Aktuelles Das absolute Videotagebuch im Dienste der Wissenschaft

Das absolute Videotagebuch im Dienste der Wissenschaft

Wie entsteht das erste Wort eines Kleinkindes? Um diese Frage zu beantworten, hat der Wissenschaftler Deb Roy vom MIT seine eigene Wohnung zu einem totalüberwachten Experimentierfeld gemacht. Um jede Äußerung, jede Interaktion seines kleinen Sohns mit anderen Personen dokumentieren zu können, und damit die allmähliche Evolution von bloßen Lauten zu Worten nachzuvollziehen, wurde in jedem Zimmer in der Decke eine Fisheyekamera samt Mikrofon angebracht, die 3 Jahre lang alles aufzeichneten, was sich in Roys Wohnung abspielte. Interessant ist auch die Technik, die entwickelt wurde um die gewaltige Menge an Videodaten zu sichten.

// 10:08 Fr, 29. Jul 2011von

Wie entsteht das erste Wort eines Kleinkindes? Um diese Frage zu beantworten, hat der Wissenschaftler Deb Roy vom MIT seine eigene Wohnung zu einem totalüberwachten Experimentierfeld gemacht. Um jede Äußerung, jede Interaktion seines kleinen Sohns mit anderen Personen dokumentieren zu können, und damit die allmähliche Evolution von bloßen Lauten zu Worten nachzuvollziehen, wurde in jedem Zimmer in der Decke eine Fisheyekamera samt Mikrofon angebracht, die 3 Jahre lang alles aufzeichneten, was sich in Roys Wohnung abspielte. Hier sein TED-Talk, in welchem er das Experiment und die Technik vorstellt:









Die Technik

Am Ende waren 200TB Daten mit 90.000 Stunden Video und 140.000 Stunden Audio zu sichten und zu analysieren. Um dieser Datenmenge Herr zu werden, und um die Daten sinnvoll zu visualisieren, nutzte und entwickelte das Forscherteam einige eindrucksvolle Technologien, die in dem Video gezeigt werden. Zum Beispiel zur Rekonstruktion des Raumes als 3D-Ansicht.



die 3D-Rekonstruktion der Zimmer
die 3D-Rekonstruktion der Zimmer


Oder um aus den Kameraaufnahmen und per Bewegungsanalyse eine mehrdimensionale Informations-Repräsentation (quasi Raum-Zeit-Spuren) aller Personen in Raum und in der Zeit zu schaffen.



Spuren der Personen in Raum und Zeit
Spuren der Personen in Raum und Zeit




Diese veranschaulicht, wer wann mit wem wo zusammen war und (nach einer teil-automatisierten Transkription aller Dialoge - 7 Millionen Worten) visualisiert was wo gesagt wurde. Anhand dieser Daten ist es möglich, z.B. eine Karte der Worthäufigkeiten in einem Raum zu erstellen.



Wo wurden welche Sätze mit dem Word "Water" geäußert
Wo wurden welche Sätze mit dem Word "Water" geäußert


Zur Sichtung der Daten wurde unter anderem das Tool TotalRecall entwickelt, ein A/V-Browser der spezialisiert darauf ist, vor allem Bewegungen in den bis zu 25 auswählbaren Videospuren zu visualisieren und diese in Zeitfenstern von wenigen Sekunden bis zu mehreren Jahren darzustellen. Mehr dazu und zu dem ganzen Versuch ist in diesem PDF nachzulesen.



Alles Techniken, die so oder ähnlich auch für manche Videoanwendungen verwendet werden könnten, z.B. bei Familienvideos oder Dokumentarfilmen mit Unmengen von Material, um Muster zu erkennen und besondere Szenen herauszufischen aus der Gesamtheit aller Aufzeichnungen. In einem größeren Maßstab können mit den von Roy eingesetzen Techniken - wie er vorführt - auch die Datenströme vieler TV-Kanäle analysiert und in den Zusammenhang mit Netzdiskussionen über diese Sendungen gebracht und visualisiert werden. Alles interessant für eine Meta-Analyse von Videoinhalten, vielleicht auch mal für die Generierung und sinnvolle Sichtbarmachung von erweiterten Video-Metadaten zur Organisation von vielen Rohvideodaten.






Das absolute Videotagebuch

Und zurück zur (nicht ganz neuen, aber hier schon sehr total umgesetzen) Idee eines absoluten Videotagebuchs: Sie ist für manchen erschreckend, für andere verführerisch: was würde man machen, wenn man Jahre seines Lebens (in einer Wohnung, aber nicht zwangsläufig darauf beschränkt: warum sollte man nicht ständig ein Aufzeichnungsgerät mit sich führen?) auf einer Timeline durchscrollen und sich jede beliebige Szene, jedes Erlebnis wieder anschauen könnte? Würde man sich besonders traumatische oder erinnerungswürdige Szenen wieder und wieder anschauen (das erste Treffen, der erste Kuss,...)?



Was sind die sonst nicht sichtbaren und bewussten Muster im eigenen Leben? Wieviel Zeit würde man mit dem Sichten seines Lebens verbringen? Natürlich könnte man (wenn man besonders exhibitionistisch veranlagt ist) auch alles Live ins Netz streamen - wer würde das alles sehen wollen? Würde man den Lebensabend damit verbringen, nur noch die Highlights seines Lebens wieder und immer wieder anzuschauen? Würde man eine andere Einstellung zu sich selbst bekommen, wenn man sich immer auch von außen im Nachhinein betrachten und seine Handlungsweise analysieren könnte? Würde man anders agieren, wenn man wüsste, dass man ständig von der eigenen sowie anderen solcher Life Kameras aufgezeichnet würde und für ewig abrufbar bliebe?



Die Rechtefrage: wer dürfte überhaupt wen wann aufnehmen? Und wer was sehen? Würde das ausgelagerte Videogedächtnis immer mehr das eigene ersetzten - wozu noch etwas erinnern, wenn jedes Ereignis, jede Minute/Sekunde exakt abgespeichert und wieder abrufbar ist, das eigene Leben als Timeline?



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