatiken dazugewinnt. Unsere Meinung: Mann muss Automatiken ja nicht nutzen, aber es ist immer besser, wenn sie optional vorhanden sind, als wenn nicht. Automatiken weglassen als Profi-Posing-Geste finden wir nicht gerade angesagt.
Man kann der Canon zugute halten, dass die Kamera einfach eher als portables Gerät konzipiert ist. Sie ist klein, hat einen eingebauten ND-Filter und man kann als One-Man Show damit schneller loslegen. Sie wirkt dabei wie eine DSLR, an der wirklich alle aktuellen Kritikpunkte ausgemerzt wurden. Allerdings konkurriert sie somit eher mit einer AG-AF101 oder einer Sony FS100, die in deutlich günstigeren Preislagen liegen. Nur eben mit einem geringfügig besseren Codec.
Ebenfalls etwas bedenklich ist, dass Canon KEIN professionelles Support und Vertriebsnetz im Video/Film-Bereich besitzt. Und das neu eröffnete Support-Center in Hollywood dürfte für den Rest der Welt schwer zu erreichen sein. Sony, Panasonic und selbst RED haben hier einen echten Stadortvorteil in vielen Ländern präsent zu sein, was gerade bei technischen Krisen während der Filmproduktion ein nicht unerheblicher Vorteil ist. Mal sehen, wie Canon dieses Problem angehen will.
Scarlet-X = EPIC-1
Je mehr wir dagegen über die neue Scarlet-X lesen, desto begeisterter sind wir. Denn die Scarlet-X ist eine passabel abgespeckte EPIC. Jim Jannard hat die Economies of Scale verstanden. Es macht für eine so kleine Firma schlichtweg keinen Sinn, verschiedene Modell-Serien zu pflegen. Die Entwicklungskosten für die Sensoren und die Signalelektronik sind die wahren Kosten, nicht die Kosten eines Sensors oder eines DSPs in der Fertigung. Daher macht es für RED mehr Sinn die EPIC nochmal abgespeckt billiger zu verkaufen, weil man sich so die Entwicklung von mehreren Produktlinien spart.
Sieht man sich an, was man bei RED für den halben Canon-Preis bekommt, darf man schon staunen: Natürlich ist der nackte Preis mal wieder Makulatur, weil man noch viel Zubehör braucht. Aber immerhin versteht RED offensichtlich etwas von psychologischer Preisfindung, und weiß was es bedeutet, dass der Grundpreis des Systems unter 10.000 Dollar bleibt. Daher muss man fast schon den Hut ziehen von, wie sich RED die Canon Präsentation zu Nutze machen konnte. Legt man die technischen Daten nebeneinander auf den Tisch, sieht die Canon einfach restlos überteuert und unterfeatured aus. Und nicht nur das. Man sieht auch den wahren Alexa-Konkurrenten des Tages. Wir wetten auf jeden Fall, dass RED mit der Scarlet-X bis auf weiteres sicherlich mehr Kameras verkaufen werden, als sie poduzieren können (was Jim Jannard ja auch schon im Vorfeld angekündigt hat).
Canon hat dagegen immer noch den DSLR-Markt im Auge, der im Preissegment der C300 jedoch nicht funktionieren wird. Die DSLRs waren immer eine pfrimelige Alternative für die hackfreudigen Rebel-Filmer, die sich keine RED leisten konnten. Nun gibt es die RED zum halben Preis einer Canon C300. Und es ist kaum anzunehmen, dass viele Anwender nur zur Scarlet-X greifen werden, weil sie sich keine C300 leisten können. Der Workflow und der RED-Codec sind zu schlagende Argumente.
Sobald Canon allerdings seinen neuen Sensor und die Signalelektronik auch in 5000 Euro-Geräten verbaut, dürfte das große Wellen schlagen und Sony (FS-100) sowie Panasonic (AG-AH101) in echten Zugzwang bringen. Dort dürften auch Stückzahlen zu verkaufen sein, die den Entwicklungsaufwand eher rechtfertigen. Und das beste: RED wird in diesem Marktsegment auch bis auf weiteres nicht mehr mitspielen wollen. So viel hat Jim jetzt auch begriffen.