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Filmkritiken : Berlinale 2018: iPhone fürs Kino oder Talent sticht Technik - Steven Soderberghs "Unsane"

von Fr, 23.Februar 2018


Steven Soderberghs auf dem iPhone gedrehter „Unsane“ - mit der großartigen Claire Foy (The Crown) – lief soeben als Weltpremiere auf der Berlinale in Berlin und wir waren begeistert. Warum dieser Film so sehenswert ist und was ihn mehr noch auszeichnet als seine Entstehung auf dem iPhone im Folgenden:

Anstatt einer inhaltlichen Zusammenfassung hier mal der Unsane Trailer – eine klare Empfehlung von unserer Seite:




Wenn wir mal kurz den „Pseudo-Hype“ um das Drehen mit dem iPhone beiseite lassen und einfach nur unseren frischen Premiereneindruck von Unsane wiedergeben lässt der sich mit einem Satz zusammenfassen:

Soderbergh hat mit „Unsane“ einen verdammt spannenden Psychothriller gedreht.

Claire Foy als Sawyer Valentini in Steven Soderberghs Unsane



Und das ist vielleicht das wichtigste überhaupt an Unsane - dass der Film trotz seiner Meta-Ebenen und technischen Beschränkungen (die bei Soderbergh immer auch Teil einer film-politischen Agenda sind) als Thriller den Zuschauer völlig gefangen nimmt und ihn bis zu letzten Minute mit dem Schicksal seiner Protagonistin Sawyer Valentini (Claire Foy) mitfiebern lässt.

Tatsächlich muss man hier sagen, dass dies Unsane „trotz“ des iPhones gelingt – dann auch wenn die Eröffnungssequenz aus der Stalker-Perspektive auf die Passantin Sawyer Valentini großartig ist – die ersten 20 Minuten ist uns die Handy-“Ästethik“ immer wieder auch negativ aufgefallen.

Das Team von Steven Soderberghs Unsane bei der Weltpremiere auf der Berlinale



Etwas überrascht waren wir tatsächlich, wie schlecht oder besser un-cinematisch das iPhone-Material auf der Leinwand aussah - und das trotz der einleitenden Worte von Steven Soderbergh - dass er beim Pre-Screening bereits eine Projektionsqualität im High-End Berlinale Premierenkino gesehen habe, die es so wohl für Unsane nie wieder geben werde. Mit 140 Quadratmeter zählt die Leinwand des Berlinale Palasts sicherlich zu den größeren Leinwänden und die digitale Projektion dürfte ebenfalls State of the Art sein - interessant wäre bei Unsane allerdings auch mal die Qualität auf dem „mobile Device“ gewesen - für die Verwertung von Unsane vielleicht sogar der spannendere und technisch gesehen auch der passendere Screen ...

Dass Unsane fesselt, liegt an anderen Faktoren als der eingesetzten Kamera, die allesamt mehr Gewicht mitbringen: Einer sehr guten Story inkl. Dialogen auf hohem Niveau, einer durch die Bank herausragenden Schauspielleistung – allen voran Claire Foy, Joshua Leonard und Jay Pharoah sowie einem weit über Handyniveau angesiedeltem Sound-Department.

Auf den zweiten Blick löst sich die anfänglich als Störfaktor wahrgenommene Handy-Ästhetik allerdings immer stärker im Gesamtkonzept von Unsane auf:

Zentrales Motiv bei Unsane ist der Machtmissbrauch gepaart mit der technischen Möglichkeit universeller Beobachtung und Überwachung.

Soderbergh öffnet mit dem Handy diverse parallele Bedeutungsebenen: Einerseits wird das Handy zum universellen Stalking-Tool durch Kamerafunktion, Social Media-Anbindung und Positionsangabe. Genial hierbei die Anfangssequenz, die aus der Stalker-Perspektive als Plansequenz Sawyer Valentini (ver)folgt und mit der Handy-Ästethik Sawyer´s Geschichte in den Bewegtbildalltag des Zuschauers einbettet. Die Handy-Cadrage unterstützt hierbei passend die traumatisch klaustrophobe Stimmung.

Das Handy ist in Unsane allerdings nicht nur negativ besetzt. Gefangen in der Psychiatrie wird es für Sawyer auch zum Kontakt-Ermöglicher nach draußen und damit zur Freiheitshoffnung:

Gekonnt wie Soderbergh hier ein ambivalentes Bild vom Segen und Fluch unserer allgegenwärtigen Mobiltechnik zeichnet.

Und schließlich transportiert Soderberghs "schnelle" Smartphone-Produktion auch noch eine unterschwellige Botschaft - sowohl an die Zuschauer - aber vielleicht noch stärker an die Studiobosse Hollywoods - frei nach dem Motto: Schaut her: Talent ist stärker als Geld.

Und hier schließt sich dann auch der Kreis hin zu Soderberghs filmpolitischer Agenda, die wichtiger kaum sein könnte und vom Sterben des Cinematischen im Einheitsbrei von Hollywood handelt. (Die Diskussion, ob das „Cinematische“ tatsächlich stirbt oder vielmehr sich mal wieder wandelt und an einem anderen Ort in neuer Form stattfindet, ist spannend, sprengt allerdings gerade diese Filmkritik ...)

Wer Lust hat hier tiefer einzusteigen, dem empfehlen wir Steven Soderberghs vielbeachtete Rede „State of Cinema“ beim San Francisco International Film Festival:




In diesem Sinne: Weshalb also nicht mal wieder einen Retro-Abend im kleinen Art-House Kino um die Ecke einlegen und einen Indie mit deiner Eintrittskarte finanzieren? (mit garantiert weit unter 4K-Auflösung) ...

"Unsane - Ausgeliefert" von Steven Soderbergh startet am 29. März in deutschen Kinos: Sehenswert.


  

[13 Leserkommentare] [Kommentar schreiben]   Letzte Kommentare:
Framerate25    17:39 am 18.3.2018
Ja, nur schade das es im Kontent dann nix von der tollen Cam samt Gerümpel zu sehen gibt. ;-))))
Rick SSon    17:29 am 18.3.2018
Ich bin absolut für "content is king". Allerdings ist tolle Kameratechnik doch auch einfach was schönes :-) Am besten man kombiniert es mit einen guten Drehbuch und spannenden...weiterlesen
sanftmut    22:49 am 23.2.2018
😂 genug Jungs- genug - ich kann nicht mehr..... (durchatmen).... 😂🙏🏻😜
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