Tote Stars, die in neuen Filmen mitspielen? Das wurde tatsächlich schon mehrmals gemacht, jetzt aber wird es dank KI immer einfacher zu bewerkstelligen, denn es können nicht nur Gesichter per DeepFake ersetzt, sondern auch Stimmen geklont und ganze Körper spielend leicht animiert werden. Aber wann ist der Einsatz von digitalen Klonen überhaupt okay und auch sinnvoll? Der YouTube-Kanal Pentext Productions hat zu diesem Thema ein sehr sehenswertes Videoessay veröffentlicht, das versucht, auf diese Fragen eine Antwort zu geben. Beispielhaft werden dabei auch einige der Fälle diskutiert, in welchen tote Stars in neuen Filmen mitspielten (wie etwa Bruce Lee in „Game of Death“, Paul Walker in „Fast & Furious“ oder Peter Cushing in „Rogue One“).
Sind digital Auferstandene Zombies?
Im Zentrum steht dabei nicht die Frage, wie gut die digitale Reanimation gelungen ist und wie die rechtliche Lage ist, sondern: sollten wir das überhaupt? Denn die digitale Wiederauferstehung hat eine andere Dimension als bisherige Methoden – sie schafft per Technologie einen digitalen Zombie: eine Person, die zu leben scheint, aber in Wirklichkeit tot ist. Der digitale Körper als reines Abbild des echten wird so unsterblich – im Gegensatz zum leiblichen Körper samt Seele –, aber er ist nur noch reine Hülle, eine Marionette im Dienste anderer / des Markts / der Rechteverwalter /Produktionsfirmen / Regisseure.
Pentext hat eine schöne Hilfestellung entwickelt, die „Malcolm Measure of Creepiness“ – ein Flussdiagramm, mit dessen Hilfe man nach Beantwortung einiger Fragen zum Projekt feststellen kann, ob der Einsatz eines digitalen Doubles eines Toten zu „creepy“/„unheimlich“ und damit nicht vertretbar ist. Wichtig für die Entscheidung für oder gegen den Einsatz eines toten Schauspielers wären demnach folgende Fragen:
- Wie lange ist die Person tot?
- Hat sie in ihrer Lebenszeit dieselbe Rolle in einem vorherigen Film verkörpert?
- Hat sie ihrem Einsatz in dem spezifischen Projekt/Film früher zugestimmt?
- Hat der Schauspieler/in zur Lebzeit bereits an den Dreharbeiten des spezifischen Films mitgewirkt?
- Wie viel des Films wurden vor dem Tod fertiggestellt?
- Haben die Nachkommen dem Einsatz des digitalen Doubles zugestimmt?
- Mit welcher Technik wird der Schauspieler im Film dargestellt? Mittels Schnipsel schon existierender Szenen? Durch echtes Filmmaterial, das digital ergänzt wird? Oder ist er eine völlige digitale Replikation?
Je nach der Antwort auf die jeweilige Frage wird anhand eines einfachen Punktesystems bestimmt, ob der Einsatz des toten Schauspielers gerechtfertigt ist oder nicht. Je eigenständiger die neue Performance ist, je weiter sie entfernt ist von dem, was die Person im Leben gespielt hat, desto eher lautet die Antwort Nein.
Die eigentliche Frage, die das Regelwerk der Malcolm Measure versucht zu beantworten, lautet: Wird das digitale Double des Schauspielers als reine Marionette benutzt oder ist es eine logische/kohärente/sinnvolle Fortführung des Schaffens? Ist es eine von jemand anders gesteuerte Figur oder lebt sie noch von der echten Performance? Zum reinen, digitalen Zombie wird so eine Figur erst dann, wenn sie willkürlich eingesetzt wird und nichts mehr mit dem echten Menschen und seinem Werk zu tun hat.
Der Schauspieler Samuel L. Jackson jedenfalls rät allen Schauspielern, Vertragsklauseln, welche die Worte "auf unbestimmte Zeit" oder "bekannt und unbekannt" enthalten, einfach zu streichen, um eine Nutzung ihrer per Scan entstandenen digitalen Klone für die Zukunft auszuschließen.
Digitale Unsterblichkeit: wozu?
Und abgesehen von der ethischen Frage: Wann macht der Einsatz einer digitalen Replik eines Schauspielers überhaupt Sinn für eine filmische Erzählung? Als Argument z. B. für Peter Cushings digitalen Klon in „Rogue One“ wird angeführt, dass die Kontinuität im Star Wars Universum gewahrt bleiben musste. Aber wie oft schon haben neue Schauspieler die gleiche Rolle gespielt, die vor ihnen jemand anderes spielte - sehr unterschiedliche Personen haben bereits erfolgreich und jeweils anders berühmte Rollen wie Superman, James Bond oder Catwoman interpretiert und auf ihre eigene Weise mit Leben erfüllt.
Und was wäre das für eine Filmwelt, in der die Stars nie sterben und immer weiter Filme machen? Retro total. Angesichts der Tatsache, dass von den 15 erfolgreichsten Filme des letzten Jahres bis auf einen einzigen (Wicked) alles Sequels waren, kann man annehmen, dass Hollywood nur allzu gerne dieses Konzept unendlich weiterführen würde. Die gleichen Megastars mit ihrem hohen Wiedererkennungswert in neuen Sequels und Prequels – immer und immer wieder. Künstlerisch aber würde das den völligen Stillstand bedeuten. Der logische Endpunkt einer solchen Entwicklung wären KIs, welche nicht nur die Drehbücher als Rekombination bisheriger Blockbuster schreiben, sondern auch gleich selbst mittels digitaler Klone der alten Darsteller auch gleich generieren – minimale Kosten bei maximalem Ertrag.
Neue Versuche mit digitalen Klonen
Bisher gibt es noch keine Filme mit berühmten, aber schon lange toten Schauspielern in völlig neuen (Haupt-)Rollen, nur etwas länger zurückliegende Versuche in der Werbung wie Johnnie Walker mit Bruce Lee und Galaxy Chocolate mit Audrey Hepburn.
Die 2019 angekündigte Wiederauferstehung von James Dean in Finding Jack wurde inzwischen abgesagt. Ein neuer Film "Back to Eden" wollte ihn 2022 als voll-animierten digitalen Zombie erst zurück auf die Leinwand bringen und dann auch auf „interaktiven Plattformen Augmented Reality, Virtual Reality und Spielen“ verfügbar machen - doch auch dieses Projekt scheint gescheitert zu sein.
Bestimmt wird es bald wieder einen neuen Versuch geben, eine Ikone der Filmgeschichte als Zombie im Dienste von kommerziellen Interessen wiederauferstehen zu lassen. Aber was bedeutet es, wenn die Lebenden Macht über die Toten bekommen und Filmikonen als digitale, käufliche Marionetten wiederauferstehen lassen? Wenn Schauspieler nach dem Tod nicht durch das Recht geschützt sind, weil irgendwelche Nachkommen der x-ten Generation ihre Zustimmung zur Verwendung des digitalen Abbilds gegeben haben? Dann schützt sie nur das Publikum, das seinen Applaus und sein Eintrittsgeld solchen Zombies verweigert.