Unser Spielfilm „Hey!“ nimmt Gestalt an. In den letzten Wochen wurde von morgens bis in die Nacht geschnitten. Dabei haben wir immer kleine Häppchen gebildet. Insgesamt wurden es 17 Sequenzen. Die Methode hat den Vorteil, dass so der Film handlicher zu bearbeiten ist als wenn alle Clips in die Timeline gezogen würden. Jede Sequenz wurde bezeichnet, so dass einzelne Szenen leicht gefunden werden. Auch in dem Bin mit den verschiedenen Musiken wurden die Stücke den einzelnen Szenen zugeordnet. So war es überhaupt kein Problem, mit rund 600 Clips umzugehen.
Gelegentlich kam es vor, dass im Original-Material nachgeschaut werden musste, ob nicht doch zum Beispiel ein Schuss aus anderer Perspektive vorhanden ist, eine Nahaufnahme, ein bestimmtes Geräusch. Durch die gute Organisation des Materials war das Gesuchte immer schnell gefunden. Zum Glück hat sich herausgestellt, dass ein Nachdreh nur einmal erforderlich war. In „Hey!“ ist eine Szene enthalten, in der eine unserer Schauspielerinnen sich mit dem britischen Regisseur Ken Loach unterhält. Es ist einer jener „dokumentarischen“ Seitensprünge, die für diesen Film charakteristisch sind. Der Brite (zur Zeit läuft sein Film „Sweet Sixteen“ in den Kinos) äußert sich zu den Vor- und Nachteilen der dokumentarischen und der fiktionalen Filmarbeit. Es geht um die Frage, wie die Realität am besten abgebildet werden kann, wo die Grenze zwischen Schein und Sein verläuft – ein Subthema von „Hey!“. Nun kann man im Spielfilm schlecht eine Bauchbinde mit dem Namen des Regisseurs einblenden. Wir haben das gelöst mit Hilfe einer Caféhaus-Szene, in der unsere Schauspielerin an einem Tisch sitzt und herunterschaut. Im Gegenschuss sieht man, dass sie im Katalog des Filmfestivals Locarno blättert und auf einer Seite mit Foto und Namen von Ken Loach hängen bleibt. Diesen Blick auf den Caféhaustisch haben wir nachgedreht – er passt perfekt zur vorhandenen Einstellung, und der Zuschauer weiss, wer dieser Mann ist, der so bescheiden über seine Filmsprache redet. (Und Regisseurin, Kameramann und Cutter kamen unverhofft zu einer Portion Eis, die für diesen Dreh benötigt wurde).
Ein anderes Problem konnten wir leider nicht befriedigend lösen. Unsere Hauptlocation war ein kleines Rustico, ein ehemaliges Bauernhäuschen in traumhafter Hanglage über dem Lago Maggiore. Das Problem ist der unmittelbar am Haus vorbeifließende Bach. Sein Geräusch ist meistens präsent. Gelegentlich aber war er ohne Wasser, weil wegen der großen Trockenheit in diesem Sommer ein Wasser-Reservoir von dem Bach gespeist wurde. Jedenfalls bereitet dieses in vielen Szenen vorhandene Rauschen ein fast unlösbares Problem. Es wäre nur zu beheben gewesen durch Verzicht auf unseren Drehort. Für eine Anmietung an anderer Stelle aber reichte unser Etat nicht. So müssen wir denn mit diesem Rauschen leben und hoffen, dass der Zuschauer dies nicht als technischen Fehler brandmarkt. Zur Vorsicht haben wir beim Schnitt den Bach ins Bild eingebaut.
Nach der letzten Sequenz kam dann der Test. Alle Sequenzen wurden zu einem einzigen Film in der Timeline verbunden – mit einer Gesamtlänge von rund zweidreiviertel Stunden. Diese Länge war zwar keine Überraschung, weil wir immer wieder die Längen der 17 Einzelsequenzen addiert hatten. Bei Filmen mit ausgeschriebenen Dialogen werden die Zeiten schon im Drehbuchstadium gestoppt, dann beim Filmen noch einmal. Wir aber hatten es mit improvisierten Dialogen zu tun, deren Längen sich erst bei der Aufnahme ergaben. An einer Stelle wurden aus vier Drehbuchzeilen 25 Minuten Aufnahmezeit... Beim Rohschnitt der Sequenzen wurden sie natürlich kräftig gestutzt. Und trotzdem mussten wir nun natürlich den ganzen Film Szene für Szene noch einmal durchforsten und ausgelichten. Nach dieser zweiten Stufe des Rohschnitts blieben immer noch etwas über zwei Stunden.
Dann kam der Test. Wir holten uns Hilfe in Form einer Dramaturgin und schauten uns das Werk zum ersten Mal in voller Länge an. Der Timecode war eingeblendet, so dass Notizen während der Vorführung immer genau lokalisiert werden konnten. Nach der Vorführung eine Denkpause, dann Diskussion. Hängt der Film durch? Nein. Kann man ihn verbessern? Ja. Punkt für Punkt wurde alles durchgegangen. Die sonntägliche Diskussion dauerte einige Stunden. Und dann hieß es: wieder an die Arbeit.
Einige Szenen wurden umgestellt. Dadurch wurde von vornherein klar, dass „Hey!“ eine zweite Realitäts-Ebene besitzt. Es sind verfremdet aufgenommene Sequenzen aus einem Roman, an dem eine der Protagonistinnen im Film arbeitet. Die eine oder andere Szene wurde gelöscht. Viele Szenen konnten gestrafft werden. Allmählich bekommt der Film eine akzeptable Länge. Wir peilen 105 Minuten an. Solche Arbeiten werden an der Komplettfassung des Films vorgenommen. Die ursprünglichen 17 Sequenzen der Rohfassung sind also noch unverändert erhalten.
Thema Sicherheit: Das Projekt wurde immer wieder gespeichert auf einem Jazz-Laufwerk. Sollten also die Festplatten des Rechners abstürzen, wäre die Schnittarbeit immer noch vorhanden. Schlimmstenfalls müsste via Batch-Prozess neu digitalisiert werden. Die Mediendaten sind auf zwei IDE-Platten mit je 100 GB gespeichert (5400 U/min) , die über einen Raid-Controler als eine einzige behandelt werden. Mit dieser Konfiguration gab es bisher noch nie Probleme.
Jetzt beginnt die Feinarbeit, das ziselieren und putzen. Knacker beseitigen, Töne angleichen, Musiken anpassen. Auch das Bild werden wir bearbeiten. Avid XP DV stellt eine hervorragende Farbkorrektur bereit. Damit können auch Nuancen korrigiert werden. Wir hoffen auch eine Förderung der Postproduction, die ein Sound Design und optische Verbesserungen möglich machen könnte. Die jetzigen Arbeiten dienen vor allem dazu, eine brauchbare Rohfassung präsentieren zu können. Es liegt also noch etliche Etappen vor uns.
Test: Seitenwechsel: Vom Regisseur zum Schauspieler Do, 10.August 2017 Der Dokumentarfilmregisseur und Kameramann Kai Ehlers berichtet, wie es sich anfühlt, plötzlich als Schauspieler vor der Kamera zu stehen und was man dabei über den Umgang mit Schauspielern als Regisseur lernen kann.
Test: Erfahrungsbericht „Der Teufel von Rudow“ Di, 1.Juni 2004 Was vor zwei Jahren begann und als Direct-to-DVD gedacht war, kommt jetzt sogar ins Kino. Der Spielfilm „Der Teufel von Rudow“ ist ein „Home-Made-Produkt“ auf der ganzen Linie -- mit der Canon XL-1 auf miniDV gedreht, dann auf einem herkömmlichen 2,4 GHz Rechner und einer Pinnacle Pro One geschnitten. In diesem zweiten Erfahrungsbericht von Martin Roth geht es vor allem um die Dreharbeiten und um den Sound -- der Film wurde komplett nachsynchronisiert und in 5.1 Dolby Digital abgemischt.