Interviews Kino lebt davon, daß es Kino ist / Teil 1

Kino lebt davon, daß es Kino ist / Teil 1

In letzter Zeit ging es hier öfters mal ums Kino, um die Frage, ob es schon tot ist, oder falls nicht, ob es noch eine Zukunft hat. Dabei werden solche Diskussionen jedoch meist aus der Sicht mehr oder weniger kundiger Experten oder des Publikums geführt: "Ich gehe /nicht mehr/ ins Kino, weil ..." -- klar, wer hat schon ein Kino?Andrea Stosiek zum Beispiel. Warum man in kleinen, netten Kinos nach Möglichkeit immer auch etwas Popcorn kaufen sollte, oder weshalb die Verleihe es kaum erwarten können, voll auf digital umzustellen, das erfahrt Ihr in diesem ersten Teil des Interviews mit ihr.

// 14:03 Fr, 23. Mär 2007von

In letzter Zeit ging es öfters mal ums Kino hier auf slashCAM, um die Frage, ob es schon tot ist, oder falls nicht, ob es noch eine Zukunft hat. Dabei werden solche Diskussionen jedoch meist aus der Sicht mehr oder weniger kundiger Experten oder des Publikums geführt: "Ich gehe /nicht mehr/ ins Kino, weil ..." -- klar, wer hat schon ein Kino?


Wir haben uns gefragt, wie sich wohl die Thematik aus der anderen Perspektive darstellt und haben daher ein längeres Gespräch mit Andrea Stosiek geführt, der Betreiberin des Freiluftkinos Insel hier in Berlin. Ob es womöglich am lauen Winter lag, daß wir uns ausgerechnet mit ihr unterhielten, dies sei dahingestellt, jedenfalls war es höchst aufschlußreich. Warum man zum Beispiel in kleinen, netten Kinos nach Möglichkeit immer auch etwas Popcorn kaufen sollte, oder weshalb die Verleihe es kaum erwarten können, voll auf digital umzustellen, das erfahrt Ihr in diesem ersten Teil des Interviews.


(Jetzt auch online: Teil 2 )



// Ganz kurz vorab: Du betreibst das Freiluftkino Insel in Berlin. Wie bist Du dazu gekommen?



BildIch bin eigentlich per Zufall zum Kino gekommen, als ich vor sechs Jahren anfing, auf der Insel der Jugend hier in Berlin zu arbeiten. Da gab es auch ein Kino unten im Keller, was mich sehr begeistert hat, aber das lief überhaupt nicht, vor allem seit das Multiplex am Treptower Park aufgemacht hatte. Nur für Kinderfilme am Wochenende ging das. Irgendwann hat dann der Verantwortliche aufgehört, und das Kino im Keller wurde aufgelöst. Aber ich wollte immer was mit dem Kino machen, und habe dann mit dem Freiluftkino auf der Insel angefangen.



// Ohne irgendeine Erfahrung zu haben?



Ja, Henning hat mir drei Ordner hingestellt und hat gesagt: das mußt du beachten, z.B. die Rechtsvorschriften für die Kinowerbung... so nach dem Motto: mach mal.. Es gab natürlich noch einen Kollegen, der sich um die Technik gekümmert hat, und ich habe dann eben die Programmzusammenstellung gemacht, Organisation und Personal und so.


Kinobetreiber sind aber alle mehr oder weniger Autodidakten, das ist ja kein Ausbildungsberuf, auch wenn es im Osten den technischen Beruf Filmvorführer gab. Mittlerweile gibt es aber die Möglichkeit, sich als Filmtheater-Kauffrau zu qualifizieren. Das wird von der Filmförderanstalt unterstützt. Da lernt man so Sachen wie Recht, Betriebssicherheit, Filmmarketing und -wirtschaft.



Kino lebt davon, daß es Kino ist / Teil 1 : tickets




Der Eintrittspreis... was übrig bleibt

// Da wären wir auch schon beim Thema: Warum ist es heute so teuer, ins Kino zu gehen? Wie muß man als Kinobetreiberin kalkulieren?



Wenn man von einem Film ausgeht bei Neustart, dann gehen zunächst mal bis zu 48,5 - 53% vom Kartenumsatz an den Filmverleih. Also von 5 Euro, die du nach Abzug der Steuer gemacht hast, kannst du etwa 2,50 behalten. Davon zahlst du dann Versicherung, Pacht, Personal, Werbung, Filmtransport und ähnliches.



// Den Transport trägt nicht der Verleih?



Nur die eine Strecke. Und der Verleih behält ja wiederum die 48% nicht, der gibt wieder an die Produzenten ab, nämlich ungefähr 40%. Der muß ja die Produktionskosten wieder reinholen. Bis ein Film sich für Produzent und Verleiher rechnet, muß der so an die 300.000 Zuschauer gemacht haben. Das ist nicht leicht in Deutschland. Letztes Jahr waren es ungefähr 124 Mio. Kinobesuche gesamt, und das war ein gutes Jahr. Der Durchschnittsberliner beispielsweise ging 2006 etwa 2,8 mal ins Kino pro Jahr -- auf dem Land ist der Schnitt natürlich noch kleiner, 1,8 mal.



Kino wird ja im Gegensatz zu Theater überhaupt nicht subventioniert, bis auf die 7% Kultursteuer, statt den vollen 19%. Es gibt aber auch Kinos, die müssen keine Miete zahlen. Zum Beispiel Multiplexe, die in Einkaufszentren liegen, argumentieren gerne, daß ihre Besucher ja an den Auslagen vorbei gehen und in den Geschäften einkaufen, warum sollten sie dann Miete zahlen. Das ist eine beliebte Strategie, die für kleine Kinos aber nicht funktioniert, die krebsen halt.





// Was sind denn noch alles für Kosten im Eintrittspreis enthalten?



Da wäre noch der Filmabgabe von 2,2%, ein Beitrag zur Filmförderung, was ja prinzipiell eine schöne Idee ist, gegen den sich allerdings die Kinobetreiber sehr wehren, weil Fernsehsender sowas nicht zahlen, auch Videotheken soweit ich weiß nicht. Nur die Kinos müssen das abgeben, wenn sie über 75.000 Euro im Jahr Umsatz machen.


Dann bezahlst du die Gema, das ist ca. 1% vom Nettokartenumsatz. Die Werbung für den Film bezahlst du auch, also wenn du Filmtrailer zeigen, oder Plakate und Stills im Foyer aufhängen willst. Und dann eben noch den Rücktransport, ca 20 Euro pro Kopie.



// Und da kommt man als kleines Kino über die Runden?



Das kommt eben auf den Film an... Gut besucht ist im Kinobereich immer relativ. Zufrieden ist man bei einer Auslastung von 30%.


Die wichtigste Einnahme ist eigentlich nicht, was die Kinogänger für die Tickets bezahlen, sondern was sie nebenher konsumieren. Wenn du ein Bier verkaufst hast du einen weit höheren Gewinnanteil als beim Verkauf einer Eintrittskarte. Da freust du dich natürlich darüber, daß die Leute was trinken und Popcorn kaufen.



// Zahlt denn jedes Kino das gleiche für den selben Film, oder ist das unterschiedlich, je nachdem wie groß man ist?



Da gibt es schon ein bißchen Verhandlungsspielraum, und je mehr du von einem Verleih abnimmst, desto mehr kannst du bei einem Film verhandeln.. So können es schon Unterschiede im 2 bis 3-stelligen Bereich werden. Außerdem sind in der Regel die kleinen Verleihe etwas günstiger als die großen, weil sie ja auch auf die Kinos angewiesen sind. Sie würden auch Schaden nehmen, wenn Kinos pleite gehen.


Es gibt ja auch noch die fiese Sache, daß du nicht prozentuell abrechnest sondern fix, das heißt auch wenn niemand kommt zahlst du deine Filmmiete. Einige Verleihe würden sogar am liebsten nach vorhandenen Sitzplätzen im Kino abrechnen, egal ob die in einer Vorstellung besetzt sind oder nicht.




Kino lebt davon, daß es Kino ist / Teil 1 : seats


// Bleiben wir noch etwas bei der Verleihpolitik. Mit wievielen Kopien starten Filme denn so?



Unterschiedlich. Harry Potter oder “Der Fluch der Karibik” sind mit über 1000 Kopien angelaufen. Aber das sind Ausnahmen. Der neue Detlef Buck startet für einen deutschen Film ziemlich groß mit 300 Kopien, aber es gibt auch Filme die laufen mit 5 Kopien an. Da wartest du dann natürlich -- je besser deine Besucherzahlen sind, desto kürzer..


Was zählt, ist das Startwochenende und die erste Woche, was danach kommt, ist uninteressant, zumindest für große Verleihe. Danach werden von 600 Kopien auch mal schnell 400 Kopien eingestampft und verschrottet, weil es zu teuer ist, diese Kopien zu lagern und zu verwalten.






Kino goes digital...

// Das wird jetzt mit dem digitalem Kino anders.



Also, im Moment ist ja noch die Frage, welches Format sich letztendlich durchsetzen wird. Wer das ganze finanzieren soll, ist auch noch unklar. Aber grundsätzlich von der Verfügbarkeit der Ware ist digital sehr genial. Da hat dann auch das kleinste Dorfkino die Möglichkeit, einen Film zum Bundesstart zu zeigen. Die Transportkosten fallen weg, die Versicherungskosten, und beim Personal kann man massiv einsparen. Wenn das digitale Kino erstmal da ist, dann kannst du also sparen.


Aber noch traut sich da kaum ein Kino dran.



// Wer sollte denn die digitalen Projektoren bezahlen?



Da gibt es zur Zeit viele Diskussionen zwischen Verbänden, Produzenten und Verleihern. Die Kinos vertreten die Position, das sollen die Verleihe machen, weil die sparen ja auch, zum Beispiel die Herstellungskosten. Oder die Anschaffungen sollten über die Filme selbst finanziert werden, kollektiv sozusagen, wie wenn man heute Rohlinge kauft, wo ein gewisser Teil pauschal für Nutzungsrechte abgeht. Das könnte so ähnlich sein, also daß pro Vorstellung ein gewisser Betrag zur Finanzierung der Technik abgeht, und zwar über den Verleiher abgewickelt. Das würde es den kleinen Kinos leichter machen, aber natürlich auch bedeuten, daß die Verleiher ein bißchen weniger Marge machen. Andererseits haben die ja auch viel weniger Kosten. Was Verleiher und Produzenten sparen durch die Digitalisierung, müßten sie mit den Kinos teilen. Das ist nach meiner Ansicht das einzige gerechte Modell. Vorausgesetzt natürlich, daß man eine Technik hat, die auch Standard wird.





// Braucht man überhaupt noch einen Verleih, wenn jeder Produzent seine Filmdaten selbst an jedes beliebige Kino geben kann?



Naja, irgendwer muß das alles ja noch koordinieren, und eine Marketingabteilung brauchst du auch noch.



// Aber digital ist schnell und einfach, und wofür gibt es PR-Agenturen?



Der Film muß trotz allem noch bekannt gemacht und öffentlich präsentiert werden. Oder nimm den weltweiten Vertrieb, da muß man sich schon auskennen.



// Die Verleihe schlottern jetzt also nicht mit den Knien vor Angst?



BildNein, die wollen das selber sehr gerne. Die starten jetzt schon teilweise Filme mit nur 3-5 Kopien für die kleinen Kinos, und der Rest ist schon digital. “The Wind that shakes the Barley” beispielsweise ist mit vielen digitalen Kopien auf Festplatte gestartet. Den Film spielst du dann auf deinen Server und dann wird die Festplatte weitergeschickt. Mit einer Festplatte kannst du so schon eine ganze Menge Kinos bedienen. Du kannst also heute schon einen Bundesstart machen mit nur 6 gezogenen Kopien, die verschickt werden, zusammen mit einer gewissen Anzahl Festplatten.


Oder die Reihe “Delikatessen” zum Beispiel, diese Filme – meist Dokumentarfilme – starten komplett digital.



// Gibt es denn schon so viele Kinos, die mit digitalen Projektoren ausgestattet sind?



Nein, aber viele haben Beamer, das reicht ja im Zweifelsfall schon für kleinere Programmkinos. In Berlin kannst du problemlos in 6-8 Kinos digital starten



// Aber sind das dann schon gute Beamer, reicht die Qualität aus?



Das ist zum einen eine ästhetische Frage, aber häufig auch eine politische, beziehungsweise eine Art Glaubensbekenntnis, was man unter Kino begreifen möchte. Direkt schön ist das nicht immer. Aber solange es keinen einheitlichen Standard gibt...



Und es wird dadurch ja auch immer einfacher, "Kino" zu machen. Du brauchst im Prinzip nur einen Beamer und eine Leinwand. Aber da siehst du dann am Anfang das DVD-Menü und überhaupt stimmt meiner Meinung nach die Qualität nicht.



// Interessant, das ist ja ziemlich genau, was viele zum Prozeß des Filmemachens sagen: daß die ganze billige digitale Technik den Markt und die Qualität kaputt macht.



Ja, aber das ist eine Frage der Ehre! Es geht für uns darum, eine gute Projektion zu machen.




Teil 2 -- Was eine gute Kino-Projektion ausmacht und warum das Heimkino keine echte Konkurrenz ist, darum geht es im zweiten Teil des Interviews. Außerdem haben wir festgestellt, daß die Geschichte der Kinoprojektion vielleicht spannender ist, als die digitale Zukunft...


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