Test Mini-Profi? - Canon XF100 und XF105

Mini-Profi? - Canon XF100 und XF105

Ein 50 Mbit 4:2:2 Codec hinter einem 1/3-Zoll-CMOS-Chip der im Gehäuse von der Größe einer Consumer-Kamera dennoch mindestens 4.000 Euro kosten soll. Kann so ein Konzept überzeugen?

// 17:21 Di, 30. Nov 2010von

Mit der Ankündigung der XF100/XF105 erntete Canon bei vielen Anwendern erst einmal Kopfschütteln. Denn irgendwie passen die zusammengewürfelten Rahmendaten der Kamera auf den ersten Blick nicht richtig zusammen. So steht ein 50 Mbit 4:2:2 Codec einem 1/3-Zoll-CMOS-Chip gegenüber der im Gehäuse von der Größe einer Consumer-Kamera dennoch mindestens 4.000 Euro kosten soll. Kann so ein Konzept überzeugen?



Die XF105 hat gegenüber ihren kleinen Schwester XF100 (wie auch bei anderen Canon Serien üblich) einen professionellen Genlock/Timecode-Anschluss, sowie einen HD-SDI-Output voraus. Ansonsten sind die Geräte identisch. Während die XF100 bereits für ca. 4000 Dollar über den Ladentisch wandern soll, wird die XF105 rund 1000 Dollar mehr kosten. Ausgeliefert wird Mitte Januar, wobei die genauen Euro-Preise noch nicht feststehen.



Mini-Profi? - Canon XF100 und XF105 : cam0




Kleiner Sensor

Obwohl die XF100/105 viele Features von der „großen“ XF300/305 geerbt hat, wurde von Canon gerade an der entscheidenden Stelle des Sensors der Rotstift angesetzt. So finden sich statt drei nur noch ein 1/3-Zoll CMOS-Wandler in der Kamera, was für ein Pro-Modell in dieser Preisklasse doch etwas „untermotorisiert“ wirkt. Alleine schon deswegen, weil sogar die aktuelle HF-S Canon-Consumer-Camcoder-Reihe mit 1/2.6-Zoll einen größeren Sensor besitzt. Immerhin handelt es sich um einen echten 2 Megapixel Chip, was auf wenig Skalierungsartefakte sowie eine sehr gute Schärfe hindeutet. Schließlich entspricht der Chip damit ziemlich genau einer Full-HD-Pixelverteilung.



Allerdings könnte es der Bayer-Pattern-Filter schwer haben den 4:2:2 Codec bei FullHD wirklich auszunutzen, weil ja hier nur Farbinformationen für jeden vierten Pixel eingesammelt werden. Rein mathematisch gibt es allerdings Verfahren, die aus drei Farbkomponenten plus Luma dank Nachbarpixelinterpolation eine volle YYUV-Ausgabe berechnen. Das entspricht ja gerade 2:1:1 bzw. 4:2:2. Es könnte also tatsächlich genügend Bildinformation vorhanden sein. Von dieser Seite her, sollte man die Kamera also schon mal nicht vorverurteilen...



Das 10xZoom-Objektiv beginnt bei einer Brennweite von umgerechnet 30mm (kb) mit einer ziemlich guten Anfangsblendenöffnung von 1:1,8 und endet bei 2,8. Der Filterdurchmesser von 58mm passt dabei gut zur gesamten Größe der Kamera.





Anmutung

Die Kamera selbst wirkt dabei erstaunlich klein jedoch sehr massiv, obwohl auch hier wie schon bei den großen Schwestern viel Plastik zum Einsatz kommt. Besonders durch die üppigen XLR-Audio-Anschlüsse hat man tatsächlich das Gefühl hier eine Produktionskamera im Mini-Format zu benutzen.



Aufgrund der Größe muss man allerdings Abstriche bei den Knöpfen machen, die sehr pfriemelig sind und irgendwie nur halb professionell wirken. So gibt es zwar für alle wichtigen Funktionen externe Bedienelemente, jedoch sind diese oft etwas ungewöhnlich zu bedienen. Die Gain Presets muss man beispielsweise durchsteppen oder eine Shutter-Veränderung erfordert zwingend ein geöffnetes Display für den Joystick. Blende, Fokus und Zoom lassen sich auf den Objektiv-Ring legen, wobei man die einzelnen Funktionen über einen separaten Umschalter bestimmt. Am besten gefiel es uns, den Fokus auf über den Objektiv-Ring, die Blende über das Objektiv-Rädchen und den Zoom über die zwei sehr feinfühlig agierenden Zoomwippen zu steuern. Der Regelweg des Blenden-Rädchens war für unsere Begriffe dabei etwas zu lang ausgelegt und war leider auch nicht per Menü veränderbar.







ND-Filter?

Der ND-Filter lässt sich nur als automatischer (und daher wohl digitaler Filter) zuschalten, ohne das man als Anwender Zugriff auf die Stärke und den Zeitpunkt des Zuschaltens, hat. Dazu kam uns auch die Arbeitsweise der ND-Automatik etwas seltsam vor, da sich dieser niemals einschaltete, solange die Blende unter 4.0 lag. Bei höheren Blendenzahlen setzte er dann allerdings öfter gleich mit voller Filterung ein, was einfach unberechenbar ist.



Da man einen ND-Filter oft auch dazu benötigt, um mit möglichst großer Blendenöffnung etwas Tiefen(un)schärfe herauszukizeln, also eher eine kleine Blendezahl unter 4.0 wählt, lässt sich der elektronische ND-Filter hierfür überhaupt nicht nutzen. Als Alternative gibt es dann nur das komplette Ausschalten der ND-Funktion. Dies ist jedoch halb so tragisch, denn so ganz klar ist uns nicht, was denn nun den elektronischen Filter von einem Negativ-Gain unterscheidet, den die Kamera ebenfalls bietet, und der sich auch direkt von Anwender kontrolliert ab- und zuschalten lässt. Allerdings lässt sich dieser nur bis -6 dB einstellen.






Audio

Im Audio-Bereich kann die XF105 wirklich glänzen. Neben einem eingebauten Stereo-Mikrofon, finden auch externe Mikrofone sowohl über 3,5mm Mini-Klinke als auch via XLR Anschluss. Dabei lassen sich (wahlweise) sowohl das interne Mikrofon , als auch die externen Anschlüsse über externe Bedienelemente pegeln und zwischen Line und Mic umschalten. Eine Phantom-Speisung mit 48V ist ebenfalls möglich. Außerdem findet sich noch eine abschraubbare Shotgun-Halterung im Lieferumfang, um ein externes Mikrofon besser von Gehäuse-Lärm zu entkoppeln. Soweit man nur zwei Tonkanäle aufzeichnen will, lässt diese Kamera daher kaum etwas zu wünschen übrig.






Format

Die XF105 zeichnet in einem MXF-Container mit 4:2:2 und 50 Mbit einen MPEG2-Datenstrom auf, was uns als HD-Videoformat mittlerweile extrem sympathisch ist. Artefakte sind bei dieser Datenrate wirklich kaum zu finden und die 4:2:2-Auflösung sorgt für Freude beim Keying und bei Fernsehsendern. Dazu ist die Performance beim Schnitt ebenfalls deutlich flotter als MP4-Dialekte oder AVCHD. Die Kompatibilität ist des neuen Formates ist sehr hoch, da die meisten Schnittprogramme schon seit Jahren MPEG2-Schnitt beherrschen und die entsprechenden MPEG2-Standard Codecs sehr ausgereift sind. Einziger Nachteil gegenüber den neueren MP4-Formaten ist die etwas höhere Datenrate, was wir jedoch in Anbetracht der genannten Vorteile nicht nachteilig sehen können. Dazu lässt sich die Datenrate auch bis auf 25 Mbps heruterschrauben. Dabei werden dann nur 1440 x 1920 Pixel wie bei HDV aufgezeichnet. Bei 35 und 50 Mbps sind sowohl FullHD (50i,25P), bei 720P sogar 50 Villbilder pro Sekunde möglich. Interessanterweise lässt sich bei 50i keine Belichtungszeit unter 1/50 Sekunde einstellen, was ja auch logisch ist, bei Consumer-Modellen jedoch oft trotzdem geht. Stellt man die Kamera in den 25P-Modus funktionieren auch Belichtungszeiten bis zu 1/25 Sekunde. SD-Auflösungen und Formate gibt es übrigens gar nicht.



Für Fast- und Slow-Motion (Over- und Undercranking) lassen sich die Frameraten in gewissen Grenzen variieren: Bei 50i sind dies 25, 24, 23, 22, 21, 20, 18, 15, 12 FPS. Bei 720P sind zusätzlich 50, 48, 45, 42, 37, 34, 32, 30, 28, 27, 26 FPS möglich. Dazu gibt es eine Intervall-Aufnhame-Funktion, die bequemen Zeitraffer ermöglicht.



Unsere Kamera bot zusätzlich die Möglichkeit zwischen PAL und NTSC umzuschalten. Im letzteren Modus zeichnete die Kamera dann in den Modi 60i/30p und (!!) 24p auf. Laut deutschem Datenblatt, scheint die NTSC-Option jedoch nicht grundsätzlich freigeschaltet zu sein, sondern wird voraussichtlich nur gegen Aufpreis erhältlich sein.






Doppel-Slot

Aufgezeichnet wird auf Compact-Flash Cards, wobei zwei Slots zur Verfügung stehen, die einerseits für Continuous-Recording mit Hot-Swap für Nonstop-Sessions genutzt werden können. Dies gelingt, indem man immer die unbenutzte Karte im laufenden Betrieb wechselt. Alternativ gibt es auch ein Double Slot Recording, bei dem auf zwei Karten das selbe Material aufgezeichnet wird. So kann man bereits bei der Aufnahme automatisch ein Backup erstellen, was gerade bei wertvollen Once-in-a-lifetime-Shots ein schönes Feature ist.



Ein SD(HC)-Karten-Slot ist übrigens ebenfalls integriert, jedoch kann dieser (leider!!) nicht zum Abspeichern oder duplizieren von Videoclips genutzt werden. Hier finden Konfigurationsfiles der Kamera Platz. Und übrigens auch Photos, welche die Kamera ausschließlich in der eingestellten Video-Auflösung erstellen kann, wenn man für den Auslöser einen frei definierbaren Button opfert.






Manuelle Justage-Möglichkeiten

Auch wenn es mittlerweile bei vielen Pro-Modellen im 5000 Euro Bereich in der Regel ausreichend Einstellmöglichkeiten für Kamera und Bild gibt, zeigt sich die XF105 gegenüber der Konkurrenz bemerkenswert üppig ausgestattet. Leider war bei unserem Test-Modell noch keine Anleitung dabei, was uns gelegentlich etwas Zeit beim Herumprobieren kostete. Dazu können wir nicht absolut sicher sein, ob wir nicht die eine oder andere vermisste Funktion vielleicht einfach in der Funktionsfülle übersehen haben.



Zur Schärfebeurteilung stehen Peaking sowie Vergrößerung zur Verfügung, bei der Belichtung helfen Zebra-Anzeige, sowie diverse Wave-Form-Monitor-Ansichten. Der extrem flinke Waveform-Monitor lässt sich dabei in fünf verschiedenen Modi betrieben, dazu gibt es noch eine Leistenansicht unter dem Bild (Edge Monitor). In Kombination mit dem extrem scharfen Display und Sucher lässt sich so tatsächlich sehr effizient arbeiten. Der Vorteil der geringen Größe der Kamera kommt dadurch erst richtig zur Geltung, weil man so tatsächlich auch ohne zusätzlichen Monitor die Schärfe gut im Griff hat.



Shutter, Blende, Gain und Weissabgleich lassen sich selbstredend unabhängig einstellen. Allerdings gibt es ein paar Bedienhürden, die eigentlich bei einem Gerät dieser Preisklasse nicht sein müssten: So muss man für den Gain drei Stufen vordefinieren, die sich später über einen Taster durch Stepping „Live“ auswählen lassen. Dass dies bei einem Dreifachschalter (wie er meist bei professionellen Modellen eingesetzt wird) sinnvoll ist, ist klar. Da man jedoch an der XF105 nur einen Taster verbaut hat, könnte man hier ruhig mehr alternative Werte zur Auswahl stellen, zumindest optional. Zumal man über den negativen Gain an dieser Stelle ja auch den ND-Filter-Ersatz steuern will.



Der Shutter lässt sich erst manuell verändern, nachdem wir ihn im Menü auf Speed gestellt hatten. Dies muss nur einmal passieren. Alternativ kann man den Shutter auch im Winkel einstellen, oder sogar eine exakte Clearscan-Frequenz postulieren. Will man allerdings den Shutter später bei der Aufnahme manuell einstellen, so benötigt man unbedingt den Joystick neben dem Display. Ohne den geht’s nicht, bzw. geht nichts.



Die Menüs entsprechen größtenteils den Funktionen der XF300/305. Leider sind die Unterlisten teilweise extrem lang, was das Auffinden einzelner Punkte sehr schwer macht. Auch die Status-Anzeige, die eigentlich alle wichtigen Parameter der Kamera auf einen (!) Blick zeigen sollen, zieht sich über 7 Seiten. Praktisch wäre dies immerhin, wenn man in diesen Seiten ebenfalls Änderungen vornehmen könnte, da sie immerhin etwas übersichtlicher angeordnet sind, als das Menü selbst. Aber das funktioniert leider nicht.








Veränderbare Bildcharakteristik

Im etwas verstecken Custom Preset -Menü, finden sich unzählige Optionen, die Bildcharakteristik der Kamera einzustellen: Darunter sind 6 Gamma-Kurven, Black Level, Knee, Schärfe, Rauschreduzierung , Skin Detail, Farb-Matrix, sowie diverse Farbkorretur-Einstellungen. Das Problem mit dieser unzähligen Fülle ist jedoch, dass man diese aktuell nur im Menü der Kamera einstellen kann. Eine Applikation am PC/Mac wäre hier sicherlich hilfreich, um von den Parametern und deren Möglichkeiten nicht erschlagen zu werden. Wir hatten ja seinerzeit den XH-Tuner für die Canon HDV-Modelle programmiert. Vielleicht findet sich ja für die neue XF-Serie jemand anders, der diese ruhmvolle Aufgabe übernehmen will. Wir haben es jedenfalls gerade nicht auf dem Plan.






3D

Die 3D-Funktionen konnten wir in Ermangelung einer zweiten Kamera nicht in der Praxis testen. Auf jeden Fall erschien uns jedoch die OIS-Achsenverschiebung praktisch, mit der man Unterschiede in der horizontalen und vertikalen Ausrichtung durch den Sensor elektronisch korrigieren kann. Wenn wir es richtig verstehen, können auch noch die Brennweiten von zwei gekoppelten Kameras synchronisiert werden, jedoch gibt es hierzu noch wenig Informationen.






Aus dem Messlabor

Der Sweep zeigt wie bei der XF300er-Serie einen sehr guten Schärfeverlauf der sich sehr linear ohne auffälligen Bauch fast über das gesamte Messspektrum erstreckt.




Luminanzauflösung



Die gemessene, sehr natürliche Schärfe bestätigt auch der Blick auf das ISO-Chart. Allerdings sind gegenüber den großen Schwestern leichte Aliasing-Artefakte vorhanden, die sich besonders in den feinen Kreisstrukturen zeigen.



ISO-Testbild



Bei der sehr gleichmäßigen Farbauflösung gibt es nichts zu bemängeln. Der Farbpegel ist in der Werkseinstellung nicht übertrieben stark eingestellt.



Chrominanz-Auflösung



In Anbetracht des guten Weitwinkels ist die sichtbare Verzeichnung des Objektives absolut in Ordnung, jedoch keine Meisterleistung.



Objektiv-Verzeichnung



Die Farbgebung in der Werkseinstellung ist ziemlich neutral, wobei die Bildcharakteristik der Kamera in so weiten Teilen justierbar ist, dass dies keine große Rolle spielen dürfte.



1200 Lux (Klicken für Bild in voller Auflösung)



Bei wenig Licht agiert die XF105 sogar einen Tick besser als ihre große Schwester. Allerdings wird dies in erster Linie durch eine integrierte Rauschunterdrückung erkauft, die den Bildern schnell einen Aquarell-Look verpasst. Grundsätzlich wird die Performance des 1/3-Zoll Chips merklich von aktuellen DSLR-Kameras oder auch von Sonys EX1 mit 1/2-Zoll Chip übertrumpft.



12 Lux Automatik (Klicken für Bild in voller Auflösung)



Auch beim „optimierten“ Low-Light-Test rauscht die XF105 etwas mehr als andere Kameras in dieser Preisklasse. Dies muss man zwar nicht überwerten, jedoch kommt einem das Rauschen der XF105 doch relativ stark vor, wenn man schon öfter mit DSLRs gearbeitet hat.



12 Lux mit 1/25 Sek und manuellem Weißabgleich. (Klicken für Bild in voller Auflösung)



Sehr ausgeglichen agiert die Tonabteilung: Das eingebaute Mikrofon rauscht wenig und liefert einen sehr gleichmäßigen Verlauf mit praktisch nicht beschnittenen Höhen.



Störgeräusche







Fazit

Vor zwei Jahren wäre diese Canon noch ein echter Knaller gewesen. Heute ist sie einfach nur ein sehr kompaktes Arbeitstier, das seine Stärken weniger im szenischen Umfeld, denn im Dokumentations- und News-Bereich ausspielt. Hier wirkt das Kamera-Konzept grundsätzlich erstaunlich rund und auch wenn so manche Ecke gibt, hat uns die XF105 positiv überrascht. Sie ist eine Kamera mit der man sich spontan wohl fühlt. In diesem Formfaktorbereich, den eine EX1 von Sony nicht bedienen kann, macht sie dazu noch als Marktnische Sinn. Sony und Panasonic stellen jedoch schon bald in ähnlicher Preis-Region ihre Vollformat-Camcorder mit Wechselobjektiv vor, die wahrscheinlich die selben Parameter-Tüftler ansprechen dürfte wie die Canon. Dabei werden diese Konkurrenzmodelle noch deutlich lichtstärker sein und natürlich den hippen Tiefenschärfe-Kino-Look ermöglichen. In diesem Licht wirkt der Preis der XF100/105 dann wohl etwas überholt.


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