Praxis Leaving the Frame - wie aus einer Weltreise ein selbstfinanzierter Kinofilm entstand (gedreht mit der GH5)

Leaving the Frame - wie aus einer Weltreise ein selbstfinanzierter Kinofilm entstand (gedreht mit der GH5)

Wie macht man aus einer 7-monatigen Reise einen sehenswerten Film, bringt ihn ins Kino und sogar zu Netflix, in Eigenregie und ohne Finanzierung? Ein Gespräch mit Manuel Vering - Videojournalist und bekennender Kamera-Nerd - über seinen zusammen mit Maria Ehrich produzierten Film, das Drehen mit der Panasonic GH5 im Minimal-Setup, dem Schnitt im eigenen Wohnzimmer und vieles mehr.

// 15:38 Di, 10. Mär 2020von

Durch die Welt reisen, interessante Menschen kennenlernen, und aus dem Erlebten auch noch auf eigene Faust einen Film machen? Davon träumen viele – die Schauspielerin Maria Ehrich und ihr Freund Manuel Vering sind losgezogen und haben es einfach gemacht. Wobei einfach natürlich nicht das richtige Wort ist, denn es gehören neben Reiselust und Begeisterung auch viel Geschick, Durchhaltevermögen, etwas Glück und nicht zuletzt Kontakte dazu. Wie es ihnen gelungen ist, in völliger Eigenregie und selbstfinanziert ihren Film Leaving the Frame – eine Weltreise ohne Drehbuch fertigzustellen, und diesen anschießend sogar in die Kinos und nun zu Netflix bringen, hat uns Manuel ausführlich erzählt.



Leaving the Frame - wie aus einer Weltreise ein selbstfinanzierter Kinofilm entstand (gedreht mit der GH5) : LTF plakat

Der Film wurde hauptsächlich mit der Panasonic GH5 im Minimal-Setup – aber inklusive Metabones Speedbooster – gedreht. Wir haben uns mit Manuel – Videojournalist, bekennender Kamera-Nerd und slashCAM-Leser – darüber unterhalten, welche Technik außer der GH5 im Gepäck war, weshalb die Arbeit mit der Kamera immer ein bisschen wie Playstation spielen ist, und warum das Filmen auf einer solchen Reise nicht immer konfliktfrei verläuft. Außerdem natürlich auch über das ziemlich persönliche Filmkonzept und wie der Sprung zu Netflix gelang, wo der Film seit Mitte Dezember zu sehen ist.








Von der Fotografie über TV-Reportagen zum selbstfinanzierten Reisefilm

Manuel, Du stellst dich auf der Webseite zum Film als Kamera-Nerd und Videojournalist vor – beispielsweise gibt es eine Dokumentation von dir über den FC Bayern bei der Deutschen Welle.



Ja, den Film habe ich 2017 gemacht. FC Bayern: Das "Mia san mia"-Phänomen war mein erstes großes Projekt, ich war Co-Autor und Kameramann – größtenteils. Ich habe in Japan, Ghana und vor allem München gedreht. Bei aller Bescheidenheit, alles was gut aussieht ist von mir... Wir haben da teilweise auch mit Teams gedreht – ich sage das dazu, weil oft meinen Leute, das hätte alles ganz toll ausgesehen, aber immer dann, wenn es interessant wurde, gab es oft so einen Rotstich. Das war eines der Teams mit dem wir immer wieder gedreht haben, die haben mit einer defekten FS5 gearbeitet, da gab es immer Probleme…



Und du, hast du da auch schon mit der GH5 gedreht?



Die hatte ich damals noch nicht für mich entdeckt. Ich habe damals noch mit meiner ersten eigenen Filmkamera gedreht, mit der Canon C100 Mark II, die ist mit ihrem eingebautem ND-Filter sehr praktisch.





Du kommst ursprünglich aus der Fotografie. Das ist ja schon eine Umstellung, wenn man anfängt mit Bewegtbild etwas zu erzählen.



Von technischer Seite war es nur ein kleiner Sprung, das war nicht das Problem. Inhaltlich ist es schwieriger. Oft schicken mir Freunde zum Beispiel Links zu einem Travel-Vlog oä, nach dem Motto, schau dir das an, das ist total geil, was sie da gedreht haben. Wenn ich mir das dann ansehe, denke ich: ja, das sind sehr schöne Bilder, aber sie sind nur wahllos aneinandergereiht. Das kann ich auch machen, wenn ich mit der Kamera losziehe und Fotos schieße oder kleine Clips drehe, dann sieht das immer aus wie ein Hochglanz-Trailer, aber eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen, die spannend ist oder Rückschläge zeigt, das ist die große Herausforderung.



Leaving the Frame - wie aus einer Weltreise ein selbstfinanzierter Kinofilm entstand (gedreht mit der GH5) : safari


Was hast du unternommen, um dieses Erzählen zu lernen?



Da kommt mir die Praxiserfahrung zugute, weil ich drehe ja auch fürs Fernsehen, wo ich mit meinem eigenen Equipment ganz gefragt bin – mittlerweile wollen alle diesen cinematischen Look, obwohl viele gar nicht wissen, was dahintersteckt oder wie er zustande kommt. Da musste ich immer mehr den Spagat machen zwischen Bildästhet sein und gleichzeitig ganz Reportage-mäßig live dabei sein und bloß nichts verpassen.



Eigentlich ist das ein Widerspruch in sich, weil eine Reportage drehen, da zieht man einmal los und dann muss alles eingefangen sein, in eher konservativen Bildern: eher weitwinklig und mit großer Tiefenschärfe, damit man sich nicht vor dem Redakteur verantworten muss, dass irgendetwas nicht drauf war. Da fehlt die Zeit, um kleine Details hervorzuheben oder sich auf Kleinigkeiten zu konzentrieren. Ich habe vor allem auch viel für den Sport gedreht und dort ist alles noch mal schneller. Aber es war eine gute Übung, weil ich immer wollte, dass es trotzdem gut aussieht und somit immer einen Kompromiss machen musste. Das hat mir sehr geholfen.



Über Storytelling habe ich natürlich auch etwas gelesen, aber am Ende geht es vor allem um spannende Geschichten, die man auch selber erlebt.



Damit wären wir auch schon bei eurem Film, Leaving The Frame. Kannst du noch mal kurz die Eckdaten zusammenfassen?



2017 haben wir die Reise vorbereitet, 2018 sind wir gestartet und waren 7 Monate bis Anfang August unterwegs. Danach mussten wir erstmal unseren normalen Jobs nachgehen. 2019 konnten wir dann anfangen mit der Postproduktion, bei uns in der Wohnung. Wir haben Dave, meinen Freund und besten Cutter. den ich kenne, dazu eingeladen. Er hat diese Geschichte aktiv mitgestaltet und war komplett involviert. Wir haben also zu dritt innerhalb von 8 Monaten diesen Film auf die Beine gestellt.



War von Anfang an klar, es sollte ein Film werden? Gab es eine Finanzierung?



Es gab keine Finanzierung, wir haben das alles selbst gestemmt. Und es war auch nicht ganz klar, dass es ein Film wird, auch wenn es ein großer Traum von uns war. Meine Freundin macht ja Filme, noch viel aktiver als ich mit meinen 4- bis 12-Minutenbeiträgen.


Am Anfang haben wir Vlogs gemacht von der Reise gemacht. Alle drei Wochen haben wir einen Vlog hochgeladen und hatten dadurch eine gewisse Followerschaft und Aufmerksamkeit. Aber das hat uns alles ein bisschen überfordert und als wir in Mexiko waren und mit dem Käfer losgezogen sind, haben wir gesagt, jetzt reichts. Ab jetzt machen wir keine Vlogs mehr, sondern am Ende schneiden wir einen Film draus, weil wir haben schon einiges erlebt und das wird es auf jeden Fall hergeben.



Leaving the Frame - wie aus einer Weltreise ein selbstfinanzierter Kinofilm entstand (gedreht mit der GH5) : mex reiseanfang




Wen wolltet ihr denn hauptsächlich ansprechen mit dem Film?



Die Zielgruppe waren junge Studenten oder einfach Leute, die Bock haben aufs Reisen.



War die inhaltliche Planung für die Reise fest oder hat sich unterwegs viel verändert?



Da hat sich viel verändert. Wir hatten ursprünglich vier Länder ausgesucht - nach Mexiko wollten wir eigentlich nach Deutschland zurück und dann nach Skandinavien, aber das haben wir in Mexiko über den Haufen geworfen, weil es uns dort extrem gut gefallen hat. Wir wollten noch mehr sehen und die Reise auch entschleunigen. Um anders zu reisen, haben wir uns daher den Käfer besorgt.



Und die Menschen, die ihr im Film vorstellt, eure „Helden“, hattet ihr schon vorher recherchiert?



Wir hatten viele recherchiert und einige Interviews davon haben auch stattgefunden, andere nicht. Aber alles, was wir im Voraus organisiert hatten, haben wir in den Vlogs gebracht - die Geschichten, die im Film zu sehen sind, haben wir entweder spontan gefunden oder wurden uns von Freunden vermittelt. Das ist etwas, was wir gelernt haben: man kann viel planen und organiseren, aber was man von außen recherchiert, hat wenig mit dem zu tun, was man dann vor Ort vorfindet. Die schönsten Geschichten sind die, die es noch nicht ins Internet geschafft haben, sondern die einfach so alltäglich laufen. An die Geschichten haben wir uns dann auch gehalten.



Ihr müsst ja unfassbar viel Material mit zurückgebracht haben.



Am Ende waren es ungefähr 4 TB, beziehungsweise so 90 bis 100 Stunden.



Das geht ja sogar für sieben Monate!



Ja, das ging, aber es ist schon eine Menge...



Wie habt ihr gebackupt auf der Reise?



Wir hatten mehrere Festplatten dabei und haben immer schön rüberkopiert... Eine hatte ich, eine hatte Maria im Gepäck, und zweimal habe ich mir nochmal 4 Terabyte gekauft und habe die nach Deutschland geschickt. Ich habe es zum Glück nicht gebraucht, aber es war beruhigend.




Leserkommentare // Neueste
roki100  //  23:05 am 3.4.2020
Ich werde das auf jeden Fall bei Netflix schauen, doch vorher ist natürlich die neue Staffel von Haus des Geldes dran! ;)
SK1976  //  13:47 am 3.4.2020
Moin, leider wird in dem Interview nicht erzählt, welcher Ruckksack letztendlich gewählt wurde... Das würde mich wirklich brennend interessieren! Beste...weiterlesen
SixFo  //  17:25 am 12.3.2020
Viel Erfolg mit dem Film, auch wenn er mich jetzt nicht catcht. Eigentlich wollte ich auch nur mal erwähnen, dass das mal wieder ein gutes Beispiel ist, dass die Netflix...weiterlesen
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