Trotz seiner dem Vorgänger H.264 überlegenen Qualität - nach Untersuchungen der BBC ist HEVC bis zu 50% besser als H.264 - kann sich der neue HEVC/H.265 Videocodec nicht ganz durchsetzten, was daran liegen mag, das gleich zwei Patent-Pools Lizenzgebühren für dessen Implementierung verlangen und lange sogar die Gefahr bestand, daß auch noch Nutzungsgebühren von 0.5% der Einnahmen von Inhalteanbietern erhoben werden sollten.
Doch ein gutes hatten die Querelen um die - immer noch recht teuren und komplizierten - HEVC/H.265 Lizenzen: sie war der Anlaß für mehrerer großer Firmen wie unter anderem Google, Adobe, Amazon, AMD, ARM, BBC, Cisco, Microsoft, Mozilla, Netflix, NVIDIA, Amazon sowie Intel zusammen in der Alliance for Open Media einen quelloffenen und lizenzfreien neuen Videocodec von ähnlicher Qualität zu entwickeln.
Im Aomedia AV1 Codec fließt das Wissen aus von Googles VP9 (bzw. der Weiterentwicklung VP10), Xiph.org/Mozillas Daala und Ciscos Thor Codecs zusammen. Ziel ist ein Codec, der rund 25% besser komprimiert als HEVC/H.265. AV1 wird speziell für Echtzeitanwendungen sowie höhere Auflösungen (UHD), HFR (High Frame Rates), sowie erweiterte Farbumfänge entwickelt. AV soll auch in Zukunft den BT.2020 Farbraum mit 10 und 12 Bit Präzision unterstützen.
Golem hat sich die aktuelle und beinahe finale Version des VAV1-Codecs näher angeschaut und diesen mit dem H.264 und H.265 Codec verglichen in Sachen Qualität und Effizienz. Die im Artikel verlinkten Videobeispiele und vergleichenden Standbilder sprechen eine eindeutige Sprache: AV1 ist dort in Sachen Qualität ebenbürtig mit H.265, manchmal sogar besser.
Allerdings sind die Ergebnisse des Golem Tests nicht ganz vollkommen aussagekräftig für alle Arten von Nutzungsszenarien und somit mit einem großen Caveat versehen, da ein Animationsfilm als Grundlage genutzt wurde. Bei Echtbildmaterial könnten die Ergebnisse wieder anders ausfallen. Hinten liegt der AV1 Codec noch in Sachen Encodinggeschwindigkeit, was aber kein Wunder ist angesichts der Konzentration auf die Encodingqualität und der langjährigen Optimierungen der verschiedenen H.264/H.265 Codec-Implementierungen.
Der Einfluß des Firmenzusammenschlusses der Alliance for Open Media dürfte bei ausreichen guter Qualität des VP9 Codecs durchsetzungsstark genug sein, um ihm von Seiten der Software- und Hardwareunterstützung (fürs Encoding/Decoding) sowie passend kodierter Inhalte (YouTube!) einen großen Auftritt zu verschaffen - von Seiten der Firmen besteht jedenfalls genügend Interesse für die immer wichtiger werdenden Videoinhalte von keinen Lizenzgebern abhängig zu sein und mithilfe eines neuen Codecs grade beim Einsatz von 4K Datenbandbreite und damit auch Geld zu sparen.
Das gilt auch für andere Firmen: wenn beim anstehenden Codec-Wechsel für 4K (und HDR) eine lizenzfreie Alternative zu HEVC/H.265 bereitsteht, die breit von Software (wie z.B. in Browsern) und Hardware unterstützt wird, sollte AV1 beste Chancen haben, der Videocodec der Zukunft zu werden. Und auch für die für vielen anderen Video-Programmen wichtigen Open Source Projekte zum Encodieren und Dekodieren von Videocodecs wären vermutlich froh einen ihrem eigenen offenen Modell entsprechenden Codec verwenden zu können. (Danke an Starshine Pictures)