Nun hat also auch Sonys neues Consumer Flagschiff seinen Weg in unsere Redaktion gefunden. Stolze 1399 Euro kostet die HDR-PJ780, welche sich vor allem durch die Sensorgröße und den lichtstärkeren Projektor von ihren Kolleginnen absetzt.
Modell-Politik
Die HDR-PJ780 ist Sonys neues Consumer-Flagschiff für 1399 Euro. Wie bei der nächstkleineren HDR-PJ650 für 999 Euro gibt es dieses Jahr keine projektorlosen Versionen dieser beiden Top-Varianten. Auch wenn die zusätzlichen Produktionskosten für einen Displayprojektor für Sony im niedrigen zweistelligen Dollarbereich liegen dürften, wird bei vielen Anwendern wohl das mulmige Gefühl bleiben, hier für etwas mitzubezahlen, was man eigentlich gar nicht braucht.

Der Projektor
Gegenüber der HDR-PJ650 leuchtet der Projektor fast doppelt so hell mit 35 (vs. 20) Lumen, die in einem komplett abgedunkelten Raum bereits ausgewogen wirken, solange man die projizierte Bildgröße nicht übertreibt. Gegenüber einem echten Fernseher fehlt es jedoch nach wie vor deutlich an Kontrast, Schärfe und Brillianz. Die fast verdoppelte Pixelzahl von 854 × 480 Pixeln (gegenüber 640 × 360 Pixeln bei der PJ650) verringert den Abstand zu echter HD-Wiedergabe sichtbar. Die Bildschärfe entspricht dabei ungefähr einem klassischen PAL-Beamer von vor 10 Jahren. Dass man diese Qualität nun in einem Displaydeckel wiederfindet ist bemerkenswert. Nichtsdestotrotz bleibt die Display-Wiedergabe ein Gimmick für mobile Spezialfälle, denn selbst der günstigste Flachbildschirm schlägt eine solche Projektion noch um längen.
Bemerkenswert bleibt weiterhin, dass sich der Projektor auch über eine zweite Micro-HDMI-Input Buchse mit externen Video-Quellen nutzen lässt. Auf den ersten Blick ein nettes Zusatzfeature, jedoch irgendwie nicht ganz zeitgemäß. So benötigt man für die Kopplung mit einem Smartphone beispielsweise ein entsprechendes HDMI-Kabel vom Smartphone zum Camcorder. Eine interne Abspielmöglichkeit von systemfremden digitalen Dateien auf einer SD-Karte wäre dagegen deutlich praktischer. Oder gleich eine Anbindung/Übertragung durch WLAN. Doch so weit geht die Funktionalität der Kamera (noch??) nicht.
Einheitliches Sony-Zubehör
Sony folgt übrigens dem drahtlosen Trend (den ansonsten die gesamte Konkurrenz für 2013 aufgeschnappt hat)nur halbherzig: So kann die Kamera erst mit einem zusätzlichen, 100 Euro teuren WLAN-Kit für den Zubehörschuh (ADP-WL1M ) den drahtlosen Funk nutzen und bietet dabei dennoch nicht den mittlerweile üppigen Zusatzfunktionsumfang von JVC oder Panasonic. In erster Linie soll damit vorerst laut Datenblatt nur Dateiübertragung und Fernbedienung möglich sein, was in Ermangelung des WLAN Kits nicht testen konnten.
Sony will offensichtlich systemübergreifende Kompatibilität herstellen und stattet die HDR-PJ780 mit dem neuen Multi Interface Zubehör-Schuh aus, den auch die NEX-Systemkameras besitzen. Hierfür gibt es mittlerweile reichlich Zubehör wie Mikrofone oder sogar separate XLR-Audio-Adapter, die jedoch auch deutlich teurer sind, als einfache Produkte von Drittherstellern.
Audio
Miniklinken-Buchsen für externe Mikrofone und Kopfhörer sind bei der PJ780 jedenfalls vorhanden und auch eine manuelle Tonaussteuerung ist beim 2013er-Top-Modell endlich wieder per Menü möglich. Und das sogar bei recht brauchbaren Rauschwerten. Ebenfalls ein Alleinstellungsmerkmal ist das vom Gehäuse abgesetzte und damit leicht enkoppelte 5.1 Sourround-Mikrofon, für das Sony sogar ein Fell als Windschutz mitliefert.
Ausstattung
Einen weiteren (Preis-)Unterschied gegenüber dem kleineren Modell begründet Sony mit einem größeren CMOS-Sensor. So bietet die HDR-PJ780 eine 1/2,88-Zoll Sensordiagonale während sich die HDR-PJ650 mit 1/3,91 Zoll begnügen muss. Dieser Größenvorteil sorgt jedoch im Low-Light und bei der Schärfe für kaum bessere Ergebnisse, als schon die deutlich günstigere HDR-PJ650 liefert, verringert jedoch dem Zoombereich (von 12 auf 10fach). Trotz unterschiedlicher Optiken kommen beide Kameras auf bemerkenswerte 26mm Weitwinkel (kb). Für zusätzliche Filter wurde ein 52mm Filtergewinde integriert, das auch eine mitgelieferte Sonnenblende aus Plastik aufnehmen kann. Besonderes Merkmal dieser Sonnenblende ist die Aussparung für die in der PJ780 integrierte LED-Videoleuchte. Auch das manuelle Objektivrädchen bleibt hiermit weiterhin gut zugänglich. Die Infrarot-LED für Nachtaufnahmen wird jedoch vom Sonnenschutz überdeckt. Nicht ganz klar wofür bzw. etwas willkürlich ausgewählt wirkt ein zusätzlicher Adapter-StepDown Ring aus Plastik, der den Filterdurchmesser von 52mm auf 37mm reduziert.
Der eingebaute Sucher löst extrem gering auf und zeigt mit seinen 201.600 Pixel eine deutlich sichtbare Wabenstruktur. Ganz anders dagegen das Display, das mit seiner Pixelanzahl wie die Vorgänger und viele Konkurrenten eine gute Auflösung bietet (921.000 Pixel Sub-Pixel bei 3-Zoll).
Formate
Aufnehmen kann die PJ780 mit 1920×1080/50p/25p/50i, sowie 1440×1080/50i und 720×576/50i mit bis zu 28 Mbit/s. Auch eine echte 24p-Aufzeichnung gönnt Sony der PJ780 als Alleinstellungsmerkemal gegenüber den kleineren Schwestern. Eine Cinematone-Gamma Funktion besitzen dagegen auch die kleineren Modelle. Diese ist sozusagen das Gegenteil einer Log-Aufzeichnung, welche direkt aus der Kamera ohne Nachbearbeitung einen filmähnlicheren Look zaubern soll.
Bedienung
Schon bei früheren Sony-Modellen kritisieren wir hier die etwas klein geratenen, virtuellen Schaltflächen. Dafür lässt sich mithilfe von Peaking und expanded Focus mit dieser Kamera bequem Scharfstellen. Funktionen wie Touch Focus und/oder Touch Belichtung erleichtern dazu wieder einmal das schnelle Einstellen des Bildes. Auch eine Zebra-Funktion (aber kein Histogramm) ist mit an Bord.
Leider ist auch die Unsitte geblieben, dass sich die Kamera nicht komplett unter manuelle Kontrolle bekommen lässt. Stellt man die Blende manuell ein so springt die Verschlusszeit auf Automatik. Und stellt man die Verschlusszeit manuell ein, so springt die Blende auf Automatik. Alleine diese Verhalten dürfte viele Anwender in die Hände von Panasonic und Canon treiben, die in dieser Preisklasse volle manuelle Kontrolle bieten. Ebenso verschlossen gibt sich weiterhin bei der Bildcharakteristik. Selbst seinem Top-Modell gönnt Sony keine manuelle Anpassung von Schärfe, Kontrast oder Sättigung. Auf diesem Ohr ist Sony seit Jahren taub für Kritik.
Ohne diese künstlichen Beschränkungen könnte die Technik der PJ780 sicherlich viel mehr anspruchsvolle Filmer begeistern. Das kleine Drehrad neben dem Objektiv kann beispielsweise sehr feinfühlig frei definierbare Parameter wie Fokus oder Blende einstellen und kommt damit einem echten Objektivring schon ziemlich nahe.
Der "schwimmende" Bildstabilisator bleibt ein Sony-Alleinstellungsmerkmal, auf das die Konkurrenz tatsächlich voller Neid schielen darf. Denn der Balanced Optical Steady Shot mit seiner komplett beweglich aufgehängten Optik und Sensor-Einheit liefert Kamerfahrten aus der Hand, die man sonst nur mit deutlich teurerem Equippment hinbekommt. Und das ist immer wieder eine Freude anzusehen.
Aus dem Messlabor
Die gemessene Luminanzauflösung verliert nur zum Ende hin etwas Details. Die nicht justierbare Nachschärfung hält sich in relativ engen Grenzen.
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Das ISO-Chart wird mit leichten Artefakten wiedergegeben. In den hochfrequenten Kreisen geht etwas Detail verloren, jedoch ist das Testbild grundsätzlich auf sehr hohem Niveau.
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Die Farbauflösungs-Kurve fällt etwas vor der Systemgrenze ab und zeigt gegen Ende ein leichtes Chroma-Aliasing. Der Farbpegel ist durchschnittlich und unauffällig.
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Eine extreme digitale Korrekturleistung bei bemerkenswerten 26mm Weitwinkel bezogen auf Kleinbild: Schöne gerade Linien, praktisch ohne irgendeine Verzerrung.
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Die HDR-PJ780 ist sehr neutral eingestellt und liefert wie immer sehr ausgewogene, natürliche Farben. Auch in den Hauttönen.
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Das Schwachlicht-Verhalten der HDR-PJ780 ist trotz größerem Sensor der kleinen Schwester HDR-PJ650 sehr ähnlich und und (re)produziert nur einen Tick mehr Farben.
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Mit 1/25 Sekunde Belichtungszeit und manuellem Weißabgleich gelingt der Kamera ein auffallend helles Bild, inklusive der Sony-üblichen blauen Chroma-Wolken.
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Der Störgeräuschabstand des eingebauten Mikrofons ist klassentypisch gut. Dazu kann es jetzt sogar manuell ausgesteuert werden.
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Fazit
Der Balanced Optical SteadyShot gepaart mit zeitgemäßer Videotechnik könnte die Sony HDR-PJ780 schnell zum Liebling ambitionierter Videofilmer werden lassen. Hätte Sony nicht ein weiteres mal die vollmanuelle Bedienung der Kamera gesperrt. Halbautomatiken bergen für jeden Filmer immer das Risiko eine wichtige Einstellung zu verlieren. Daneben muss man sich auch bei der Bildcharakteristik darauf beschränken was Sony vorgibt. Wer dagegen sowieso nur im Automatikmodus filmt dürfte an der PJ780 viel Freude haben. Man kann sich in vielen Fällen ein Stativ sparen und vielleicht gibt es hier und da sogar einen passenden Einsatz für den integrierten Projektor. Sind Projektor und manuelle Tonaussteuerung nur nebensächlich, stellt das ansonsten technisch sehr ähnliche Vorjahresmodell HDR-PJ740 momentan eine günstigere Alternative dar (Stand 3/2013).