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Mit DV ins Kino

Ambitionierte Filmemacher, die schon immer von Ihrem eigenen Kinofilm geträumt haben, scheiterten meist bereits an den Kosten für eine echte 16- 35 mm Produktion. Während zur digitalen Nachbearbeitung des DV-Materials bereits ein handelsüblicher PC ausreicht, blieb die große Leinwand bisher nur finanzkräftigen Produktionsgesellschaften vorbehalten. Doch die Zeiten haben sich geändert.....

// 21:21 So, 15. Dez 2002von

Ambitionierte Filmemacher, die schon immer von Ihrem eigenen Kinofilm geträumt haben, scheiterten meist bereits an den Kosten für eine echte 16- 35 mm Produktion. Während zur digitalen Nachbearbeitung des DV-Materials bereits ein handelsüblicher PC ausreicht, blieb die große Leinwand bisher nur finanzkräftigen Produktionsgesellschaften vorbehalten. Doch die Zeiten haben sich geändert.....



Bisher hörte man nur vereinzelt von erfolgreichen Produktionen wie „Blair Witch Project“, die auf Video produziert wurden und sich dennoch in Hollywood zum Kassenschlager entwickelten. Wer sich jedoch in der Independent-Film Ecke umsieht, fand auf den diesjährigen Festivals bereits zahlreiche Filme, die ausschließlich auf DV gedreht wurden. Und spätestens seit sich Hollywood-Liebling Steven Soderbergh (u.a.Traffic, Ocean Eleven) dazu entschlossen hat, seinen nächsten Spielfilm komplett mit handelsüblichen DV-Geräten zu produzieren scheint sich DV als billige Alternative zu kostspieligen 16- und 35mm-Produktionen zu empfehlen. Dieser Artikel versucht eine kurze Übersicht zu geben, worauf man unbedingt achten sollte und welche technischen Hilfsmittel es gibt, um eine DV-Produktion fit für die große Leinwand zu machen.



Das erste Problem ist der Format-Unterschied: Während ein DV-PAL Camcorder mit 25 Bildern pro Sekunde arbeitet, wird ein Kinofilm nur mit 24 Bildern aufgenommen. In der Regel werden beim Transfer jedoch keine Bilder ausgelassen, sondern der DV-Film wird einfach mit 24 Bildern abgespielt und erscheint dadurch ca. 4 Prozent langsamer. Dieser Geschwindigkeitsunterschied ist in der Praxis kaum wahrnehmbar und verhindert einen ersten Qualitätsverlust der Aufnahmen.






Halbes Leid

Ein größeres Problem stellt dagegen das Halbbildverfahren in der PAL-Aufzeichnung dar: Während DV ein Bild aus zwei zeitlich verschobenen Halbbildern erzeugt, werden im Kino nur Vollbilder projiziert. Dieser Unterschied ist für das menschliche Auge klar wahrnehmbar: Kinofilme nutzen für ein Vollbild die doppelte Verschlusszeit, weshalb sich auf einem Filmbild viel mehr Bewegungsunschärfe zeigt. Videoaufnahmen wirken dagegen unnatürlich scharf und zeigen an bewegten Stellen sogenannte „Kamm-Artefakte“, weil hier zwei Halbbilder -die zeitlich versetzt aufgenommen wurden- gleichzeitig dargestellt werden.



Zur Lösung dieses Problems werden verschiedene Ansätze verfolgt: Manche Filmemacher achten darauf, dass der DV-Camcorder die Aufnahme im sogenannten „Progressive-Mode“ unterstützt. Darunter versteht man die Möglichkeit Video nicht mit Halb- sondern mit echten Vollbilden aufzuzeichnen. Leider unterstützen nur wenige semiprofessionelle Modelle diesen Modus, wobei selbst hier die Ergebnisse nicht wirklich überzeugen können. Entweder kann die Belichtungszeit nicht unter 1/50 s eingestellt werden oder die aufgezeichnete Auflösung wird deutlich reduziert. Abhilfe könnte der angekündigte AG-DVX100 3-Chip Camcorder von Panasonic schaffen. Dieser besitzt speziell für den „Progessive-Mode“ entwickelte Bildwandler (CCDs) und erlaubt sogar die Vollbildaufnahme mit 24 Bildern pro Sekunde. Mit einem anvisierten Preis von 3.500,- US$ dürfte dieser Camcorder daher für semiprofessionelle Anwender mit Spielfilmambitionen in Zukunft das Non-plus-ultra darstellen.






Der andere Weg

In der Praxis hat sich allerdings noch ein zweiter Lösungsweg für die oben geschilderte Halbbild-Problematik entwickelt, den viele professionelle Filmemacher mitterweile beschreiten: In der Nachbearbeitung (Postproduction) werden am Computer die zwei Halbbilder nachträglich zu einem Vollbild „zusammengerechnet“ (sog. Deinterlacing). Hierfür existieren zahlreiche Verfahren, die sich sowohl Qualitativ als auch im nötigen Aufwand stark unterscheiden. Einfache Deinterlacer nehmen einfach nur eines von den zwei Halbbildern und ergänzen die fehlenden Zeilen zum Vollbild durch Interpolation. D.h. der Computer errechnet für jede zweite fehlende Zeile Mittelwerte aus den benachbarten Videozeilen. Dadurch verliert das Bild einerseits an Schärfe und wirkt auf den anderen Seite bei schnellen Bewegungen etwas ruckelig, weil das eine Halbbild ja nur mit einer 1/50s Belichtung aufgezeichnet wurde, jedoch 1/25s gezeigt wird. Es fehlt also immer die Bewegungsinformation von 1/25s. Auch semiprofessionelle Schnittprogramme wie Premiere oder Media Studio unterstützen leider nur diese einfache Art des Deinterlacings.



Daher gibt es mittlerweile zahlreiche Zusatzprogramme, die bessere Deinterlacing-Funktionen anbieten. Die professionellste Methode ist dabei das sogenannte „adaptive Deinterlacing“. Hierbei wird das Bild vorher auf Bewegungen analysiert. An unbewegten Stellen im Bild greift der Deinterlacer überhaupt nicht ein und zeigt beide Halbbilder wie im Original. An bewegten Stellen versucht der Computer das bewegte Objekt zu erkennen und interpoliert an diesen Stellen das Bild. Zusätzlich wird eine künstliche Bewegungsunschärfe auf diese Stelle im Bild gerechnet. In vielen Fällen kann sich das automatisierte Ergebnis wirklich sehen lassen, jedoch gibt es kritische Objekte, bei welchen manuelle Nachbearbeitung von einem erfahrenen Operator notwendig ist. Um mit dem adaptiven Deinterlacing perfekte Ergebnisse zu erzielen ist also auch eine gewisse „Human-Erfahrung“ vonnöten, die das Verfahren aufwendig und teuer macht. Uns ist keine Consumer Software für den Heim-PC bekannt, die dieses Verfahren unterstützt. Meistens bieten Kopierwerke, -die den späteren Transfer von DV auf Film übernehmen- das adaptive Deinterlacing als zusätzlichen Service an.








Gewollte Unschärfe

Ein weiterer Unterschied zwischen Video und Film sind die unterschiedlichen Tiefenschärfe-Bereiche der beiden Aufnahmeformate. Video besitzt aufgrund der viel kleineren Aufzeichnungsfläche der Bildwandler einen viel größeren Schärfebereich, weshalb sich nicht so künstlerisch mit Unschärfeebenen spielen läßt wie auf 35mm. Profis, die dennoch nicht auf den echten Look von 35mm verzichten wollen, begeistern sich daher immer mehr für den „Mini35Digital“-Adapter von P+S Technik (http://www.pstechnik.de). Auf diesem Adapter lassen sich professionelle 35mm Objektive befestigen. Der Clou ist jedoch, das sich im inneren des Gehäuses eine halb-transparente Milchglasscheibe befindet. Das Licht fällt bei diesem Prinzip durch das 35mm Objektiv auf die Milchglasscheibe und wird dort in einer Fläche abgebildet, die dem Orginalformat eines 35mm-Bildes entspricht. Dadurch entsteht auf der Scheibe eine größere Tiefenunschärfe, die dann vom dahinter liegenden CCD mit der gewonnen Tiefenunschärfe 1:1 abgefilmt wird. Damit die Struktur der Milchglasscheibe nicht sichtbar wird, wird diese von einem Motor rotiert. Die Ergebnisse sind erstaunlich, allerdings kostet der Mini35 ohne Objektiv mit über 6000,- Euro schon deutlich mehr als die zugehörigen Camcorder (VX2000 oder XL1).



Wenn man schon fürs Kino produziert, möchten viele Regisseure ihren Film natürlich auch in einem Breitwandformat aufzeichnen. Auf den ersten Blick scheint DV hierfür wie geschaffen zu sein, da je selbst die billigsten Consumermodelle in der Regel einen eigenen 16:9-Modus unterstützen. Leider gibt es keinen DV-Camcorder unter 10.000,- EURO, der bei diesem Modus nicht einfach die tatsächliche Auflösung reduziert. Dabei werden einfach am oberen und unteren Bildrand die jeweiligen Pixel abgeschnitten. Die Folge ist ein effektiver Pixelverlust, der sich beim Hochkopieren in einer unakzeptablen Unschärfe äußert. Aus diesem Grund setzen Profis stattdessen sogenannte Anamorphote ein. Dies sind Objektivaufsätze, die wie ein ausschließlich horizontal wirkender Weitwinkelkonverter arbeiten. Das Ergebnis ist ein horizontal gestauchtes Bild auf dem DV-Tape, welches in der digitalen Nachbearbeitung wieder entzerrt wird. Die horizontale Auflösung des Films wird dadurch zwar immer noch reduziert, jedoch wurde jeder Pixel des Camcorder-CCDs optimal genutzt. Geeignete DV-Anamorphote werden unter anderem von Century Optics (http://www.centuryoptics.com) und Optex (http://www.optexint.com) hergestellt und vertrieben. Kostenpunkt: Ungefähr 1000 Euro.






Die Königsdisziplin

Nachdem der Videofilm anschließend auf einem herkömmlichen DV-Schnittsystem bearbeitet wurde, wird er auf 16mm oder 35mm hochkopiert. Im Fachjargon wird dieser Vorgang als „Fazen“ bezeichnet. Viele FAZ-Dienstleister stellen dabei Ihr Know-How im Bereich Deinterlacing und Farbkorrektur zur Verfügung. Die Preise für eine Minute 35mm Film bewegen sich international zwischen 100 und 500 Euro pro Minute, wenn es sich um einen Projekt über 20 Minuten handelt. Kürzere Filme (wie z.B. Werbespots) kosten in der Regel deutlich mehr, weil hier die einmaligen Rüstkosten und Einstellarbeiten deutlich ins Gewicht fallen. Für einen einminütigen Spot kann man durchschnittlich mit 700,- Euro rechnen, wobei viele Preise auch Verhandlungssache sind. So erhalten beispielsweise Filmstudenten bei vielen Werken einen großzügigen Sonderrabatt. Die bekannstesten Dienstleister in diesem Bereich sind Arri-Film (http://www.arri.de), das Werk (http://www.daswerk.de) und Swiss-Effects (http://www.swisseffects.ch).





Wie sieht´s aus?

Das Ergebnis eines solchen Films kann sich natürlich nicht mit einem echten 35mm Film messen. Der größte Unterschied liegt in der geringeren Schärfe des DV-Materials. So muss die Bildinformation aus den 720 x 576 Pixeln des DV-Materials auf die Größe der Kinoleinwand projiziert werden. Blockmuster sind dank der Interpolation nicht zu erkennen, jedoch wirkt das Bild sehr weich. Interessant ist dennoch die Wirkung auf den Zuschauer. Denn das menschliche Auge gewöhnt sich schnell an einen gewissen Schärfegrad, wenn dieser durchgehend konstant bleibt. Für kleinere Budgets kann eine Produktion auf DV daher durchaus eine Überlegung wert sein, wenn der Inhalt des Films „das Format trägt“. Das bedeutet, dass sich ein dialog-lastiger Film weitaus besser für eine DV-Produktion eignet, als ein Naturfilm mit imposanten Bildaufnahmen...


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