Nicht nur im slashCAM-Forum geht es bei Diskussionen um den Rolling Shutter eines Sensors oft heiß her. Schließlich ist er tatsächlich ein wichtiges Kriterium für die Bildqualität einer Kamera. Allerdings machen die Hersteller selbst nach wie vor keine konkreten Angaben zu ihren Kameras, weshalb wir bei slashCAM diesen Wert seit Jahren mit einem eigenen Testverfahren näherungsweise ermitteln.
Doch was sagt der Wert eigentlich konkret aus? Welche Zeiten sind ausreichend oder sehr gut und was macht ein Rolling Shutter eigentlich genau? Nehmen wir uns einmal die Zeit für ein paar grundlegende Antworten:
Was bedeutet eigentlich Rolling Shutter?
Der "Rolling Shutter" bezeichnet in unserem speziellen Fall das Ausleseverfahren eines Kamera-Sensors. Im Gegensatz zu einem Global Shutter (bei dem alle Bildpunkte (Sensel) zur gleichen Zeit belichtet und ausgelesen werden), werden bei einem Rolling Shutter die einzelnen Sensel nacheinander ausgelesen. Der Auslesevorgang startet dabei meistens in der linken oberen Ecke des Bildes und wandert dann zeilenweise bis zur rechten unteren Ecke, womit dann das gesamte Bild eingelesen ist.
Da dieses zeilenweise Abscannen der Sensorfläche ein gewisse Zeit dauert, kann sich der Bildinhalt während eines kompletten Auslesevorgangs schon wieder etwas verändert haben. Je länger der Sensor zum Auslesen braucht, desto mehr unerwünschte Effekte können dabei im Bild auftreten - vor allem bei sich schnell bewegenden Objekten oder wenn die Kamera selbst schnell bewegt wird.
Typische Rolling Shutter Probleme
Die bekanntesten Probleme sind:
Wobble (Jello-Effekt): Bei schnellen Bewegungen der Kamera kann das Bild wellig oder "wackelig" erscheinen.
Skew (Schrägstellung): Schnell bewegte Objekte können verzerrt und schräg dargestellt werden, da verschiedene Teile des Objekts zu unterschiedlichen Zeiten erfasst werden.
Partial Exposure (Teilbelichtung): Bei sehr kurzen Belichtungszeiten kann es vorkommen, dass nur ein Teil des Bildes korrekt belichtet wird, während der Rest unter- oder überbelichtet ist. Dies passiert beispielsweise, wenn ein Objekt von einem Blitzlicht erfasst wird.

Auch nicht unerwähnt bleiben soll ein weiterer unangenehmer Seiteneffekt des Rolling Shutters: Je länger die Auslesezeiten sind, desto schlechter lässt sich das Material nachträglich in der Postproduktion stabilisieren - da durch eine digitale Stabilisierung Wobble Effekte im Bild in der Regel deutlich verstärkt werden. Wer viel mit Stabilisation (oder überhaupt mit CGI-Effekten) in der Post arbeitet, sollte daher auf besonders kurze Rolling Shutter Zeiten bei der Aufnahme achten.
Alternativen zum Rolling Shutter
Es gibt zwar Alternativen zu einem Rolling Shutter Sensor, jedoch fordern diese jedoch an anderen Stellen Kompromisse ein:
Global Shutter: Ein globaler Shutter erfasst das gesamte Bild auf einmal, wodurch die oben genannten Verzerrungen vermieden werden. Dies ist besonders nützlich für Anwendungen, bei denen schnelle Bewegungen korrekt dargestellt werden müssen, wie in der industriellen Bildverarbeitung oder bei Sportaufnahmen. Allerdings bieten Global Shutter Sensoren meistens eine geringere Dynamik als vergleichbare Rolling Shutter Varianten.
CCD (Charge Coupled Device): Bei einem einfachen CCD fallen eingehende Photonen auf das gesamte lichtempfindliche Sensorarray und werden hierbei gleichzeitig "belichtet". Zum Auslesen wird die angesammelte Ladung dann vertikal Zeile für Zeile in ein serielles Ausgaberegister verschoben. CCD-Sensoren waren früher bei vielen Camcordern der Standard, konnten jedoch im Anschluss nicht mehr mit CMOS-Sensoren bei der möglichen Auflösung konkurrieren. Außerdem reagieren sie teilweise sehr sensibel mit unschönen Smear Streifen auf Überbelichtung.
Was limitiert die Rolling Shutter Werte?
Grundsätzlich gilt natürlich immer: Je kürzer man einen Sensor auslesen kann, desto besser. Da jedoch beim Auslesen eines Sensors enorme Datenströme anfallen, kann die Auslesegeschwindigkeit nicht beliebig erhöht werden. Um eine Überhitzung des Sensors zu vermeiden, werden Daten deswegen entweder langsam ausgelesen oder die Datenbreite wird verringert oder es werden Zeilen ausgelassen. Interessant sind darum natürlich immer die Auslesezeiten bei voller Bildqualität mit maximaler Framerate.
Fallen die Rolling Shutter Zeiten dann mit steigender Framerate ab, so deutet dies stark darauf hin dass der Sensor entweder mit verringerter Auflösung (z.b. durch Auslassung von Zeilen) oder mit geringerer Datenbreite (z.B. 12 statt 14 Bit) ausgelesen wird.
Da größere Sensel mehr Strom umsetzen, werden größere Sensoren bei identischer Auflösung auch heißer und müssen entsprechend früher limitiert werden. Oder umgekehrt: Je kleiner ein Sensor, desto besser/kürzer sind tendenziell seine Rolling Shutter Werte.
Nicht zuletzt sind die Rolling Shutter Zeiten auch immer vom ausgelesenen Bildformat abhängig. Liest man beispielsweise einen 3:2 Sensor nur im 17:9 Format (bei gleicher Breite) aus, so werden natürlich viel weniger Zeilen übertragen und die Rolling Shutter Zeiten verkürzen sich dementsprechend. Umgekehrt kann ein Rolling Shutter auch bei anamoprher Aufzeichnung viel deutlicher zutage treten, weil hier meistens mehr Zeilen ausgelesen werden und der Rolling Shutter für seinen Lauf von Oben nach Unten durchs Bild entsprechend länger benötigt.
Was sind "gute" Rolling Shutter Zeiten?
Aktuell (Sommer 2024) ist unser absoluter Rolling Shutter-Spitzenreiter der 8K Sensor in der Sony Venice 2. Der komplette 3:2 Sensor kann hier mit einer Auflösung von 8640 x 5760 Senseln in 3,9 Millisekunden ausgelesen werden. Liest man den Sensor in 17:9 aus (5792 x 3056 Sensel), verkürzt sich die Auslesezeit sogar auf bemerkenswerte 2,1 Millisekunden. Dies ist kaum noch von einem Global Shutter zu unterscheiden (der tatsächlich in unserem Messverfahren praktisch auf 0 Millisekunden kommt).
Die schlechtesten Rolling Shutter Zeiten, die uns bei unseren Messungen bislang begegnet sind, lagen deutlich über 30 Millisekunden. Diesen Wert erzielten früher viele Canon und Sony DSLRs, aber zuletzt noch beispielsweise die Canon EOS R. Auch die Sony Alpha 7 III (ohne S) lag mit 25 Millisekunden in ähnlichen Bereichen. In derart drastischen Fällen zeigt sich schon bei leichten Kamerabewegungen ein typisches Wobbeln im Bild, das in unseren Augen Aufnahmen schnell unbrauchbar macht. Unter 20 Millisekunden kann ein Rolling Shutter dagegen schon tolerabel sein, solange man sich des grundsätzlichen Problems beim Filmen auch bewusst ist.
Von guten Rolling Shutter Zeiten sprach man in den letzten zehn Jahren ca. ab 16 Millisekunden, wohl auch weil solche Werte viele semiprofessionelle Kameras letztlich als unterscheidendes Merkmal zu hybriden DSLR/DSLM-Modellen aufbieten konnten. In diesem Bereich spielt beispielsweise die erste URSA Mini Pro aber auch heute noch eine Canon C300Mk3 oder eine C70. Auch eine Nikon Z8/9 liegt in diesem Bereich, was für eine 8K-Vollformat DSLM noch keine Selbstverständlichkeit ist.
Die 16,6 Millisekunden sind übrigens die maximale Auslesezeit bei einer Kamera, die mit 60 Frames pro Sekunden aufzeichnet. Will man höhere Frameraten erzielen, muss der Sensor entsprechend schneller ausgelesen werden. An dieser zeitlichen Limitierung kommt man nicht vorbei - und dann eben mit oder ohne zusätzliche Tricks. Für eine 120p Aufnahme darf der Shutter z.B. nur maximal 8,33 Millisekunden benötigen.
Und dies ist tatsächlich auch die praktische Grenze, bei der man heute (2024) von einem sehr guten Rolling Shutter spricht. Diese 7-8 Millisekunden bot Arri schon seit jeher in der ALEXA (und auch in der ALEXA35). Viele aktuelle DSLMs stehen dem mittlerweile mit ca. 9-11 Millisekunden kaum nach (z.B.: GH7, Z6 III, ZV-E1 bzw. A7SIII).
Als letzte bemerkenswerte Ausnahme seien noch Smartphones erwähnt. Da diese besonders kleine Sensoren besitzen, können diese in der Regel auch noch einmal deutlich schneller ausgelesen werden. Das letzte iPhone 15 Pro bietet beispielsweise 5,1 Millisekunden mit allen drei Front-Kameras. Was nach aktuellen Verhältnissen einen Spitzenwert für Stabilisierung und CGI darstellt. Und auch ein Grund ist, warum kleine Sensoren sich tendenziell besser für Computational Videography eignen. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema.





















