Test Quo vadis, Canon? Legria HF S10

Quo vadis, Canon? Legria HF S10

Canon bietet mit seiner neuen Camcorder-Serie höhere Foto-Auflösung, eine erweiterte Chipfläche, eine größere Objektiv-Konstruktion und mehr manuelle Eingriffsmöglichkeiten. Klingt toll, doch was bringen diese Veränderungen in der Praxis?

// 11:43 Mo, 16. Feb 2009von

Canon bietet mit seiner neuen Camcorder-Serie höhere Foto-Auflösung, eine erweiterte Chipfläche, eine größere Objektiv-Konstruktion und mehr manuelle Eingriffsmöglichkeiten. Klingt toll, doch was bringen diese Veränderungen in der Praxis?




Die erste Begegnung mit der neuen HF S10 von Canon verheißt „großes“ in vieler Hinsicht. Durch den vergrößerten Bildwandler (1/2,6-Zoll) erreicht man fast schon das Abbildungs-Nivau von richtigen Profi-Geräten mit 1/2-Zoll-Chips. Allerdings musste dadurch auch die Konstruktion der Kamera etwas aufgeblasen werden. Mit üppigem Objektiv (58mm Filtergewinde!!) hat man nun wieder mal richtig etwas in der Hand. Es scheint also, als sei der Miniaturisierungswahn nun durch größere Chipflächen rechtzeitig gestoppt worden.



Quo vadis, Canon? Legria HF S10  : cam1


Canon nutzt die größere Chipfläche allerdings hauptsächlich für eine enorm erhöhte Fotoauflösung. Hierbei vergrößert sich jedoch auch zwangsweise die Pixelanzahl, die für ein interpoliertes Videobild benutzt wird. Und zwar von effektiv zwei auf sechs Megapixel. Damit verbessert sich zwar der Einsatzbereich im Bereich digitale Fotografie, den Video-Aufnahmen kann diese erhöhte Pixelanzahl jedoch offensichtlich auch schaden (siehe unten).





Bedienung

Bei der Bedienung der Kamera hat sich einiges getan: Über den „Set“-Knopf am Monitorrand stehen nun zahlreiche Funktionen im Direktzugriff via „Quickmenü“ zur Verfügung (Videoleuchte, Digitaleffekte, Pre-Recording, BLC - elektronisch Verstärkung, manuelle Belichtung, Fokus, Mikrofonpegel, Gesichtserkennung und Telekonverter). Außerdem wurde ein spezielles Drehrad neben dem Objektiv integriert, über das sich ähnlich wie bei einem Objektiv-Ring fokussieren lässt.


Über die Individualtaste „CUSTOM“ lässt sich dieses Rad auch mit vier alternativen Vorgaben belegen: Belichtung, Hilfsfunktionen (wie Zebra oder Peaking), Mikrofonpegel und AGC (Automatic Gain Controll – Verstärkungsbegrenzer von 0 bis 18 dB).





Hilfestellung

Die Zebra-Funktion ist mit 70% und 100% endlich wieder verfügbar und auch das alternative Peaking ist auch deutlich besser geworden. So lässt es sich sogar mit einem Schwarzweiss-Bild kombinieren und bietet zusätzlich einem vergrößerten Ausschnitt. Gegenüber den letzten Modellen sind diese Funktionen tatsächlich beim Scharfstellen hilfreich. Doch leider haben die Techniker von Canon hier nicht ganz zu Ende gedacht. Denn der Parameter, um diese Fokussierhilfen an- und auszuschalten findet sich tief im Menü. Man kann ihn zwar auch auf die Custom-Taste legen, nur kann man in diesem Fall nicht mehr manuell über den Ring fokussieren, was die Art der der Schärfekontrolle doch etwas ad adsurdum führt. Eine zweite Taste oder zumindest einen schnellen Funktionswechsel der einen Custom-Taste wünscht man sich hier sehnlichst. Auch nur eine Aufnahme in das oben genannte Quickmenü wäre schon sehr hilfreich gewesen.



Das Kameramenü selbst wurde weiter überarbeitet und neu gestaltet. Die Struktur ist klar und verständlich und die Schrift (vor dunklem Hintergrunde) besser lesbar, zumal die Schriftgröße von klein auf groß veränderbar ist. Gegenüber der Konkurrenz wirkt das Menü auch an keiner Stelle Träge sondern flutscht teilweise garniert mit kleinen Animationen schön über den Schirm. Einen Touchscreen hat Canon allerdings nach wie vor nicht verbaut, weshalb praktische Funktionen wie Point-Fokus der Konkurrenz vorbehalten bleiben. Dafür wurde zum Abgleich mit anderen Kameras jetzt sogar ein Farbbalken mit Test-Ton integriert.







Automatisch = Ausgeliefert

Was uns auch in diesem Test wieder einmal negativ auffiel: An einigen Monitoren (z.B. HP w2408h) gelang es uns nicht via HDMI eine echte HD-Darstellung zu erreichen. In solchen Fällen schaltete die Kamera immer auf eine SD-Ausgabe mit 720 x 576 Pixel. Die Kamera selbst bietet dabei keine Möglichkeit, das Format zu ändern sondern stellt sich fest und unbeirrbar automatisch auf den angeschlossenen Bildschirm ein. Bei Camcordern der Konkurrenz hatten wir noch nie derartige Probleme, aber wenn Canon einen Monitor nicht mag, hat man als Anwender schlichtweg Pech gehabt.





Trennungs-Angst

Und auch bei der USB-Verbindung scheint Canon seine liebe Not zu haben: Eine Übertragung der Daten aus dem internen Speicher kann nur erfolgen, wenn das Netzteil angesteckt ist. Für reinen Lesebetrieb ist so eine übertriebene Vorsicht unserer Meinung nach eher kundenunfreundlich. Noch dazu verschenkt man beim Anschluss leicht einen Akku-Ladezyklus, wenn man diesen nicht vor dem Bildtransfer von der Kamera entfernt. Und nicht zuletzt ergeben sich auch groteske Situationen unter Windows Vista, da hier oft das Signal für ein abgemeldetes Gerät offensichtlich fehlinterpretiert wird.


So verharrte der Camcoder nach der Abmeldung des Geräts von Vista mit der Meldung „Während der Camcorder an einen PC angeschlossen ist, nicht das USB-Kabel oder Netzkabel abtrennen. Ausschalten und Betriebsmodus-Wechsel nicht möglich.“


In diesem Zombie-Zustand lässt sich die Kamera weder ausschalten noch sonst wie zur Trennung der USB-Verbindung überreden. Nur ein komplettes Ausschalten des PCs mit Netztrennung brachte den Camcorder wieder aus diesem Zustand. Scheinbar muss jeglicher Strom von den USB-Buchsen getrennt sein. Oder man zieht halt doch einfach entgegen der Warnhinweise das Kabel ab, wenn man sich sicher ist, dass gerade keine Daten geschrieben werden. Oder noch besser: Gleich auf den internen Speicher verzichten und das günstigere SDHC-only Modell HF S100 nehmen.





Telekonverter

Canon hat außerdem einen 1,7fachen „Telekonverter“ in die Kamera eingebaut. Dieser lässt sich über das neue Quickmenü mit dem Joystick aktivieren. Dabei wir jedoch keinesfalls eine weitere Linse vorgeschoben (so etwas müsste man beim Umschalten irgendwie hören). Stattdessen wird offensichtlich einfach eine kleinere Fläche des CMOS-Bildwandlers ausgelesen und entsprechend umskaliert. Sozusagen eine modifizierte Variante des Digitalzooms, die jedoch aufgrund der üppigen Pixelbestückung nicht in einer Bildverschlechterung resultiert.





100 Prozent Display-Ansicht

Praktisch ist auf den ersten Blick die neue 100-Prozent Ansicht, bei der der gesamte Bildinhalt ohne Overscan auf dem Display der Kamera angezeigt werden kann. Aktiviert wird diese Funktion über das zweimalige Drücken der separaten „Disp.“Taste hinter dem Display. Dass diese Ansicht einen eigenen, nicht unerheblichen Trauerrand mitbringt ist dabei noch verschmerzbar. In der Praxis funktioniert diese Funktion aber nur, solange man danach keine weitere Funktion des Camcorders aktiviert. Justiert man allerdings die Schärfe nach oder wählt man irgendeine andere Funktion fällt das Display ausnahmslos in den Overscan-Modus zurück. Auch ein Einsatz während der Aufnahme war nicht möglich. Damit wirkt ist diese Funktion irgendwie etwas praxisfern.





Aus dem Messlabor - Bildqualität

Die größte Überraschung zeigte sich jedoch bei Bildqualität. Waren die Canons bisher immer der Konkurrenz durch den letzten Tick mehr an natürlicher Schärfe überlegen, ist hiervon bei der Legria HF S10 nichts mehr zu sehen. Wir haben dreimal nachgemessen, weil wir es eigentlich kaum glauben konnten. Scheinbar patzt die Signalelektronik beim Herunterskalieren der sechs auf die nötigen zwei Megapixel. Sichtbar wird dieses Phänomen durch gelegentliche horizontale Streifen im Bild, die leicht unschärfer sind, als der sie umgebende Rest. Beim direkten Sichtest des ISO-Testbildes sieht man einigen Bereichen horizontal verlaufende Unschärfen (z.B mittlerer Trompeten-Streifen), die (so unsere Vermutung) auf eine schlechte Skalierung der Signalelektronik zurückzuführen sind.



ISO-Testbild
ISO-Testbild


Damit ist die Schärfe der Kamera zwar immer noch gut, liegt aber keineswegs mehr über den besten Sonys oder gar der neuen Panasonic-Serie. In der horizontalen Auflösung sieht die Canon nach wie vor sehr gut aus, (in der vertikalen bricht die Auflösung dagegen leicht ein):



Luminanz-Auflösung
Luminanz-Auflösung


Ob es sich bei diesem Verhalten um einen Sonderfall unseres Testmodells handelt und ob sich sowas über ein Firmware-Update ausbügeln ließe, wollen wir unbedingt in einem Nachtest klären.





Bei der Farbauflösung liefert die HF S10 dagegen ein tadelloses Bild ab. Ein schöner Verlauf an der Systemgrenze ohne Fehl und Tadel.



Chrominanz-Auflösung
Chrominanz-Auflösung


Bei der Verzeichnung des Objekivs gibt es wenig Dellen, die aufgrund des geringen Weitwinkels aber auch nicht zu Begeisterungsstürmern hinreißen können.



Objektiv-Verzeichnung
Objektiv-Verzeichnung


Typisch dezent und nüchtern fallen die Farben der Canon HF S10 bei guter Beleuchtung aus. Hier wird nichts übertrieben oder beschönigt. Wer mehr oder weniger will, kann ja zusätzlich grob manuell nachjustieren.



1200Lux Testbild
1200Lux Testbild


Das Low-Light Verhalten ist trotz 18 dB Verstärung dunkler als bei vielen aktuellen Konkurrenten. Hellt man hier in der Post auf, rauschst und grieselt es klassentypisch. Gespannt warten wir noch auf Sony´s neue XR500, die in diesem Bereich ja besonders glänzen soll.



12-Lux Testbild
12-Lux Testbild




Der Audio-Frequenzverlauf der Kamera ist in Ordnung und sie rauscht nicht übermäßig stark. Auch für ein Flash-basiertes Modell definitiv gehobener Durchschnitt.



Rausch-Spannungs-Abstand
Rausch-Spannungs-Abstand





Fazit

Die hohe Pixelauflösung für Fotos bezahlt Canon scheinbar mit einem bisherigen Alleinstellungsmerkmal: Die tadellose HD-Schärfe musste einer zwar noch guten, aber nicht mehr einzigartigen Auflösung weichen. Schön zu sehen, dass zwar einige nützliche Funktionen wie Zebra oder ein manueller Einstellring wieder „an Board“ sind, aber hier hat die Konkurrenz mittlerweile auch einiges zu bieten. Die Menüs fühlen sich schön fließend an, aber z.B. das umständliche Handling der Fokussierhilfen verhindern dennoch flüssiges arbeiten. Dass sich die neue Chipgröße von fast 1/2-Zoll nicht in einem verbessertem Low-Light-Verhalten niederschlägt ist ebenfalls schade. Für manchen Anwender dürfte daher die alte Canon-Serie deutlich interessanter sein, zumal diese Modelle aufgrund der alten Preisstruktur noch spürbar günstiger zu erstehen sind.



Testbilder in ganzer Auflösung sowie die technischen Daten der Canon Legria HF S10 in unserer Camcorder Datenbank zum Vergleich mit anderen Modellen




Hier die technischen Daten und Testergebnisse der Sony XR520V, Canon HF S10 und Pansonic HD SD300 im Vergleich und hier auf englisch.


Ähnliche Artikel //
Umfrage
    Generative Video-KI: Hast du ein Abo?







    Ergebnis ansehen

slashCAM nutzt Cookies zur Optimierung des Angebots, auch Cookies Dritter. Die Speicherung von Cookies kann in den Browsereinstellungen unterbunden werden. Mehr Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. Mehr Infos Verstanden!
RSS Suche YouTube Facebook Twitter slashCAM-Slash