Innenräume und Richtmikros
Wer in Innenräumen Tonaufnahmen machen muss, die Hall mit sich bringen, wie es Büroräume ja recht häufig tun, hat eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder muss der Raum mit entsprechenden Dämpfungselementen versehen werden, was recht aufwendig werden kann oder man greift von vorne herein zu einer anderen Mikrofonierung.
Nachträglich Hall aus einer Audioaufnahme herauszubekommen ist so gut wie nicht möglich (im Gegensatz zum nachträglichen Hinzufügen von Hall-Effekten). Man kann natürlich mit einem starken Noise-Gate arbeiten, aber das gehört zu den Mitteln der letzten Wahl, weil hier in der Regel auch der Sprecher-Ton nicht unbeschadet bleibt.
In diesem Teil geht es um Audiovorverstärker an Richtmikrofonen. Für Interviews in halligen Räumen sollten Richtmikros zumindest mit Bedacht eingesetzt werden. Wir empfehlen vor der eigentlichen Sprecher-Aufnahme mit „offenen Ohren“ (d.h mit geschlossenen Kopfhörern am Audiovorverstärker) unterschiedliche Positionen für das Mikrofon im Raum auszuprobieren. Die schlechteste Positionierung für ein Richtmikro ist auf der Sprecher-Kamera-Operator-Achse und damit genau dort, wo man vielfach ein Richtmikro beim Video-DSLR Betrieb platziert sieht: Auf dem Blitzschuhadapter der DSLR.
Betrachtet man das Polardiagramm von Richtrohren, wird schnell klar, weshalb diese Position alles andere als optimal ist. Die Keulencharakteristik von Richtmikrofonen sammelt jede Menge Ton hinter dem Mikro ein und das heisst in diesem Fall von der DSLR—Bedienung bzw. dem Kamera-Operator. Darüber hinaus kommen die Interferenzrohre der Richtmikros nicht sehr gut mit halligen Umgebungen klar, wie sie Innenräumen häufig eigen sind. (Für Dialoge in Innenräumen würde man wenn möglich eher Lavaliers mit ihrer Kugelcharakteristik oder eine Superniere nutzen.) Das heisst jedoch nicht, dass man mit Richtmikrofonen nicht in Innenräumen auch arbeiten kann – man muss sich nur etwas mehr Gedanken über ihre Platzierung machen. Wir empfehlen hier Positionen soweit wie möglich direkt von oben oder von unten auszuprobieren.
Die Positionierung von Richtmikros ist zwar immer auch von der Kadrierung abhängig – ein, zwei alternative Positionen lassen sich jedoch fast immer kurz ausprobieren. Hier gilt es, mit der Zeit ein Gefühl für die Beziehung zwischen dem Sprecher und seiner Umgebung zu entwickeln.
Dass eher hallige Räume auch ganz anders klingen können, zeigt folgende Aufnahme im selben Büroraum, der gleich auch einen Ausblick auf kommende Kapitel gibt. Bei dieser Aufnahmen - ebenfalls mit der Canon 5D Mark III - haben wir einen anderen Mikrofon-Typ genutzt, den wir im nächsten Teil der Serie mit vorstellen werden: