Die Auswahl
Jede Entscheidung für eine bestimmte Aufnahme ist gleichzeitig eine Entscheidung gegen alle anderen Aufnahmen. Und ein Überangebot an möglichen Optionen kann ungeübte Cutter komplett lähmen. Bei der Auswahl zeigt sich dann auch deutlich, dass Entscheidungen beim Schnitt zur großen Kunst des Berufs gehören. Dazu passt ein Zitat von Martin Scorsese: "Kein Film ist so gut wie das Rohmaterial oder so schlecht wie der erste Rohschnitt".
Tatsächlich besteht zeitaufwendigste Aufgabe beim Editing in der Regel darin, Material wegzuschmeissen. Also Entscheidungen gegen oft auch tolle Aufnahmen zu fällen, die einzeln betrachtet bemerkenswert sein können. Cutter sprechen hier oft davon, dass man lernen muss, seine Lieblinge zu töten (Kill your Darlings). Das betrifft in diesem Kontext nicht nur Versionen eines Cuts, sondern kann auch für ganze Szenen gelten, die einem straffen Plot entgegenstehen.

In diesem Zusammenhang soll abschließend ein Gedanke zum Reifeprozess nicht unerwähnt bleiben. Denn wie bei allen künstlerischen Werken gibt es fast nie einen Punkt, an dem alle Beteiligten das Gefühl haben, das Werk sei nun fertig. Dennoch ist es natürlich unumgänglich, irgendwann mit einem Film abzuschließen. Viele Editoren versuchen jedoch, gegen Ende des Projekts ein Zeitfenster für eine Auszeit einzuplanen. Diese dient dazu, noch einmal eine gewisse Distanz zum eigenen Werk zu gewinnen. Gleichzeitig sollte diese Schaffenspause auch nicht zu lang sein, um noch eine nutzbare Erinnerung an das Rohmaterial zu haben. Nach einer solchen Pause sieht man den Film noch einmal mit anderen Augen und geht in der Regel noch einmal deutlich gröber beim letzten Feinschliff zu Werke...