Test Erster Eindruck Sony Venice 2 - die Krone der FPGA-Kameraschöpfung?

Erster Eindruck Sony Venice 2 - die Krone der FPGA-Kameraschöpfung?

Wir hatten die Möglichkeit, in Berlin ein Vorserienmodell der kommenden Venice 2 von Sony in die Hand zu nehmen - im folgenden unsere ersten Eindrücke der professionellen Cine-Kamera. Vor allem drängt sich dabei die Frage auf: warum kostet die Venice 2 über 50.000 Dollar, wenn eine spiegellose Systemkamera mit ähnlichen Spezifikationen wahrscheinlich bald für ein Zehntel des Preises erhältlich sein wird?

// 13:16 Di, 28. Dez 2021von

Die Rahmendaten der Venice 2 belegen deutlich Sonys Ambitionen im professionellen Cine-Kamera Segment. Es gibt zum Body-Update gleich zwei Vollformat-Sensoroptionen: 6K (6048 x 4032) mit maximal 90 FPS (in Cinemascope) sowie 8.6K (8640x5760) mit maximal 60 fps (in 17:9). Dazu kommt eine interne X-OCN Aufzeichnung bis 8K60p und sowie eine 4K ProRes 4444 Aufnahmemöglichkeit. Gegenüber der ersten Venice ist die Kamera geringfügig länger geworden, dafür wurde der bislang externe AXS-R7 Recoder quasi integriert.





8K60p mit 16 Blendenstufen - auf dem Datenblatt

Vor allem durch interne Denoising-Algorithmen wurde der Dynamikumfang bei der Venice 2 mit dem 8K Sensor erweitert und beträgt nun laut Datenblatt 16 Blendenstufen. Die neue Dual Base ISO des 8K Sensors beträgt 800/3200, womit auch extreme Low-Light Szenarien kein Problem darstellen sollten. Zur Aufzeichnung mit 8K 60p benötigt man eine neue Highspeed 6.6 Gbps AXS-A1TS66 Karte, die ab der Auslieferung der Venice 2 verfügbar sein soll.



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Wer noch nie mit Cine-Kameras zu tun hatte, dürfte sich vor allem fragen, warum eine Venice 2 über 50.000 Dollar kostet, wenn eine spiegellose Systemkamera mit ähnlichen Spezifikationen wahrscheinlich bald für ein Zehntel des Preises erhältlich sein wird?





Cine-Kamera vs. DSLM

Der Versuch einer Antwort führt zuerst einmal über die Produktion der Venice. Die produzierten Stückzahlen für gehobene Cinekameras über 25.000 Euro liegen weit unter den Stückzahlen hybrider DSLMs. Und zwar so weit, dass Kameras wie die Venice nicht automatisiert, sondern zu nicht unbedeutenden Teilen manuell produziert werden. Ähnliches gilt für deren Innenleben. Hier kommen keine günstigen ASICs aus der Massenproduktion als Hauptprozessoren ins Spiel, sondern FPGAs. Das sind Chips, deren Funktionslogik man immer wieder neu programmieren kann. Wie die Kamera funktioniert kann hier auch noch nach dem Kauf per Firmware-Update grundlegend verändert werden. Bei ASICs sind die Funktionen dagegen unveränderbar - also buchstäblich "in Silikon gemeißelt". (Mehr zum Unterschied FPGA vs. ASIC findet sich hier ).



Früher fanden sich daher in Cine-Kameras eher exotische Codecs, die auf dem Massenmarkt kaum gebraucht wurden (seinerzeit z.B. 10 Bit 4:2:2 oder RAW). Diese wurden in FPGAs implementiert und landeten in der Regel nicht in den ASICs für die Kameras der breiten Masse. Selbiges gilt für seltene Objektiv-Steuerprotokolle oder Time-Code-Funktionen, die auf den ASICs nur wertvolle Chipfläche gestohlen haben.



In den letzten Jahren sind die sogenannten IP-Blöcke (also die Funktionseinheiten, die man auf den ASICs kombiniert) für Codecs und einfache Funktionen kaum noch die Diskussion um deren Fläche wert, weshalb es für einen Hersteller in der Regel lohnenswert ist, auch Cine-Codecs wie RAW oder diverse 10 Bit 4:2:2 Varianten auf einen ASIC zu packen, wenn man diesen Chip dann im Gegenzug auch in (s)einer Cine-Kamera Serie nutzen kann. Dies ist beispielsweise in Sonys FX3 oder FX6 der Fall, in denen ASICs der Consumer-Alpha-Kameras eingesetzt werden (BIONZ XR).







Offene, flexible Zukunft

Das Spannende an der Venice 2 ist somit, was hier in naher Zukunft noch alles (hinzu-)kommen kann. Die Venice 1 hielt sich die letzten 5 Jahre tapfer und wurde über die Zeit beispielsweise bei den Frameraten seit Erscheinen deutlich erweitert.



In ähnlicher weise kann und wird Sony bei der Venice 2 auch nachträglich das Zusammenspiel mit seltenen Cine-Objektiven (oder sogar neuen Objektiv-Protokollen) im Laufe des Produktlebens noch anpassen. Neue Codec-Varianten sind ebenso prinzipiell nachrüstbar.



Kameras wie die Venice dienen somit auch als Testplatz für zukünftige Codecs wie X-OCN, bevor diese IP Jahre später (und entsprechend in der Praxis ausgereift) fest in ASICs gegossen werden kann.



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Nebenbei auch erwähnenswert: Im Falle eines Rechtsstreits können Codecs auch aus der Firmware einer FPGA-Kamera restlos entfernt werden, um einer Auslieferungssperre aufgrund von potentiellen Patentstreitigkeiten vorzubeugen - wie mit CDNG bei Blackmagic geschehen.





Hoher Stromverbrauch - mächtiges Gewicht - robustes Gehäuse

Doch neben der größeren Flexibilität besitzen FPGAs auch einen Nachteil. Ihr Stromverbrauch ist bei vergleichbarer Logik-Komplexität gegenüber ASICs deutlich höher. Tatsächlich kann eine Venice 2 mit 8K-Sensor im Worst Case über 100W ziehen, was wiederum große Implikationen für das grundsätzliche Kameradesign mit sich bringt.



Die Venice 2 braucht deswegen ein verbessertes Lüftungskonzept mit größeren Lufteinlässen. Und eine große Kühlleistung robust zu verpacken macht die Kamera schwerer. Da Cinekameras primär für den Verleih gebaut werden und deswegen besonders robust und zuverlässig sein müssen, kommt hier eins zum anderen.



So fühlt sich die Venice 2 (sehr ähnlich einer ALEXA oder einer URSA) wie ein Panzer an und wiegt wie seine Konkurrenten auch entsprechend ordentlich: 4,2 kg (6K) bzw. 4,3 kg (8K) bringt nur das Gehäuse ohne Akku, Viewfinder oder sonstiges Zubehör auf die Waage. Und wer die 100W per Akku längere Zeit ohne Netzkabel anliefern muss, muss noch einige schwere Akkus für einen Drehtag einplanen.



Um eine Kamera wie die Venice 2 trotz ihres schweren Gewichtes dennoch für 50.000 Euro verkaufen zu können, muss diese bei der Bildqualität kompromisslose Qualität und absolute Zuverlässigkeit bieten. Sie muss die Kamera sein, die das beste Bild liefert, sofern der Mietpreis für die Kamera im Budget sowieso nur eine untergeordnete Rolle spielt.





Bedienung nach Cine-Standards

Und wer sich in derart großen Produktionen bewegt erwartet dann auch eine Bedienbarkeit, die beim Kameramann keine Fragen aufwirft. Darum orientiert sich das Layout und die Bedienung der Venice 2 an etablierten Cine-Standards, die vor einem Jahrzehnt von der ARRI Alexa "definiert" wurden.



Wer eine ARRI bedienen kann, soll sich hier auch sofort zurechtfinden. Im Detail findet man bei der Venice jedoch weitaus mehr Einstellmöglichkeiten in den Tiefen der Menüs. Gegenüber der ersten Venice hat es bei einigen Details aufgrund von Userfeedback ein paar Änderungen gegeben. Der 4K Signaloutput kann nun mit einer LUT versehen werden, die interne 3D LUT Verarbeitung wurde verbessert, Exposure Index-Änderungen werden direkt an die S-Log 3 Outputs weitergegeben, LUT/ASC-CDL lassen sich via Ethernet/Wi-Fi kontrollieren, und Fullframe-Aufnahmen lassen sich mit einem 16:9/17:9 Ausschnitt in der Vorschau beschneiden, um nur die wichtigsten zu nennen. Auch ein ACES-Workflow wird nun direkt von der Kamera-Seite aus unterstützt:



Die Venice 2 kann auch direkt in ACEScct-Workflows eingebunden werden.
Die Venice 2 kann auch direkt in ACEScct-Workflows eingebunden werden.


Zudem wurde die Ethernet-Schnittstelle auf die rechte Kameraseite verlegt und der 12V Out wurde als mittlerweile üblicher 2-Pin Lemo implementiert. Dazu niemals verkehrt: Die Venice 2 hat nun auch ein internes Mikrofon.



Wir konnten die Rolling Shutter Zeiten noch nicht messen, weil es sich um ein Vorserienmodell handelt, doch vielleicht hat Sony hier noch eine Überraschung in Petto. In der Werbebroschüre zur Kamera heißt es zumindest:



"Fast Shutter Jello effect is something we don’t need when filming. Venice 2 has high speed readout sensors that minimize the jello effects typical with CMOS sensors."





Es würde uns nicht wundern, wenn Sony hier auch noch sehr beeindruckende Werte aus dem Hut zaubern könnte. Schließlich scheint die Kühlmöglichkeit des Gehäuses für den Sensor beachtlich.




Wo steht die Konkurrenz?

Vergleicht man die Venice 2 mit einer DSLM, so fallen als Spezifikation vor allem die höheren Frameraten (8K bis 60p), eine interne RAW-Aufzeichnungsmöglichkeit sowie der Dynamic Range von bis zu 16 Blendenstufen mit dem 8K-Modell ins Auge. Die ersten zwei Features hat Nikon mit der Z9 ebenfalls für das nächste Jahr in einem leichten und stromsparenden Profi-DSLM-Gehäuse angekündigt. Bei der Dynamik gibt es hier allerdings noch ein großes Fragezeichen.



Es steht jedoch außer Frage, dass in die ASICs der nächsten Generation ebenfalls 8k60p sowie interne RAW-Aufzeichnung fließen wird. Und es würde uns schwer wundern, wenn nicht auch auch Blackmagic in naher Zukunft eine Vollformat Kamera mit ähnlichen Spezifikationen präsentieren wird.





Der technische Abstand schrumpft

Die Venice 2 wird sicherlich eine der wichtigsten State Of The Art Kameras 2022, aber der Abstand zur Klasse darunter ist deutlich enger als in früheren Generationen. Man bekommt mit der Venice 2 sehr wahrscheinlich eines der besten verfügbaren 8K-Bilder, aber es wird von Generation zu Generation schwerer, einen bildtechnischen Unterschied zu einer deutlich günstigeren 8K Vollformatkamera herauszuarbeiten.



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Um die Venice 2 relevant zu machen, muss Sony aber am Ende sowieso mit anderen Argumenten jenseits der technischen Spezifikationen punkten. Letztlich geht es darum wichtige Kameramänner zu überzeugen, dass diese sich zum Dreh von der Produktion eine Venice statt einer Arri oder Red "wünschen". Und dass ein gut aufgestellter Verleih diese Option dann auch anbieten kann.



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