Wenn man Sony und vielen anderen Konkurrenten glauben schenkt, sind Hochkant-Camcorder nicht mehr zeitgemäß. Zumindest wollen viele Firmen selber keine Hochkant-Modelle mehr anbieten, weil eine horizontale Ausrichtung der Kamera eine deutlich bessere Bedienung biete. Und so ganz unrecht haben Sony und Konsorten damit wohl nicht.

Ergonomie
Denn der HV10 von Canon liegt nicht wirklich gut in der Hand. Um an die Zoomwippe zu gelangen muss man seine Finger deutlich anwinkeln, was schnell zu einer verkrampften Haltung führt. Dazu sind die kleinen Bedienelemente für große Hände kaum sicher zu bedienen. Der nicht ausziehbare Sucher ist ebenfalls Opfer der Miniaturisierung: Durch seinen flachen, nach oben geneigten Einblick bietet er praktisch gar keinen Schutz vor Sonneneinstrahlung und durch seine harte und raue Verschalung verkratzen sich Brillenträger leicht die Gläser. Warum Canon bei dieser Bauform überhaupt noch einen Sucher integriert, ist uns daher ein Rätsel. Auf einem Stativ ist der MV10 daher deutlich besser aufgehoben, jedoch stört beim Kasettenwechsel der Laufwerksauswurf nach unten. Außerdem hat man auf einem Stativ nichts von dem geringen Gewicht und der kleinen Bauform. So gesehen, ist der HV10 also eine Kamera, die man zwar immer bequem mit sich herumtragen kann, wofür man im Gegenzug deutliche ergonomische Einschnitte in Kauf nehmen muss.
Ausstattung
Doch trotz der Miniaturisierung lesen sich die technischen Daten des HV10 ziemlich imposant: Der 1 / 2,7 Zoll-CMOS-Sensor mit FullHD-Auflösung (1920 x 1080) lässt auf eine gute Bildqualität schließen, zumal der zusätzlich verbaute optische Bildstabilisator keine Randpixel raubt. Damit liegt das Tiefenschärfe-Verhalten sogar etwas über den teuersten HDV-Cams die maximal mit 1/3-Zoll-Chips arbeiten. Geschützt wird das Objektiv durch den mittlerweile obligatorischen, automatischen Objektivverschluss (der uns noch immer an jedem neuen Camcorder-Modell zu begeistern versteht).
Für den Autofokus bringt der HV10 einen zusätzlichen Abstandssensor mit. Dieser misst erst einmal grob den Abstand zum Objekt. Über die typische Kantenanalyse des Signalprozessors wird dann in einer zweiten Stufe die Feinarbeit erledigt. In der Praxis reagiert der Autofokus daher tatsächlich spürbar schneller. Wer es träger mag, kann alternativ auch eine klassische AF-Arbeitsweise benutzen.
Leider fehlen sowohl Kopfhörer- als auch Mikrofonanschluss, wodurch der Ton nur über das integrierte Mikrofon aufs Band findet. Dabei sind leider auch die Laufwerksgeräusche deutlich hörbar.
Bedienung
Wenn man sich mit den miniaturisierten Tasten arrangiert hat, zeigt die Kamera bei der Bedienung deutlich mehr Einstellmöglichkeiten als die direkte Konkurrenz. Zwar darf man hier keine Profi-Parameter erwarten, jedoch lässt sich beispielsweise bei manueller Belichtungszeit auch noch die Blende dazu manuell regeln. So soll es sein. Außerdem kann man (als ein über das Menü aufrufbares Custom-Preset) die Kamera in Schärfe, Farbe, Kontrast und Helligkeit justieren. Zwar stehen für jeden Parameter nur drei Werte zur Verfügung, jedoch dürfte dies in vielen Fällen ausreichend sein, um einen eigenen „Look“ zu finden. Auch Peaking (Kantenaufsteilung zur Schärfebeurteilung), Focus Assist (Bildvergrößerung zum Fokussieren) und Zebra sind vorhanden. Allerdings war bei unserem Testmodell die Peaking-Funktion nur sehr dezent wahrnehmbar. Die Zebra Funktion konnte dagegen zwischen 70% und 100% umgeschaltet werden und funktionierte wie gewünscht. Dank den gut strukturierten Menüfunktionen, gelangten wir an alle wichtigen Funktionen. Dazu trug auch bei, dass es trotz der kleinen Bauform eigene Tasten für Fokus und Belichtung und Blende gibt.

Dank dieser Hilfen gelang es mit dem MV10 die gewünschten Motive sorgfältig manuell einzustellen und auch ohne Fokusring lies sich nach unserem Geschmack durchaus angenehm arbeiten. Schärfeverlagerungen sind zwar nicht möglich, würden aber auch mit Fukusring aufgrund der kleinen Baumform der Kamera kaum Sinn machen.
Bildqualität
Bei der Bildqualität ließ uns der MV10 erst einmal Augen machen. Das Objektiv zeigte zwar gerade mal durchschnittliche Abbildungsleistungen und besitzt mit 43,6mm (16:9-KB) praktisch keinen Weitwinkel. Auch die Dynamik wirkt etwas mager: Helle Stellen haben schnell keine Zeichnung mehr oder überstrahlen sogar, und das gesamte Bild wirkt etwas kontrastarm. Doch eine derart gute Schärfeleistung ohne sichtbare Kontour hatten wir nicht erwartet. Auch in der Farbauflösung setzt sich der MV10 über weitaus teurere Camcorder hinweg. Zwar arbeiten Drei-Chipper wie die FX1 manche Farbdifferenzen noch einen Tick differenzierter heraus, jedoch ist die Bildqualität besser als wir es jemals von einem Einchipper erwartet hätten. Zumindest bei guter Beleuchtung. Denn im Low-Light-Bereich fängt es schnell an zu rauschen. Allerdings auch nicht viel schlimmer als bei der Konkurrenz im gleichen Preisumfeld.

Hierbei fiel uns jedoch eine weitere Besonderheit ins Auge: Die Kamera bietet bei der Belichtungszeit neben 50 auch 25 FPS, was das Low-Light-Verhalten natürlich deutlich verbessert. Wir staunten aber nicht schlecht, als das damit eigentlich zu erwartende Ruckeln ausblieb. Viel mehr überraschte uns der NV10: Die Kamera zeigt bei schnell bewegten Objekten einen Motion-Blur, wie man ihn für einen schönen Film-Look gut gebrauchen kann. Lauert hier etwa ein versteckter 25P-Modus? Eine nähere Analyse zeigte, dass der HV10 tatsächlich bei 25 FPS nur Vollbilder aufnimmt. Die Interlaced-Streifen sind beim Schnitt nicht mehr vorhanden. Doch man darf sich nicht zu früh freuen: Offensichtlich kostet der 25FPS-Modus auch etwas Bildschärfe. Die Aufnahmen wirken in diesem Modus spürbar weicher. Aber eigentlich genau richtig für einen Filmlook...
Fazit
Wenn man sich das Konzept des MV10 ansieht, muss man sich zwangsläufig fragen, für wen diese Kamera eigentlich geeignet sein soll. Auf der Haben-Seite steht die schlichtweg beste Bildqualität die man in dieser Preisklasse (und auch teilweise deutlich darüber) erwerben kann, gepaart mit guten manuellen Einstellmöglichkeiten und dem 25-FPS-Modus für einen soliden Film-Look. Ambitionierte szenische Filmer werden jedoch durch die kleinen Bedienungselemente, den fehlenden Mikrofonanschluss und den geringen Weitwinkel abgeschreckt. Der Party- und Urlaubsfilmer findet dagegen mit dem HV10 einen tollen Camcorder, den man immer bequem dabei haben kann und der im Gegenzug deutlich schlechter in Hand liegt als die gesamte Konkurrenz (das muss man einfach mal so deutlich sagen).
Auf jeden Fall begeistern kann die Technik hinter dem HV10, die deutlich zeigt, dass Canon die CMOS-Technologie schon heute ziemlich gut beherrscht. Wenn man die gleiche Technik dann noch in einem horizontalen Formfaktor (alá MVX3i) mit etwas mehr Weitwinkel, ND-Filter und vielleicht noch ein paar größere, externen Tasten mehr verbauen würde, könnte das der Konkurrenz schlaflose Nächte verursachen. Und wir sind uns ziemlich sicher, dass Canon sich dessen durchaus bewusst ist...
Alle technischen Daten zum HV10 sowie detaillierte Testergebnisse findet Ihr hier...
Vergleich der Sony SR1, Sony HC3 und Canon HV10




















