Xaver Böhm und Jieun Yi im Interview: Das gute Motiv. Echte Schauspieler. Der Neon-Look

Der Film hat einen sehr besonderen Look. Wie habt ihr euch vorbereitet – habt ihr euch viel angeschaut in der Vorbereitungsphase um euch einzutunen?



X: Nicht so viel wie wir hätten wollen und sollen. Im Hochschulkino haben wir uns ein paar Sachen zusammen angeschaut, vielleicht vier-fünf Filme, aber wir kannten ja jeder auch schon viel, über das wir dann einfach gesprochen haben. Manchmal haben wir dann nur einen Ausschnitt angesehen, oder sogar nur ein Bild.



J: Was uns tatsächlich am meisten interessiert hat, waren die Locations. Wir haben viel Zeit damit verbracht, die zu suchen und uns davon inspirieren zu lassen.



Ihr seid nachts mit dem Auto durch die Stadt gefahren?



X: Ja, das war somit das erste was wir gemacht haben. Du (Jieun) hattest mir ja erklärt, ohne ein gutes Motiv wird es nichts, da kannst du machen, was du willst. Ich hatte zuvor ja nur Animationsfilme gemacht.



Warum wolltest du diesen Film überhaupt mit echten Schauspielern und echten Bildern machen, und nicht alles unter kontrollierten Bedingungen zeichnen wie bisher?



Ja, das war natürlich das coole beim Zeichnen, da war man der alleinige, gottähnliche Schöpfer seines Werkes. Das habe ich hier natürlich oft vermisst (lacht). Deswegen war ich wahrscheinlich auch oft besonders pingelig, weil ich es gewohnt war, alles auf einem weißen Blatt selbst machen zu müssen und zu dürfen.


Aber irgendwann bin ich an die Grenze gekommen, weil die Protagonisten einfach sehr hölzern sind. Meine Animationsfilme wurden irgendwann sehr dialoglastig und ich habe festgestellt, zwischen den Figuren passiert nicht so viel wie zwischen zwei echten Menschen.


Es ging mir also um die Darsteller - ich habe mich danach gesehnt, mit Schauspielern zu arbeiten, die durch eine kleine Geste ganz viel erzählen können. Und außerdem habe ich mich danach gesehnt, mit Menschen zusammen zu arbeiten, um nicht am Zeichentisch zu vereinsamen.




O Beautiful Night (c) Jieun Yi / Komplizen Film



Hattest du denn Erfahrung mit Schauspielern?



Nein – aber ich hatte ein super Team, außerdem wurde ich zum Coaching geschickt. Und Maren Ade hat mir ein bißchen Tipps gegeben -- was kann man sich besseres wünschen?


Dann haben wir noch einen Kurzfilm gemacht zur Vorbereitung, da habe ich viele Fehler gemacht, die ich beim Langfilm dann nicht mehr gemacht habe.



J: Der Kurzfilm war auch visuell eine Vorbereitung. Wir wollten irgendwas in Neon machen und haben da Sachen ausprobiert. Dabei haben wir gesehen, dass es nicht so wurde, wie wir es uns vorgestellt haben, und uns daraufhin nochmal damit auseinandergesetzt.



Konkret gesprochen, was habt ihr anders gemacht beim großen Film?



X: Mich hat zum Beispiel gestört, dass man beim Kurzfilm das Licht, das wir gebaut hatten, so sehr erkannt hat. Deswegen haben wir dann versucht, die Lampen etwas homogener in die Locations zu integrieren.



J: Beim Kurzfilm waren Locations, Lampen und Schauspieler alle etwas fremdkörperlich. Das haben wir versucht, mehr zusammenwachsen zu lassen. O beautiful Night ist immer noch ein stark neon-lastiger Film, aber es steht nicht mehr so alleine für sich. Es gibt mehr Balance.



Es ist schon ein sehr bunter Film, aber der Look schiebt sich nicht zu sehr in den Vordergrund – also visuell sehr prägnant, aber man hat nicht das Gefühl, ihr wolltet eigentlich hauptsächlich Licht machen und der Rest ist nur Beiwerk…



X: Falls es dir zu bunt ist, es wird auch eine Schwarz-weiß-Version geben.



Eigentlich ein bißchen absurd, sich erst so viel Mühe mit den Farben zu machen, um sie dann wieder ganz rauszunehmen.



J: Mir persönlich gefällt der Film in s/w noch besser.



X: Mir auch …



J: Der trockene Humor kommt noch besser raus finde ich.



X: Es gehen eigentlich nur die Farben verloren, die Lichtstimmung ist ja trotzdem noch sehr stark. Es geht dann irgendwie mehr um die Figuren.



J: Es wird dunkler und geht dadurch nochmal tiefer. Wir haben ja alles sehr bunt geleuchtet und bei der Schwarz/weiß-Umwandlung habe ich mich sehr darüber gefreut, wie gut das noch funktioniert.





Also ihr habt das tatsächlich schon so bunt am Set geleuchtet? Ihr arbeitet ja auch teilweise mit sehr krassem Mischlicht.



J: Ja, wir hatten geplant, die Farbe vor Ort zu machen, eigentlich ziemlich old-school heutzutage. Ich hatte immer etwas Angst, dass es zu extrem wird, und später kannst du es nicht mehr ändern.



X: Ja, das haben wir beim Kurzfilm gemerkt, dass es nicht so hinhaut, nachher groß etwas zu verändern, man muß das gleich so leuchten... Jieun hat sehr mutig und geil geleuchtet, aber wir hatten auch einen sehr coolen Grader, Phillip.



Hattet ihr vorher technische Tests gemacht, wie weit ihr gehen könnt, wieviel Spielraum es gibt?



J: Kaum, aber wir haben uns mit dem Coloristen Phillip im Vorfeld getroffen, ihm erzählt was wir vorhaben, dass wir es relativ extrem machen wollen, und basierend auf dem Kurzfilm haben wir eine LUT erstellt und damit ein paar Sachen ausprobiert.



Zur Vorschau beim Dreh hatten wir LUTs, die das Licht eher diffus darstellten, nicht so klar konturiert. Wir hatten uns eigentlich auch Nebel gewünscht, was am Set aber nicht möglich gewesen wäre.



Wir haben alles mit LED gemacht, auch die Practicals mit LED bestückt, damit man überall schnell die Farbe ändern konnte, um Xavers Vision zusammen umzusetzen.


Set-Foto O Beautful Night, (c) Marius Land
Set-Foto O Beautful Night, (c) Marius Land


Du hast die Lichter verteilt und eingerichtet und dann habt ihr die Farben zusammen ausgesucht?



J: Ja, oder ich habe Vorschläge gemacht. Aber es war eben wichtig, dass man alles über Tablet fernbedienen konnte. Welches Pink, welchen Rotton etc



Sie sind ja auch sehr unterschiedlich bunt, die Szenen.



X: Ja. Wir hatten vorher ein Farbkonzept für jede Szene entwickelt, überlegt welche Farben passen könnten, um dramaturgisch, stimmungsmäßig, abwechslungsreich durch den Film zu kommen, sodass es sich nicht zu sehr wiederholt oder langweilig wird, und auch ein bißchen zum Ort paßt.



Die meisten Leute haben den Unterschied zwischen dem vor-gegradeten und dem fertig-gegradeten Material gar nicht gesehen. Nur wenn man dabei war, hat man gesehen, wie viel da eigentlich passiert ist. Aber vom Gefühl her war es meistens schon recht nah dran. Nur eine Szene mussten wir beim Grading in eine ganz andere Richtung schrauben, weil wir unter Zeitnot die falsche Entscheidung getroffen hatten; das Bild war viel zu bunt, aber wir konnten alle Farben bis auf eine rausdrehen.



Was wir aber im Grading viel gemacht haben, war die Gesichter zu holen. Die waren oft nicht so gut zu sehen, daher haben wir sie mit getrackten Masken aufgehellt – teilweise sogar einzelne Augenpartien, um die Stimmung im Bild nicht kaputt zu machen.



Ihr wolltet, dass die Augen deutlich werden?



X: Ja, damit die Emotion nicht verloren geht.





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