Unter den vielen digital gedrehten Filmen im diesjährigen Berlinale-Programm fanden sich natürlich auch einige Produktionen, bei denen mit einer Video-DSLR gefilmt wurde. Bei zwei von ihnen -- beide mit der Canon 5D gedreht -- konnten wir per Mail nachfragen, wie und warum...

Highway -- neues nepalesisches Kino
In der Panorama-Sektion zu sehen war das nepalesische Roadmovie Highway von Deepak Rauniyar. Ein Reisebus, der aus dem Osten des Landes zur Hauptstadt fährt, wird darin immer wieder von Streiks und Staus aufgehalten. Da viele der Passagiere dringend ihr Ziel erreichen müssen, versuchen sie verschiedene Strategien zu entwickeln, die Sperren zu umgehen... Der Film wurde zT. über Kickstarter finanziert.
Stimmt es, daß dies der erste nepalesische Film ist, der auf der Berlinale gezeigt wird?
Deepak Rauniyar: Ja, leider ist es so. Wir Nepalesen machen Filme seit etwa 46 Jahren, und zwar ca. 100 pro Jahr. Aber Highway ist der erste Spielfilm, der es auf ein hochkarätiges Festival geschafft hat (wie Berlin, Sundance, Toronto, Venedig oder Cannes).
Der Film ist mit einer Canon 5D gedreht -- warum?
Ein Hauptgrund war finanzieller Art. Die Filmtechnik-Verleiher in Nepal, die Kameras wie die Red oder SI2K haben, bieten Paketpreise für Dreh- und Postproduktionstage an. Wenn man mit ihren Kameras dreht, muß man das Material auch bei ihnen schneiden, weil der Workflow komplex ist und man gewisse technische Anforderungen hat. Das hätte das Budget für den Film deutlich höher getrieben und ich dachte, bei meinem ersten Film muß ich das nicht gleich so machen.
Außerdem wollte ich die verbreitete Annahme hier in der nepalesischen Filmindustrie herausfordern, daß ein guter Film automatisch mit einer großen Kamera gemacht werden muß. Die hiesige Filmförderung gibt große Summen an Filmemacher, damit sie auf 35mm drehen. Das hat mir als Filmkritiker immer schon nicht gefallen.

Wie sah das technische Setup aus?
Ich hatte zwei 5D Kameras mit einigen Optiken aus der L-Serie sowie ein paar Sigma-Optiken. Wir haben den Film im Dogma-Style gedreht, ohne so Sachen wie Dolly, Kran oder Steadicam. Für den Ton hatte ich einen portablen 8-Kanal Mixer und einen Marantz Recorder.
Was war besonders daran, mit der 5D zu drehen?
Abgesehen von dem günstigeren Mietpreis die Tatsache, daß sie nicht wie eine Filmkamera aussieht! Das war sehr günstig für mich, um unauffällig drehen zu können. Wir haben in Highway ja großteils im Doku-Stil gedreht -- bevor die Leute gemerkt haben, daß wir drehen, waren wir schon weg. Sonst wäre es ziemlich schwer für mich gewesen, immer die Drehorte vorher räumen zu lassen...
Hattet ihr eine Drehgenehmigung oder wurde das als Guerilla-Projekt gedreht?
Ich hatte eine offizielle Erlaubnis, zu drehen. Aber an vielen Orten haben wir trotzdem incognito gearbeitet.
Die Dialoge sind großteils improvisiert, richtig?
Ja, es ist alles improvisiert. Als ich aufwuchs, hat man mir ständig gesagt, was ich zu tun hatte und was nicht. Auch unsere Lehrer in der Schule wurden wütend, wenn wir Fragen stellten. Wir sind umgeben von Tabus, in der Regel haben wir nicht die Möglichkeit, uns frei auszudrücken. Als ich mit dem Filmemachen begann, beschloss ich daher, meinen Schauspielern nichts vorzuschreiben. Statt dessen ermutige ich sie, nicht nur ihre Dialoge frei zu wählen, sondern auch wie sie sich bewegen und geben. Für Highway haben wir davor jedoch mit ihnen Schauspiel-Workshops abgehalten. Wir hatten eine gemischte Truppe aus hauptsächlich Laien bzw. unerfahrenen Schauspielern sowie einigen Profis. Am Set habe ich ihnen dann sehr genau erklärt, wie die Szene anfängt, wie sie enden soll, und welche Entwicklung wir uns dazwischen wünschen. Den Rest habe ich ihnen überlassen, außer sie hatten irgendwelche Probleme.

Du hast auf Kickstarter erfolgreich über 30.000 Dollar für die Fertigstellung des Film gesammelt. Wie hast Du die Vorfinanzierung zusammenbekommen, und was weißt Du über die Leute, die dich auf Kickstarter unterstützt haben?
Die Startfinanzierung für den Film bekam ich von dem Ärzte-Ehepaar Drs. Sameer und Lonim Dixit, die sich für ein "neues" nepalesisches Filmschaffen engagieren. Auf Kickstarter bekam ich natürlich Hilfe von Freunden und Bekannten, die entweder mich selbst oder meine Co-Produzenten Joslyn Barnes und Danny Glover von Louverture Films kannten. Aber es waren auch viele dabei, die aus verschiedensten Teilen der Welt kamen und keine Verbindung zu mir oder zu Nepal hatten.
Ohne die Unterstützung von Louverture Films, und besonders von Joslyn Barnes, die ich über Kontakte kennengelernt habe, hätte ich den Film übrigens nie fertig bekommen. Sie war eine große Hilfe und hat auch die Kickstarter-Kampagne angeregt, als ich kein Geld mehr hatte...
Worauf wurde denn der Film geschnitten, und gab es dabei irgendwelche Schwierigkeiten?
Mit Final Cut Pro 7, die Farbkorrektur wurde mit Nucoda Film Master gemacht. Natürlich waren wir da etwas eingeschränkt, weil wir kein RAW-Material hatten, aber eigentlich gab es keine größeren Probleme.
Infos zum Film:
HIGHWAY
Nepal/USA 2011
Regie: Deepak Rauniyar
Produktion: Deepak Rauniyar, Joslyn Barnes, Danny Glover (Louverture Films)
Buch: Abinash Bikram Shah, Deepak Rauniyar, nach einer Story von Deepak Rauniyar, Kedar Sharma, Khagendra Lamichhane
Kamera: Apal Singh, Jyoti Keshar Simha
Format: DCP, Farbe
Länge: 80 Minuten
Sprache: Nepalesisch
Facebook-Seite zum Film
Sleepless Knights

Dieser Film von Stefan Butzmühlen und Cristina Diz lief in der Forum-Sektion und spielt in Spanien, genauer gesagt in der kargen Extremadura, wo sich Carlos, der den Sommer bei seiner Familie besucht, und der junge Polizist Juan näher kommen. Kameramann Stefan Neuberger hat unsere Fragen zu den Dreharbeiten beantwortet:
Was war ausschlaggebend für die Entscheidung, mit der Canon 5D zu drehen, und war es rückblickend die richtige Wahl?
Natürlich gab es viele verschiedene Gründe, die mich letztendlich zur Canon 5D geführt haben. Das waren zum Beispiel: ein sehr geringes Budget, der Wunsch nach Gestaltung mit selektiver Tiefenschärfe, vorwiegendes Arbeiten mit vorhandenem Licht, eine einzige Filmlicht-Lampe und relativ viele Nachtszenen.
Ausschlaggebend für mich war aber vor allem, dass wir ein sehr kleines Team waren, das intuitiv und spontan arbeiten wollte. Da war es mir besonders wichtig, dass ich mich mit der Kamera alleine wohlfühle, um mich voll und ganz auf die Gestaltung des Inhaltes konzentrieren zu können. Mit der Canon 5D hatte ich zuvor schon gearbeitet, unter anderem auch für den Dokumentarfilm "Meanwhile in Mamelodi". Daher konnte ich die Arbeit mit der Canon 5D auch spontan und beobachtend ganz gut für mich einschätzen.
Während der gesamten sechs Wochen Drehzeit, konnte ich nur für die aufwendigsten Szenen eine Woche lang mit Assistenz arbeiten. Ansonsten habe ich immer zusammen mit Stefan Butzmühlen das Licht aufgebaut bevor wir gedreht haben. Da war es für mich wichtig, dass die technische Seite der Kameraarbeit nicht zu groß, zu schwer und aufwendig wird. Schon alleine physisch belastet einen die Canon5D verglichen mit anderen Kameras nicht so stark und lässt so Konzentration auf Anderes, Wichtigeres. Für mich war das für diesen Dreh absolut die richtige Wahl. Ich bin mit dem Resultat zufrieden und kann mit den Nachteilen der Kamera leben.

Mit welchen Optiken habt ihr gearbeitet, welches Zubehör war wichtig?
Gedreht wurde mit älteren, selbst zusammengestellten Nikon-AI-s Festbrennweiten:
28 mm 2.8
35 mm 2
50 mm 1.2
85 mm 2
105 mm 1.8
180 mm 2.8
Das wichtigste extra Zubehör für mich war der Viewfinder. Ohne den hätte ich nicht mit der Canon5D arbeiten wollen. Ich brauche das komplette Abtauchen ins Bild für die Gestaltung – fürs Gefühl zum Bild. Ansonsten waren natürlich eine zusammengebastelte Schulterstütze, ein schweres und ein leichtes Kamerastativ unentbehrlich.
Wie habt ihr den Ton abgenommen?
Der Ton wurde extern aufgenommen und später mit dem Bild synchronisiert. Der Ton der 5DMarkII hat als Primärton zum Anlegen gedient. Der Ton wurde extern mit folgendem Equipment aufgenommen:
- Sounddevice 744T
- Tascam DR-100
- MS Angel Rode NTG2 + Ambient Emesser ATE 208
- zwei Funkstrecken Sennheiser 2000set
- DPA 4060
- 2 Oktava MK012
Gedreht wurde ja in der Extremadura in Spanien. Wie seid ihr mit den Lichtverhältnissen dort umgegangen?
Wir haben so viel wie möglich mit vorhandenem Licht gedreht. Ein Resultat sowohl aus Produktionsbedingungen als auch aus dem Wunsch, mit dem zu Arbeiten, was vorhanden ist. Erstmal durchs Sehen zu Gestalten und nicht durchs Verändern war unser Wunsch. Was gibt es schöneres als natürliches Licht.
Um da zusätzlich technisch nachzuhelfen gab es eigentlich nichts außer minimalstes und unverzichtbares Equipment: Reflektor und ND-Filter. Ich habe eher versucht das Licht zu beobachten und Einstellungen gewählt, die mit dem vorhandenen Licht Zusammenarbeiten.
Kannst Du uns ein bisschen über die Bildgestaltung und Ästhetik erzählen, für die ihr euch entschieden habt? (Kameraführung, Schärfestaffelung uä.)
Für mich ist es wichtig einen Rahmen zu schaffen, in dem etwas frei passieren kann. Viele Einstellungen in dem Film sind lang, verglichen mit den gängigen Sehgewohnheiten. Das Buch ist fragmentarisch angelegt und basiert vorwiegend auf Momenten. Da finde ich es wichtig, dass es eine gewisse Harmonie im Bild gibt - ein zusammenhaltendes Element. Wenn man ein Bild über fünf Minuten ansieht, dann muss es über die erste Informationsvermittlung hinweg interessant sein. Man beginnt das Bild tatsächlich genauer anzusehen, zu untersuchen, wirken zu lassen. Mir war es wichtig, dass die Bilder das tragen können, dass man etwas in ihnen entdecken kann, das man nicht auf den ersten Blick wahrnimmt.

Die filmische Erzählung soll weitgehend im Schnitt entstanden sein, dh. es gab kein richtiges Drehbuch als Grundlage? Wusstest Du (die Regie, die Schauspieler), was in den verschiedenen Szenen passieren wird? Wie liefen die Dreharbeiten konkret ab?
Wir haben bei diesem Dreh sehr intuitiv gearbeitet. Da wir ein sehr kleines Team hatten, war dies auch gut möglich. Stefan Butzmühlen und Cristina Diz haben ein etwa 40-seitiges Buch geschrieben, dass vor allem aus Momentaufnahmen bestand - jede Szene ein Bild für sich. Die letztendliche Auflösung haben wir vor Ort am Set entschieden.
Die Inszenierung war immer ein Prozess. Ich würde sagen, wir wussten dann kurz vorm Drehen schon alle sehr genau was passieren wird. Aber bevor wir am Drehort ankamen wussten wir es selten exakt. Die Szenen sind gemeinsam an Ort und Stelle erarbeitet. Da spielt alles mit rein: die Stimmung des gesamten Teams, der Ort an sich, das Wetter. Wir haben viel mit dem gearbeitet was da ist, was interessant ist anzusehen und haben uns davon inspirieren lassen. Sowohl von den Orten als auch von den Figuren.
Stichwort Drehverhältnis: Wie viel Material wurde insgesamt aufgenommen?
Insgesamt ca. 18 Stunden Material. Drehverhältnis ca. 1:13
Gab es besondere Schwierigkeiten, die ihr während des Drehs meistern musstet?
Schwierigkeiten gab es natürlich immer wieder. Besondere? Vielleicht die unerträgliche Mittagshitze und das extrem kleine Team. Aber auch das hatte beides seine guten Seiten: eine notwendige Siesta und viel Freiheit und Spontaneität.
Weißt Du zufällig, worauf der Film geschnitten wurde?
Der Film wurde auf FinalCutPro geschnitten.
Infos zum Film:
SLEEPLESS KNIGHTS
Regie: Stefan Butzmühlen, Cristina Diz
Deutschland 2012
Produktion: Salzgeber & Co. Medien, Berlin
Buch: Stefan Butzmühlen, Cristina Diz
Kamera: Stefan Neuberger
Format: DCP, Farbe
Länge: 82 Minuten
Sprache: Spanisch