Im zweiten Teil unseres Gesprächs mit Götz Holborn geht es um die Beleuchtungspraxis: Welche Fragen muß man sich beim Ausleuchten einer Szene stellen – zum Beispiel: was schreibt die Logik des Lichts vor? Und ist es wirklich schwieriger, für Video zu leuchten, wie es manchmal behauptet wird? (Hier geht es zurück zum ersten Teil – Professionell am Set)
// Wie würdest du definieren, was gut gemachtes Licht bedeutet?
Das ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Letztendlich ist die Vorgabe das Drehbuch, was passiert da am Motiv, wie ist die Stimmung...
// Ok, anders gefragt: in der Praxis, wie geht man an das Lichtsetzen heran?
Sagen wir mal, man leuchtet eine Wohnung aus und will Licht-unabhängig sein, da behauptet man in der Regel eine Haupt-Lichtrichtung – das ist bei Tag vor allem die Sonne. Da nutzt man das Außenlicht, das durch die Fenster reinkommt, und stellt draußen noch Lampen hin in einem gewissen Winkel, um die Lichtrichtung zu definieren. Wenn es ein bewölkter Tag ist, dann stellt man noch Rahmen / Butterflys davor, die das Licht ganz weich machen.
Du orientierst dich in dem Fall an der Architektur, die ja die Lichtrichtung vorgibt, durch die Fenster. Dieses Grundlicht mußt du natürlich noch ein bißchen umformen. Wenn eine Person seitlich zu dem Fenster steht, bekommt sie das Hauptlicht von der einen Seite, während die andere dunkel bleibt. Das ist für das Auge nicht so ein Problem, aber Filmmaterial hat nicht so einen Dynamikumfang und kann das vom Kontrast nicht gut wiedergeben, sodaß man da mit einem anderen Licht aufhellen muß. Hier gilt es aber aufzupassen, denn es wäre merkwürdig, wenn das heller wäre als das Hauptlicht. Das würde sofort unnatürlich wirken, oder man müßte annehmen, daß hier ein Riesenfenster ist, wo ganz viel Licht reinkommt, was vom Zimmeraufbau unlogisch wäre.
Licht hat ja auch eine Logik, die davon abhängig ist, was man in den Bildern sieht. Wenn man Fenster sieht, sind die vorgegeben – wenn es dagegen ein geschlossener Raum ist, kann man natürlich alles behaupten. Man muß das dann aber im Kopf behalten, daß man irgendwann etwas behauptet hat als Hauptlichtrichtung, und sich daran orientieren.
// Man muß sich also an die interne Logik halten und für eine Szene so etwas wie ein Regelwerk aufsetzen.
Genau, mit dem behaupteten Hauptlicht mußt du dann immer arbeiten, was aber nicht ausschließt, daß man mit bestimmten Lampen trotzdem noch bestimmte Effekte macht, eine Aufhellung, oder ein Augenlicht. Außer, man will dramaturgisch ganz extreme Lichteffekte haben, daß die Helligkeit ganz extrem abfällt, das gibts natürlich auch, ist aber sehr speziell.
// Also muß man sich zwei Fragen stellen: was verlangt die Geschichte und was verlangt der Ort.
Außerdem muß man im Blick haben, daß man ja eine ganze Szene an einem Ort dreht, und die besteht aus ganz vielen Einstellungen in verschiedene Richtungen -- wie ist das denn lichttechnisch überhaupt zu bauen? Man sollte sich ja kein tolles Lichtkonzept ausdenken und dann nach 2/3 feststellen: Moment, wir können ja gar nicht in die Gegenrichtung gucken, weil da steht ein Stativ im Bild. Es müssen also alle Kamerablickrichtungen zu bedienen sein. Dafür ist es dann auch mal nötig, das Licht an die Decke zu hängen, anstatt auf ein Stativ zu geben. Man muß den ganzen Ablauf einer Szene im Blick haben.
// Kann man da nicht zwischen den Takes etwas umbaun?
Doch, aber manche Lampen oder Richtungen muß man ja halten. Du kannst ja nicht dein ganzes Licht umbaun, bloß weil die Kamera jetzt in eine bestimmte Richtung guckt. Die Hauptlichtrichtung kannst du dann eigentlich nicht verändern. An der mußt du dich orientieren.
Ich habe ja vor einem Jahr den Daniel Levy-Film gedreht, da gab es einen ganz großen Raum, Hitlers Büro, ein Saal mit riesigen Fenstern an der Seite. Da war klar, das Hauptlicht kommt von diesen Fenstern, und jedes Fenster bekommt zwei richtig große Lampen von außen, sodaß wir lichtunabhängig drehen konnten. Es war aber auch klar, daß die Kamera sich frei im Raum bewegen und auch teilweise rausschauen sollte. Da konnte man also kein Stativ hinstellen vor die Fenster, sondern es wurde ein riesiges Gerüst vor die Wand gebaut, um die Fenster herum, und die Lampen dann von oben vor die Fenster gehängt.

// Kam das Licht dann nicht zu stark von oben?
Nein, das hat gut funktioniert. Es gab immer zwei Lampen, eine, die in die Raumtiefe geleuchtet hat, und eine etwas kleinere aber immer noch sehr große, die in den Fensterbereich geleuchtet hat. So hatte man den Eindruck, daß es gleichmäßig war. Außerdem waren da auch noch Vorhänge, die das Licht schön diffundiert haben.
// Und die Kamera konnte sich so frei im Raum bewegen.
Ja, aber natürlich mußte man dann trotzdem auch Licht dagegensetzen, um bestimmte Gesichter oder Positionen aufzuhellen. Da nimmt man dann relative weiche Lampen, damit man nicht sieht, daß da eine Lampe steht. Große Softboxes etwa, die eine große abstrahlende Fläche haben, je größer, um so weicher die Schatten. Je nach Achse ist das fast schattenfrei.
Das versendet sich...
// Könnte man sagen, daß diffuses Licht die Rettung ist, wenn man ein bewegliches Motiv leuchten muß? Denn das dürfte doch mitunter recht schwer sein, wenn es viel Bewegung im Motiv gibt, das ausgewogen zu beleuchten.
Also das extremste, was es da gibt, ist eigentlich eine Kamerafahrt, wenn sich die Blickrichtung der Kamera verändert. Das allerschwierigste ist natürlich eine Kreisfahrt -- ein Darsteller steht in der Mitte des Raums und drumherum ist eine Schiene gelegt in 360 Grad, und die Kamera fährt immer und immer wieder im Kreis um ihn herum. Da darf logischerweise nie eine Lampe im Bild sein, und trotzdem mußt du das ja leuchten. Da hast du nur eine Chance, wenn du das Licht von oben baust, daß die Kamera immer unter den Scheinwerfern durchschaut, wobei du trotzdem eine natürliche Lichtführung haben mußt, und die Aufhellung. Letztere muß dann leider mitlaufen mit der Kamera. Das muß man so geschickt hinbekommen, daß man keine Lichtveränderung wahrnimmt, und es muß glaubhaft sein.
// Eine ganz schöne Herausforderung...
Da muß man aber auch letztendlich pragmatisch sein, und sich fragen: was sieht denn der Laie überhaupt noch, und was ist nur noch Kameratechnik-Gefutzel. Das heißt dann immer so schön: Das versendet sich. Das mag zwar nicht technisch völlig perfekt sein, aber das perfekt zu lösen steht in keinem Verhältnis zu der Zeit, die man hat, und dem Aufwand, den man betreiben müßte. Da nimmt man das eben billigend in Kauf.
// Was wären Fehler, die man auf keinen Fall machen darf, die sich nicht „versenden“?
Da gibt es zum Beispiel Schatten in Gesichtern, die sehr unschön sein können, die sich aus der Lichtrichtung auch nicht wirklich erklären. Manchmal ist auch einfach zu wenig ausgeleuchtet, wo dann Sachen absaufen und nur noch ein Rauschen fabrizieren. Das ist ja auch manchmal ein Problem: wenn man an einer Stelle kein Licht setzt, ist das dann nicht einfach schwarz, sondern kann sehr störend sein. Wenn ein Gesicht in einer Hälfte schwarz ausläuft und dann im Schwarz landet, das ist nicht so toll.
// Aber das kann doch sehr reizvoll aussehen?
Würde aber noch schöner aussehen, wenn das Gesicht sehr, sehr dunkel wird, aber noch nicht ganz schwarz, und sich dann leicht in der Kontur von einem wirklich schwarzen Hintergrund trennt. Oder es läuft ganz schwarz aus, aber der Hintergrund ist eben nicht schwarz, sondern dunkel-dunkelgrau. Da geht es ja manchmal um diffizilste Zwischentöne, wo man viel Erfahrung haben muß, wenn man nicht gerade digital arbeitet, wo man das ja gleich überprüfen kann. Filmmaterial wird ja unterschiedlich belichtet, je nach Lichtmenge natürlich, aber auch abhängig davon, wo die Lichtmenge auftrifft -- ist das eine weiße Wand, eine schwarze Wand, ein dunkles Braun? Ist das eine Fläche die reflektiert, kann man da noch was mit Reflexen herausarbeiten in der Unschärfe...
// Das ist dann das, was im Endeffekt den Unterschied ausmacht -- wenn man hier die Kontrolle hat, bekommt man ein richtig gutes Bild hin.
Ja, zudem gibt es im Bild ja auch ein Licht-Gleichgewicht. Mit Film läßt sich ein gewisser Kontrastumfang darstellen, und den sollte man auch bedienen, sowohl in den Weißtönen als auch in den Schwarztönen. Das ist ja nicht schön, wenn du in manchen Gesichtsteilen einen Totalreflex hast, der vollkommen weiß ist, außer du drehst irgendwelche Kunstfilme. Und das schwarz sollte schwarz sein, und nicht rauschen.

Film und Video – der Kontrast...
// Apropos Film und Kontrast – man hört ja ab und zu von Kameraleuten, daß es ja viel schwieriger sei, für Video zu leuchten, aufgrund des geringeren Kontrastumfangs. Wie siehst Du das?
Korn hat natürlich einen größeren Dynamikumfang. Wenn du bei Video eine weiße Fläche hast, mußt du aufpassen, daß du die nicht überlechtest, denn dann verliert sie jede Bildinformation. Im Korn hast du dann eher noch eine Information drin. Bei Video hast du natürlich den Vorteil, wenn du einen guten, kalibrierten Monitor am Set hast, daß du das eins zu eins überprüfen kannst. Die Schwierigkeiten die auftreten, kannst du auch besser kontrollieren. Bei Film hast du heutzutage an der Kamera zwar auch eine Videoausspielung, aber die sagt nichts über die technische Qualität des Bildes aus, das ist mehr für den Regisseur um die darstellerischen Leistungen zu prüfen, oder die Kameraführung.
Bei Video ist das schon anders, und über ein Histogramm kannst du schnell erfassen, ob es Bereiche gibt, die total ins Weiße wegbrechen, sodaß man am Licht etwas zurücknehmen muß.
// Hier darf man sich also noch weniger auf das Auge verlassen.
Das kommt auch ein bißchen auf die Erfahrung des Kameramanns oder des Beleuchters an.
Von meiner Erfahrung mit Video her ist die Lichttechnik im groben die gleiche, wie bei einem Filmdreh, also dieselben Lampen, dieselbe Art der Lichtformung mit Reflektoren, Abdeckfahnen und so, höchstens vom Lichtgleichgewicht ist das anders, das man in der Relation anders arbeitet.
// Ein anderes Merkmal von Video ist die sehr große und meist unerwünschte Schärfentiefe. Wie läßt sich Licht unter diesem Gesichtspunkt als gestalterisches Hilfsmittel einsetzen?
Da muß man versuchen, das über das Licht-Gleichgewicht zu regeln, bei einem Interview zum Beispiel die Person gut ausleuchten, und den Hintergrund dunkler machen, damit die Person sich davon abhebt, sodaß man da eine Stufung erreicht. Aber das ist natürlich immer ein großes Problem mit der Schärfentiefe, die fehlende Gestaltungmöglichkeit der Unschärfe bei Video. Daher versuchen ja Kameramänner möglichst immer mit diesem 35mm-Vorsatz zu drehen.
// Wäre das nicht mal eine schöne Herausforderung, zu sagen: wir drehen jetzt Video, ohne Adapter, aber machen so eine ausgefuchste Lichtsetzung, und modulieren unsere Schatten so, daß wir so eine gewisse Bildtiefe herstellen oder simulieren können?
Das ist doch aber eigentlich ein grundsätzliches, filmisches Prinzip, daß man schon immer bestrebt ist, gewisse hervorzuhebende Dinge im Bild zu unterstützen durch ein Freistellen, entweder über die Schärfentiefe, Vordergrund scharf / Hintergrund unscharf oder umgekehrt, oder ein Lichtungleichgewicht. Das kann ja beides gut aussehen, und ist Teil des visuellen Konzepts. Da geht es darüberhinaus auch darum, welche Farbe haben Wände am Set zum Beispiel, oder wie sehen die Kostüme aus und so.
Manchmal sind einem da auch die Hände gebunden, wenn es Figuren gibt, die aus irgendeinem Grund immer schwarz tragen müssen, weil sie in Trauer sind, oder -- um ein extremes Beispiel zu nennen -- bei Gothics, die sich dann auch noch in einem schwarzen Motiv bewegen. Da mußt du dann über das Setzen von Konturen und Kanten versuchen, daß die Figuren sich vom Hintergrund trennen. Daß die schwarze Kleidung von schräg hinten so viel Licht bekommt, daß sie sich vom schwarzen Hintergrund trennt, oder daß der Hintergrund an der Stelle mit einem kleinen Licht-Kicker aufgehellt wird, damit sich das differenziert. Das kann natürlich auch über Requisiten passieren, etwa eine Prop-Lampe, die im Bild steht und ein bißchen Licht wirft.
Man muß sich ja auch darüber im Klaren sein, zumindest wenn man auf Film dreht: Ist das in der Einstellung eigentlich scharf im Hintergrund? Weil das, was für das Auge am Drehort zu viel aussieht, ist auf dem Film nachher oft etwas reduzierter, man muß also immer ein bißchen übertreiben.

Das gebeugte Licht
// Video hat ja schon einen sehr eigenen Look, verglichen mit Film – die große Schärfentiefe und der geringe Kontrastumfang machen es einem wie gesagt nicht gerade leicht, ein schönes, interessantes Bild hinzubekommen. Bei dem engen Spielraum denkt sicher so mancher, das lohnt sich gar nicht, überhaupt anzufangen mit Licht, solange ich was erkennen kann, reicht mir das...
Also ich denke, wenn man nicht rein dokumentarisch dreht, macht es für die Bildqualität immer Sinn, Licht zu setzen, weil du dadurch eine gewisse Kontrolle hast, und bestimmte Dinge heller oder dunker machen kannst. Das Bild ist dann nicht der vorhandenen Situation ausgeliefert, sondern du kannst darauf Einfluss nehmen.
Oder andersrum, wenn du weißt, du hast diese Möglichkeiten nicht, weil vielleicht die Mittel nicht zur Verfügung stehen für Lichttechnik und Beleuchter, dann mußt du dein Motiv danach aussuchen. Da ist man dann eben sehr abhängig von dem gegebenen Licht, und um so wichtiger ist es, jedes Motiv vorher zu besichtigen. Du mußt wissen, was dich dort erwartet, ob das vorhandene Licht ausreicht. Bei Film würde man einen Lichtmesser mitnehmen, bei Video nimmt man einfach die Kamera mit und macht ein paar Probeaufzeichnungen, um zu sehen, was die Kamera sieht. Und darauf kann man reagieren, etwas zum Aufhellen mitnehmen, einen Reflektor zum Beispiel.
Man sollte überhaupt immer etwas dabei haben um Licht zu formen, Basics, die immer Sinn machen -- ein Rahmen, der Licht weniger macht, oder weicher, oder ein Reflektor, der Licht umlenkt. Es geht ja bei Licht auch ganz oft darum, daß man das vorhandene Licht nutzt, und es z.B. über einen Reflektor umleitet, damit ein Gesicht auf der einen Seite eine Aufhellung bekommt. Wir nennen das dann "das gebeugte Licht".
// Gibt es eigentlich einen Trick, wenn man mit Reflektoren arbeitet, oder auch mit Lampen, daß man die Schauspieler nicht zu sehr blendet dabei?
Das ist tatsächlich manchmal ein Problem. Es ist aber auch unterschiedlich, wie Menschen darauf reagieren. Beim Theater ist es ja auch so, daß die Schauspieler auf der Bühne voll im Licht stehen, was man unter normalen Bedingungen als sehr störend empfinden würde. Aber das ist leider so, daß sie das aushalten müssen, das gehört zum Job. Es kommt aber schon gelegentlich zu Konflikten. Ein Kameramann läßt das Licht aufbauen, und der Schauspielerin ist das zu hell -- da muß man dann einen Kompromiß finden, und das entspricht dann oft nicht mehr genau dem, was der Kameramann sich vom Bild und Lichtkonzept her vorgestellt hatte. Aber man muß ja auch sagen, daß es kein Sinn macht, auf eine Lichtsituation zu bestehen, wenn die Schauspieler darin nicht gut spielen können, weil sie die Augen zusammenkneifen.
// Das hängt ja auch sehr davon ab, genau aus welcher Richtung das Licht kommt, wie sehr es blendet.
Ja, wobei man bei Film, anders vielleicht als bei der Fotografie, eher vermeiden möchte, daß das Licht aus der Kameraachse kommt, denn das sieht sehr flach und langweilig aus. Man ist eher bestrebt, das Licht kantig, so im 90-grad-Winkel, oder spitz, von schräg oben oder hinten kommen zu lassen, das ist meist stimmungsvoller.
// Man läßt das Hauptlicht von hinten auf die Schaupieler kommen?
Ja, das kann oft so sein, das man leicht gegenlichtig arbeitet, mit Konturen. Man braucht dabei natürlich eine Aufhellung von vorne, aber die ist dann nicht so stark wie das Gegenlicht.
// Da muß man bei Video aber höllisch aufpassen...
Stimmt, da wäre der Beleuchtungskontrast zu stark.
Um zum Hauptlicht zurückzukommen: da geht es in der Regel mehr um das Motiv, und nicht um die Person. Die Personen kriegen dann immer noch einzeln Licht -- gebeugtes Licht vom Hauptlicht über einen Reflektor, oder mit einer zusätzlichen Lampe.
// Sind die Personen nicht meist das wichtigste in einem Motiv, sodaß sich das Hauptlicht nach ihnen richten sollte?
Das kann man so nicht sagen, es ist ja auch davon abhängig: was passiert denn in der Szene? Wenn eine Person durch einen Flur läuft, dann kann es ja sein, daß sie teilweise sehr wenig Licht bekommt, das würde auf einem Einzelfoto komisch aussehen, aber in dem Verlauf einer Szene kann das sehr wohl funktionieren.
// Hauptsache der Anfang und/oder das Ende stimmt?
Genau, wenn die Person dann im Endbild vor der Kamera zum Stehen kommt, um etwas zu sagen, macht es natürlich wenig Sinn, wenn sie im Dunklen steht, da braucht sie Licht. Aber trotzdem kann sie ja im Flur durch absolut schwarze Teile gehen. Das muß man in der Gesamtheit sehen.
// Das würde wahrscheinlich sogar seltsam aussehen, wenn die Lichtsituation überall gleich perfekt wäre, weil es dem natürlichen Sehen widerspricht.
Ja, das ist auch mein Problem mit einigen Hollywood-Filmen -- die sind einfach so perfekt geleuchtet, daß es langweilig aussieht. Da paßt einfach immer alles.
// Oder wenn es nicht paßt, dann ist es immer gleich hoch dramatisch...
... sodaß es ganz betont nicht paßt...
Ich meine, was nützt es einem denn, wenn ein Film perfekt geleuchtet aber total langweilig ist? Licht für sich genommen ist überhaupt kein Kriterium für die Qualität eines Films.
// Nenn doch mal einen Film, denn Du lichttechnisch besonders interessant findest?
Seven -- um ein eher neues Beispiel zu nennen[1995 / R: David Fincher -- IMDB-Info]. Den fand ich sehr gut geleuchtet, aber auch extrem aufwändig gemacht. Das war immer sehr, sehr weiches und zugleich aber kontrastreiches Licht.

// Weich und kontrastreich -- schließt sich das nicht aus?
Nein. Es sind insgesamt einfach sehr dunkle Bilder, was dem Film mit seiner düsteren Geschichte ja sehr zuträglich ist, die aber ganz weich geleuchtet sind. Der Kontrast liegt zwischen Vorder- und Hintergrund. Das ist aufwändig zu bauen, weil man sehr große reflektierende Flächen braucht, die man aber wiederum ganz stark begrenzen muß mit riesigen Abdeckfahnen, um das Licht zu kontrollieren. Das ist aufwändig aber das Ergebnis ist auch sehr eindrucksvoll.
// Vermutlich siehst Du als Beleuchter sowieso nicht nur Filme ganz anders, sondern hast auch einen anderen Blick auf die Umwelt, auf alles um uns herum.
Man muß als Beleuchter schon eine gewisse Sensibilität gegenüber Licht entwickeln. Wenn man sich durch die Welt bewegt, gibt es ja immer wieder bestimmte Effekte, die mit Licht zu tun haben, die Natur-gegeben sind, oder meinetwegen Stadt-gegeben. Die kann man sich dann merken und überlegen, wie man diesen Effekt nachbauen kann. Für einen Wasserreflex etwa, dafür braucht man eine Lampe, die man auf Wasser richtet, aber das reicht nicht, weil wenn ich eine Glasschale mit Wasser nehme, dann passiert nicht viel, man muß eine schwarze Schale nehmen, damit das Licht nur von der Wasseroberfläche reflektiert wird. Und noch besser ist es, wenn man nicht nur eine Wasseroberfläche nimmt, sondern wenn man in die flache, schwarze Schale mit dem Wasser noch Spiegelscherben reinlegt, weil die reflektieren das Licht noch mal besonders zurück.
Das, was das Auge sieht, ist wie gesagt für den Film noch nicht visuell stark genug, man muß das eben noch verstärken...