Axel Rogge
Verlag: Rheinwerk Design Taschenbuch - 309 Seiten Sprache: Deutsch Erschienen: Dezember 2015 ISBN: 383623064X Preis: 29,90 Euro |
Von der Videoschnitt-Schule waren (und sind wir immer noch) restlos überzeugt. Nun liegt quasi ein zweiter Teil vor, oder zumindest ein weiteres Buch vom selben Autor -- diesmal geht es um Videoeffekte. Auch darin geht es wieder unterhaltsam und sehr praxisorientiert zur Sache, was sicherlich bei vielen Lesern Anklang finden dürfte. Doch aufgrund der zwangsläufig etwas technischeren Thematik kommt der Ansatz diesmal hier und da an seine Grenzen. Aber der Reihe nach.
Zunächst fällt auf, daß der Begriff Effekte sehr weit gefaßt ist, was durchaus etwas für sich hat -- softwareseitig wird sehr vieles, was über simple, harte Cuts hinausgeht, beschrieben, auch Jumpcuts oder Schwarzblenden. Auch findet sich ein Kapitel über "Effekte", die sich bereits in der Kamera herstellen lassen. Gemeint sind (Reiß-)schwenks, Reißzooms, "Vertigo" Dollyzooms, Unschärfen, ungewöhnliche Perspektiven, Achssprünge als gewollte Desorientierungseffekte oder auch Zeitrafferaufnahmen. Im Grunde ist also jede Art von Manipulation des bewegten Bildes, die dazu führt, daß die ursprüngliche Aufnahmesituation nicht neutral und originalgetreu wiedergegeben wird, Thema des Buches.
Voraussetzung ist allerdings, daß keine spezielle Ausrüstung oder ein dezidiertes Effektprogramm benötigt wird. Letzteres überrascht etwas bei einem Effektebuch, doch tatsächlich kommt bei den Workshops bzw. Übungen nur Schnittsoftware zum Einsatz. Hauptsächlich Premiere Pro, aber gelegentlich wird auch gezeigt, wie sich etwas in Magix Video Deluxe umsetzen läßt (Projektdateien und Material bietet der Verlag zum Download). Prinzipiell sicherlich eine realistische Herangehensweise, schließlich richtet sich das Buch an Neulinge auf dem Gebiet, und da ist wohl in der Regel höchstens ein Schnittprogramm vorhanden. Andererseits bringt dies auch Einschränkungen mit sich, beispielsweise bleibt die Z-Achse völlig außen vor, animiert wird nur zweidimensional in der Fläche.
Das einleitende Ausrüstungskapitel finden wir leider etwas zwiespältig. Es mag zwar nicht unbedingt nötig, aber durchaus sinnvoll sein, auf vorteilhafte Funktionen oder Ausstattungspunkte einer Kamera hinzuweisen, dessen Material nachher manipuliert werden soll. Doch manches wichtige vermissen wir (zB. das Thema Frameraten für Zeitlupen), anderes ist viel zu verkürzt abgehandelt. Beispielsweise heißt es zu HD SDI- und HDMI-Ausgängen, diese würden unkomprimierte Bildsignale übertragen, die direkt vom Sensor kommen, und somit besser fürs Keyen geeigneter seien. Dies kann so sein, wenn eine Kamera eine RAW-Ausgabe anbietet, aber in der Regel ist das ausgeleitete Signal nicht identisch mit einem RAW-Signal (was der Sensor ausgibt), da es auf 8 bit limitiert werden muß, auch wenn dann kein Codec mehr drüberläuft. Um dies zu erklären, müßte man ein wenig mehr ausholen und etwas über Videosignale, Bittiefen, Raw etc. erzählen, was generell nicht geschadet hätte.
In einem Kasten liest man, daß ein DOF-Adapter zwischen Kamerasensor und Objektiv geschraubt wird, um eine geringe Schärfentiefe zu erhalten. Da fehlt der Zusatz "bei einer Wechseloptikkamera", denn sonst kommt der 35mm-Adapter vor die Kameraoptik, welche dann das Bild von der Mattscheibe des Adapters abfilmt. Na gut, ist nicht schlimm oder wichtig. Aber nachdem selbst aktuelle Techniktipps schneller veralten als einem lieb ist, kann man sich schon fragen, warum ausgerechnet eine 6 Jahre alte Sony VG10 in diesem Kapitel noch erwähnt und sogar abgebildet wird.
Bevor es an die ersten Übungen geht, werden einige grundlegende Begriffe veranschaulicht (Transparenz, Füllmethoden, Position, Ankerpunkt, Skalierung, Crop, Keying, Zeitraffer/-lupe, Keyframes). Das klingt erstmal sinnvoll und gut, aber wir hätten uns statt dessen ein einführendes Kapitel gewünscht, das ganz grundlegend auf die Eigenschaften von (zu animierenden) Videoelementen eingeht und auch auf die logische Herangehensweise beim Animieren und Manipulieren. Das mag haarspälterisch klingen, schließlich würde man ja genau die gleichen Sachen behandeln. Aber unseres Erachtens macht es für das Verständnis einen Unterschied, ob man erklärt, was jeweils mit Transparenz oder Füllmethode gemeint ist, oder ob man etwas weiter ausholt und explizit darauf hinweist, daß alle Videoelemente, die bei der Effektarbeit verwendet werden, also die Bilder oder Teile davon, verschiedene Eigenschaften haben, die man einzeln oder zusammen manipulieren kann. Beispielsweise ihre Größe und Position -- relativ simpel -- oder auch die Deckkraft, die ebenfalls erstmal einfach wirkt, aber den ersten Schritt in eine komplexe Thematik darstellt, nämlich Richtung Key und Alphakanal. Auch was Masken sind und wie man mit ihnen arbeitet, würde hier hingehören (sie werden allerdings kaum behandelt, nur später im Buch angewendet).
Die Begriffserklärung ist wie wir finden hier unnötig unsystematisch, sondern steigt mit den Füllmethoden als zweiten Begriff schon ziemlich ambitioniert ein, springt dann zu Position & co, und zeigt daraufhin bei "Was ist Keying" zwar sehr anschaulich, wie das geht, aber bringt dabei manche Begriffe für unser Gefühl eher durcheinander. Ist Key-Signal das gleiche wie Alpha-Kanal (der wird nur am Rande erwähnt)? "Fill" wird nicht erklärt, taucht aber später im Buch auf. Der Begriff "Luma-Key" wird nicht erwähnt, obwohl dessen Funktionsweise gezeigt wird, "Color-Key" dafür schon.
Besser gefällt uns das Buch, wenn es um konkrete Beispiele und Umsetzungen geht, etwa wie man Typo einfügt und animiert oder seine Schnitte mit kleinen handgemachten Größen- oder Positionseffekten passender hinbekommt (SwichPans, Scaled Dissolve uä.). Die Hinweise, daß Effekte immer zum Material und der Situation passen müssen und nicht als reine Spielereien eingesetzt werden sollten, sind prima, sowie die Warnung vor billigen Effekten "von der Stange". Man lernt hier nicht, wie man Laserschwerter in seine Videos einfügt, sondern wie man vom ganz "normalen" Videoschnitt noch ein Stückchen weiter geht, indem man seine Bilder manipuliert.
Über Videofarben und ihre Korrektur lernt man aber wiederum eher wenig Grundlegendes (dafür wäre wieder einiges an Theorie nötig), statt dessen gibt der Autor entwaffnend ehrlich zu, einfach immer die gleichen paar Werkzeuge in Premiere Pro anzuwenden. Und genau das wird gezeigt, also wie man an der Tonwertkorrektur und -spreizung dreht. Wie man die RGB-Parade ("Farbmessungsfenster") eigentlich lesen soll, um ein zu starkes Rot zu erkennen, wird dagegen nicht erklärt.
Uns persönlich ist das ein bißchen zu unsystematisch und lückenhaft. Aber wem selbst angewandte Theorie nicht liegt, könnte sich hier trotzdem gut aufgehoben fühlen. Geht es doch weniger darum, genau zu verstehen, wie alles zusammenhängt und was warum passiert, als daß es funktioniert. An einigen Stellen (wie bei den Farben) lernt man vor allem, die Dinge so zu machen, wie Axel Rogge sie macht... Das erklärte Ziel des Buches, daß Leser erkennen, was zu tun ist, und wissen, wo die Schrauben sind, wäre damit ja erreicht.
Fazit: Hemdsärmelige "Learning-by-doing" Anleitung mit ein paar Schwächen für ambitionierte Hobbycutter, die ihre Videos sinnvoll aufpeppen wollen.