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Quicktime 6 und der MPEG-4 Lizenzstreit

Eigentlich sollte es nur eine kleine Newsmeldung zur Vorstellung von QuickTime 6 und QuickTime Broadcaster werden, aber um den Hintergrund des schwelenden Lizenzstreits um MPEG-4 darzustellen, schien uns doch ein ganzer Artikel notwendig - schliesslich geht es um die Zukunft von MPEG-4 :-)

Nach dem erst kürzlich verkündeten Erfolg von Quicktime (2001: 80 Millionen Player Downloads verglichen mit 75 Millionen Downloads des Realplayers) hat Apple auf der QuickTime Live Conference heute u.a. das neue Quicktime 6 vorgestellt. Folgende Features sind enthalten: mittels eines Apple-eigenen MPEG-4-Codecs kann ISO-konformes MPEG-4 abgespielt und enkodiert werden (im Gegensatz zu Microsofts nicht-standardisierter inkompatibler MPEG-4 Implementierung). Ausserdem: QT 6 kann Flash5-Filme, DVC Pro (PAL) und AAC-Sound sowie MPEG-2 Videos abspielen (das wäre endlich die Lösung für das leidige Problem, dass unter Windows-Systemen kein MPEG-2 Player integriert mitgeliefert wird - der Windows Mediaplayer kann misslicherweise MPEG-2 Files ohne externen Codec nicht abspielen). Für´s Streaming verspricht Apple eine Verbesserung beim Vermeiden von Aussetzern während des Streamens.



Vorgestellt hat Apple ausserdem eine neue Version (4) des QT kostenlosen Streaming-Servers, die ab sofort downloadbar ist und MPEG-4/MP3-Streaming unterstützt, sowie den sog. QT Broadcaster (siehe nächste Newsmeldung). Der QuickTime Broadcaster soll auch kostenlos sein und es ermöglichen, DV Videos/Streams in Echtzeit nach MPEG-4 oder einem anderen Quicktime inhärenten Format zu kodieren. Zusammen mit Apples (freien) Quicktimeplayer und dem QT-Streamingserver entsteht dadurch eine kostenlose systemübergreifende (PC/MAC) Gesamtlösung um z.B. live Videos von Veranstaltungen zu enkodieren, ins Netz zu streamen und abzuspielen, was zugleich die erste umfassende MPEG-4 Lösung auf dem Markt wäre. Aufgrund der standardisierten Natur von MPEG-4 wird es natürlich auch möglich sein, mit jedem beliebigen anderen MPEG-4 fähigen Player (wie z.B. dem Realplayer mit dem MPEG-4 Plugin von Envivo) von QuickTime Broadcaster enkodiertes MPEG-4 oder von einem QuickTime Server gestreamtes MPEG-4 abzuspielen. Das ist ja gerade die Verheißung von MPEG-4 als Standard, der von verschiedensten Herstellern implementiert werden kann: nie wieder für drei verschiedene Streamingformate (Real, QT, WMV) enkodieren zu müssen, bzw sich alle Player installieren zu müssen, um sich die mit dem jeweiligen Codec erzeugten Inhalte ansehen zu können. Abgesehen davon sind die Versprechen eines universalen objektorientierten Streamingformates, das Video, Audio, Text und Bilder umfasst und grundlegend interaktiv ist, ja auch ganz verführerisch...:)



Leider kann Quicktime 6 und der QT Broadcaster noch nicht ausgeliefert werden, weil Apple die MPEG-4 Lizenzbedingungnen der MPEG-LA (der größten Gruppe von MPEG-4 Patenteignern) für unannehmbar hält: Gefordert wird eine Lizenzgebühr für jeden MPEG-4 Codec, der mit dem neuen Quicktime 6 Player ausgeliefert wird (die Apple zu zahlen bereit ist) und eine Gebühr von Content-Anbietern, die MPEG-4 benutzen. Apple hält diese letzte Forderung schädlich für die Verbreitung von MPEG-4 und ist der Ansicht, dass MPEG-4 nicht erfolgreich sein wird, wenn für alle angebotenen MPEG-4 Inhalte Gebühren gezahlt werden müssen. Deswegen wird Apple Quicktime 6 und den QuickTime Broadcaster erst ausliefern, wenn diese Lizenzbedinungen geändert werden und kostenloses Anbieten von MPEG-4 Inhalten ermöglicht wird.



Der Hintergund: nachdem die MPEG LA (die die Interessen verschiedener MPEG-4 Patenthalter bündelt und vertritt) am 31.Januar die MPEG-4 Lizenzbedinungen verkündet hatte ( http://www.mpegla.com/news_release31Jan2002.html ), war die Kritik von Inhalteanbietern und Softwareherstellern sofort aufgeflammt. Zwar ist die Lizenzgebühr für den MPEG-4 Decoder niedriger als bei MPEG-2 (25 US-Cents pro Player oder Encoder, bei einer Höchstgrenze von 1 Million US-Dollar pro Jahr), aber die sogenannte "Nutzungsgebühr", abhängig von der Dauer des MPEG-4 Streams, gibt es bei MPEG-2 nicht. Diese Gebühr soll 2 US-Cent pro Stunde MPEG-4 Video betragen, egal ob in Forms eines Streams, Downloads oder einer DVD/CD. Zwar würde für Lizenznehmer das erste Jahr und alle vorhergehenden kostenlos sein, praktisch aber würde das eine Art von Pay-per-Serve für Online-Anbieter von MPEG-4 Videoinhalten bedeuten, und wahrscheinlich nicht ohne Pay-per-View Gebühren für User zu finanzieren sein (gewisse Inhalte sollen zwar von dieser Gebühr ausgenommen sein, aber es ist noch unklar, welche das genau sein werden. Es scheint das Prinzip zu gelten, dass gezahlt werden muss, sobald ein Einkommen z.B. durch Werbeeinblendungen, Banner oder ähnliches, erzeugt wird).



Die Inhalteanbieter kritisieren diese Gebühr als nicht finanzierbar. Ausserdem steht die Ungleichbehandlung von MPEG-4 Inhalten je nach Trägermedium in der Kritik: befinden sich Videos auf CD/DVD, werden, egal wie oft genutzt, "nur" einmalig 2 Cent pro Stunde Material an Gebühren fällig - werden Streaminginhalte dagegen öfter abgerufen, erhöht sich die Gesamt-Gebühr mit jedem (wiederholten) Abruf. Auch das zu implementierende Kontrollsystem, das in jeden Server bzw. Player integriert werden müsste, um die Stunden und Cents zu zählen die fällig werden, macht dieses Lizenzierungsmodell für die Inhalteanbieter nicht sehr sympathisch. Mit dem Schritt, QuickTime 6 erst auszuliefern, wenn die Lizenzierungsbedingungen geändert werden, macht Apple sich jetzt zum öffentlichkeitswirksamsten Unterstützer der Gegner einer Nutzungsgebühr.



Auch wir können uns schwer vorstellen, wie MPEG-4 sich gegenüber Microsoft´s Window Media bzw. Corona behaupten will, wenn die MPEG-4 Lizenzbedingungen wesentlich ungünstiger als die von Microsoft sind. MPEG-4 muss ja erst noch Verbreitung finden, im Gegensatz zu Windows Media, aber wie soll sich eine teurere Lösung durchsetzen? Sollten die Patenteigentümer die Nutzungsgebühr nicht steichen, schaut die Zukunft für MPEG-4 düster aus und Apple muss QuickTime 6 ohne MPEG-4 Unterstützung verspätet ausliefern. Da jedoch jede weitere Verzögerung des MPEG-4 Starts im Endeffekt auch den Patenteignern schadet, bleibt zu hoffen, dass Apple als (markt-)mächtigster Befürworter von MPEG-4 den Verzicht auf die Nutzungsgebühr erreichen kann.





Danke an Marco Neumann, der uns auf die ganze Sache aufmerksam gemacht hat :-)


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