Mit der Nikon D800 hat Nikon ein Vollformat Pixelmonster mit 36,3 Megapixeln vorgestellt, das im Fotografie-Bereich am Auflösungsniveau von Mittelformatkameras kratzt. Doch auch bei den Videofunktionen hat die Nikon D800 viel zu bieten. Wie viel genau versucht unser Test zu klären …

Handling / Technische Daten
Im Vergleich zum Vorgängermodel Nikon D700 stellt die Nikon D800 in gewisser Weise eine Abkehr vom bisherigen Innenverhältnis zwischen den Flaggschiffkameras (Nikon D3:D700 zu Nikon D4:D800) dar. Konnte man zuvor etwas lapidar von der Nikon D700 als der „kleinen Nikon D3“ sprechen, präsentiert sich die Nikon D800 auffallend abweichend zum grossen Bruder ausgerichtet. Während bei der Nikon D700 der gleiche Sensor wie bei der Nikon D3 am Start war, unterscheiden sich die Sensoren der Nikon D800 und der Nikon D4 in Lowlightfähigkeit, Auflösung, Signalverarbeitung und damit letztlich auch bei der Videoaufzeichnung merklich voneinander. Aber der Reihe nach …

Gleich geblieben ist das äußerst robuste Magnesiumgehäuse der Nr. 2 im aktuellen Nikon DSLR-Portfolio. Mit ca. 1000g in Betriebsbereitschaft ist die Nikon D800 kein Leichtgewicht und unterstreicht durch Größe und Gewicht bereits ihre ernsthaften Ambitionen. Vermeintlich schwere Kameragehäuse entpuppen sich häufig beim Betrieb mit lichtstarken (und damit ebenfalls schweren) Optiken als letztlich gut ausbalancierte Gesamtsysteme. Die Nikon D800 bildet im Verbund mit unserer Testoptik Nikkor AF-S 24-70 mm 1:2,8G ED hier keine Ausnahme.

Die Nikon D800 liegt satt in der Hand, wenn auch die Ausformung des Handkeils für unseren Geschmack etwas größer hätte ausfallen können. Große Hände mit längeren Fingern stossen beim Umschließen des Gehäuses etwas zu schnell an die Kameravorderseite.
Die Fertigungsqualität der Nikon D800 ist auf gewohnt hohem Niveau und das Layout der Schalter folgt dem von der Nikon D4 bereits bekannten, modernisierten Bedienkonzept mit den links vom rückwärtigen Display positionierten getrennten Vergrösserungstasten (Plus und Minus auf eigener Taste=sehr gut), einer dedizierten Videoaufnahmetaste neben dem Auslöser und dem kombinierten Druckknopf/-schalter auf der Gehäusevorderseite links vom Objektiv für die Autofokus-Meßfeldsteuerung. Im Gegensatz zur Nikon D4 besitzt die Nikon D800 hingegen noch die alt bekannte AE-L/AF-L Taste für die Speicherung von Belichtungs- oder Autofokusmesswerten.

Aufgezeichnet wird auf SD, SDHC- und SDXC-Speicherkarten sowie auf Compact Flash Karten. Es stehen also zwei unterschiedliche Kartenslots zur Verfügung, die mit unterschiedlichen Speicherstrategien (Reserve, Sicherunkskopie, RAW/JPEG etc.) konfiguriert werden können.
Über den Sinn oder Unsinn von 36,3 Megapixeln lässt sich vortrefflich streiten, doch dies ändert nichts daran, dass dies recht beeindruckende Werte sind, die beim endlosen Hineinzoomen in Bilder auch real sichtbar werden. Verantwortlich dafür ist der komplett neu im Nikon Portfolio befindliche 36,3 MP CMOS Sensor, der maximale Bildgrößen von 7360 x 4912 Pixel ermöglicht – zum Vergleich: Ein P 40+ Digitalrückteil von Phase One bringt es auf 7320 x 5484 Pixel. Willkommen im Mittelformat.

Wer tatsächlich die volle Auflösung der Nikon D800 nutzen möchte, benötigt einerseits Optiken, die der hohen Auflösung/Pixeldichte gerecht werden und sollte andererseits, wenn es nicht in erster Linie um Ausschnittsvergrösserungen geht, überlegen, welche maximalen Druckgrößen tatsächlich produziert werden. Unterhalb von zwei Meter Prints dürfte der Unterschied zwischen 36 und bsp. 16 MP nicht wirklich sichtbar sein. Wer jedoch bereits für seine fotografischen Projekte im gemäßigten Mittelformat unterwegs ist, der könnte tatsächlich mit der Nikon D800 eine im Vergleich recht günstige und zudem mobile Alternative finden und wird sich auch nicht von der heftigen RAW-Filegröße (max. 74,4 MB pro Bild für 14 Bit RAW, FX) stören lassen.
Dass der 36,3 MP CMOS Sensor nicht in erster Linie auf Sport- Event und Pressefotografie ausgerichtet ist, sondern vielmehr auf die Bereiche Studio und Landschaft erscheint uns bei einer Serienbildgeschwindigkeit von 4 B/s recht deutlich zu sein. Wer jetzt allerdings auch einen deutlich lichtschwächeren Sensor als bei der Nikon D4 erwartet, wird von der Nikon D800 positiv überrascht werden. Ja, der Sensor ist etwas weniger lichtstark als der D4-Sensor - aber es hat uns überrascht, wie minimal der Unterschied ausfällt. Auch im Vergleich zum direkten Konkurrenten Canon EOS 5D Mark III arbeitet die Nikon D800 in Sachen Lowlight auf ungefähr gleichem Niveau. Mehr hierzu in den beiden folgenden Kapiteln.
Abschließend noch ein Wort in Sachen Silent Modus der Nikon D800 auch wenn es zum Bereich Foto und weniger zum Filmen gehört. Der Silent Modus der Nikon D800 ist quasi genauso laut wie der normale Modus (Ok, vielleicht miniminimal, leiser, aber deutlich zu wenig). Hier darf Nikon noch etwas nachlegen – bei der Canon EOS 5D Mark III funktioniert der Silent Modus hingegen ziemlich gut. Doch nun zum Video …

Für den Videogebrauch finden sich bei der Nikon D800 erstmalig im Vergleich zu den Vorgängern ein Kopfhöreranschluss für das Audiomonitoring sowie ein feinstufiger manueller Audiopegel (der allerdings wie bei der Nikon D4 vor der Aufnahme eingestellt werden muss). Somit lässt sich via externem Mikro ein brauchbarer Pegel aus der Nikon D800 herausholen, auch wenn wir persönlich eine komplette Verlagerung der Audioaufnahme nach außen mit externem Recording, wenn möglich, immer noch vorziehen.
Das Video-Highlight bei der Nikon D800 stellt - ebenso wie bei der Nikon D4 – der cleane HDMI-Output dar. Das HD 8 Bit 4:2:0 Signal bietet eine Umgehung des H.264 Codecs an und eignet sich damit für all diejenigen, die das letzte Quentchen Detail aus ihrer Video-DSLR herausholen möchten oder gleich in einen schnittfähigen Codec aufzeichnen müssen. Einen schnitt-optimierten Codec bietet zwar sogar die Konkurrenz von Canon gleich mit onboard an. Dafür mangelt es der Canon EOS 5D Mark III an einem cleanen HDMI-Out.
Hier die unterschiedlichen Video-Outputs der Nikon D800 am HDMI Out:
Internes Videoformat | HDMI-Out Signal mit eingelegter Speicherkarte | HDMI-Out Signal ohne eingelegter Speicherkarte | HDMI-Out Signal mit paralleler Aufzeichnung auf interner Speicherkarte |
---|---|---|---|
1080 30p | 1080 60i 8 Bit 4:2:0 | 1080 60i 8 Bit 4:2:2 | 720 60p 8 Bit 4:2:0 |
1080 24p | 1080 24p 8 Bit 4:2:0 | 1080 24p 8 Bit 4:2:2 | 720 60p 8 Bit 4:2:0 |
1080 25p | 1080 25p 8 Bit 4:2:0 | 1080 25p 8 Bit 4:2:2 | 720 50p 8 Bit 4:2:0 |
720 60p | 720 60p 8 Bit 4:2:0 | 720 60p 8 Bit 4:2:2 | 480p 8 Bit 4:2:0 |
720 50p | 720 50p 8 Bit 4:2:0 | 720 50p 8 Bit 4:2:2 | 576p 8 Bit 4:2:0 |
720 30p | 720 60p 8 Bit 4:2:0 | 720 60p 8 Bit 4:2:2 | 720 60p 8 Bit 4:2:0 |
720 25p | 720 50p 8 Bit 4:2:0 | 720 50p 8 Bit 4:2:2 | 720 50p 8 Bit 4:2:0 |
Video wird bei der Nikon D800 - wie bereits kurz angeschnitten und von der Nikon D4 und anderen Nikons bekannt - als High@L4.0, H.264/MPEG-4 AVC mit maximal 24 Mbit/s in einen QuickTime Container aufgezeichnet. Die maximale Aufnahmezeit liegt bei 29 Minuten 59 Sekunden. Audio nimmt die Nikon D800 als 16 Bit PCM mit 48 kHz auf.
Die Videoqualität liegt hierbei auf dem höchsten Niveau, das wir jemals mit einer Nikon VDSLR aufgezeichnet haben. Sie erreicht bei der Auflösung die Werte der Panasonic GH2 und zieht in dieser Disziplin an allen Canon VDSLRs vorbei. Allerdings finden sich auch Moirée und chromatische Aberrationen im Videomaterial – mehr hierzu in Testlabor – Kapitel. Trotzdem an dieser Stelle ein Bravo an Nikon für eine sehr gute Videoqualität auf Augenhöhe der Konkurrenz.
Zum Abschluss dieses Kapitels noch eine Notiz am Rande: Bei unseren Tageslichtaufnahmen hatten wir mit recht viel Umgebungslicht zu kämpfen und empfanden das mit mit ca. 921.000 Bildpunkten gut auflösende 8 cm Display der Nikon D800 einen Tick reflexionsreicher als Displays vergleichbarer VDSLRs. Wer viel bei Sonne dreht, sollte hier geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen.
Der Autofokus im Liveviewmodus hat uns hingegen, wie bei fast allen derzeitigen Nikon VDSLRs, recht gut gefallen. Er ist zwar immer noch ein ganzes Stück von Autofokussystemen entfernt die speziell auf Video ausgelegt sind (wie bei Camcordern oder der Panasonic GH2 mit entsprechender Video-Optik) – aber im Vergleich zum restlichen V-DSLR Feld bietet Nikon derzeit den gelungensten Liveview-Autofokus.
Wer am DX-Modus der Nikon D800 in Bezug auf die Videofunktion interessiert ist, darf sich auf einen entsprechenden Ergänzungstest später im Jahr freuen.
Aus dem Testlabor
Der Sweep der Helligkeitsauflösung reicht bei der D800 sichtbar weiter in die Details, als bei der Canon EOS5D MkIII oder der D4 und kommt somit schon näher an gute AVCHD-Camcorder heran.

Das zeigt sich auch beim Blick auf das ISO-Chart: Die Kamera stellt sogar teilweise mehr Details dar, als unser Primus GH2, erfindet dabei allerdings in den Kreisen auch „falsche“ Aliasing Muster in denen lichte Chrominanz-Verfärbungen auftreten. Dies dürfte der Skalierung geschuldet sein, die jedoch immer noch auf weitaus höherem Niveau stattfindet, als bei den Canon-EOS-Modellen, die in diesen Bereichen nur graue Flächen zeigen. Die Abbildung der Panasonic GH2 gefällt uns in dieser Hinsicht dennoch weiterhin am besten...

Die Farbauflösung verläuft ebenfalls besser als bei anderen DSLR-Kameras, ist jedoch auch unruhiger als bei der Panasonic GH2.

Die Verzeichnung unseres Testobjektivs ist im FullFrame-Modus ziemlich extrem. Die zuschaltbare digitale Verzeichungskorrektur bewirkte mit unserem Objektiv im Videomodus nichts.

Bei viel Licht ist die Farbwiedergabe der Nikon einwandfrei, wobei sich die Bildcharakteristik zusätzlich feintunen lässt.

Bei wenig Licht kennt auch die Nikon D800 kaum Grenzen. Die hohen ISO-Einstellungen rauschen kaum und stellen die Szene beinahe so dar, als wäre sie normal ausgeleuchtet worden. (alle Aufnahmen mit F2.8 und 1/25 Sek Belichtungszeit).

12 Lux mit ISO2500

12 Lux mit ISO3200

12 Lux mit ISO6400

12 Lux mit High ISO 0,7

12 Lux mit High ISO 2,0
Das eingebaute Mikrofon rauscht verhältnismäßig stark ist aber nicht in den hohen Frequenzen beschnitten.

Das wahre Leben

Bei allen Aufnahmen kam das AF-S NIKKOR 24-70 mm 1:2,8G ED zum Einsatz – so auch bei unseren Außenaufnahmen. Überrascht waren wir von der für die Menge an Pixeln auf dem Sensor von der recht guten Lowlightqualität. Aber auch bei der Auflösung spielt die Nikon D800 bei den Video-DSLRs derzeit in der ersten Reihe.
Hier unsere Lowlightaufnahme vom Potsdamer Platz mit diversen ISOs bei Blende 2.8 und 1/50 Sekunde in 1080/24p:
Hier unser Tageslichtwenk in 1080/24p:
Hier nochmal die einzelnen Standard-Bildstile der Nikon D800 nacheinandergeschnitten mit ihren Auswirkungen auch auf das Videobild. Alle Bildstile lassen sich nach eigenem Gusto abändern.
Und schließlich noch etwas Autofokus-Praxis in der Liveview. Sicherlich nicht auf Höhe von Camcordern oder der GH2 mit Videooptiken – aber derzeit mit das Beste im VDSLR Bereich:
Fazit
Mit der Nikon D800 bringt Nikon sein bestes Videostück auf den Markt. Sehr gute Auflösungswerte bei der Videofunktion gepaart mit erstaunlich guter Lowlightfähigkeit und dem cleanen HDMI-Output machen die Nikon D800 zu einer attraktiven Wahl für VDSLR-Filmer und zum ersten Mal kann man tatsächlich von mindestens gleicher Augenhöhe mit den Canon Video-DSLRs sprechen.
Zwar gibt es immer noch einige Funktionen im Videobereich die verbessert werden können - Audiopegeln während der Aufnahme, Peaking und ein noch stärker auf Video ausgerichteter Autofokus fallen uns da spontan ein – doch das große Bild stimmt ...
Wer bereits in Nikon-Glas investiert hat, und eine VDSLR sucht, die auf dem Niveau der derzeit besten liegt, kann bei der Nikon D800 bedenkenlos zugreifen. Zumal uns der Preis (UVP) von Euro 2.899,- im Vergleich zur direkten Konkurrenz recht fair erscheint.
Wer neu einsteigt und es nicht zu eilig hat, sollte vielleicht noch die Photokina im Herbst abwarten. Der VDSLR-Markt könnte dann noch einmal neu ausgerichtet werden.