Wer sich die technischen Daten der Sony HXR-NX70 ansieht, fühlt sich auf den ersten Blick an die Consumer-Schwester HDR-CX700 erinnert. Objektiv, Bildwandler sowie viele andere Ausstattungsmerkmale sind praktisch identisch. Dennoch handelt es sich bei der HXR-NX70 diesmal nicht um eine leicht modifizierte Variante für Profis, sondern um ein komplett neu konzipiertes Gerät, das auch tatsächlich an den entscheidenden Stellen deutlich verbessert wurde.
Ausstattung

Schon nach dem Auspacken ist klar, dass es sich bei der HXR-NX70 faktisch um eine andere Kamera handelt. Das Gehäuse ist deutlich bulliger, was die Kamera eine Größenklassen-Liga höher spielen lässt. Mit aufgesetzter Sucher-Muschel sowie Objektiv-Sonnenschutz und anmontiertem XLR-Griff sieht man der Kamera gleich ihre professionellen Ambitionen an. Die vergrößerte Gehäusefläche lässt dabei auch Platz für ein paar außen liegende Bedienknöpfe. Diese sind Push-Auto-Focus, Expanded Focus, Push-Auto-Blende, Blende, Histogramm, Display sowie zwei Modus-Umschalter (Foto/Video und Aufnahme/Wiedergabe). Außerdem findet sich (etwas ungünstig platziert direkt hinter dem geöffneten Display am Objektivrand) ein Drehschalter, der dem Objektivring wahlweise Zoom, Schärfe oder Blende zuweist. Die meisten Anwender würden diesem Ring wohl gerne einzig dem Fokus überlassen, das sich der Zoom auch über eine großzügig dimensionierte Zoomwippe steuern lässt und die Blende ebenfalls an anderen Stellen gut zugänglich einstellbar ist.
Doch das Ansprechverhalten der Zoomwippe ist leider etwas zickig da sich in den ersten Millimentern bei einem sanften Druck erst einmal gar nichts tut. Drückt man dagegen etwas stärker, legt der Zoom gleich voll los. Hier wäre durchaus noch etwas Feinabstimmung vonnöten. Es ist jedoch unklar, ob man dies dieses Verhalten durch ein Firmware-Update einfach beheben könnte.
Für raue Aufnahmesituationen
Einer der groß herausgestellten Vorteile der NX70 ist deren Staub- und Spritzwasserschutz. Tatsächlich wirkt die Kamera durchdacht abgedichtet, wobei die Löcher der Mikrofonkapsel prinzipbedingt nicht verschlossen sein können. Vielleicht hätte man diese allerdings noch eher nach vorne, denn nach oben zeigen lassen sollen, denn wenn so eine Kamera nicht gerade ins Wasser fällt, dürfte in den meisten Fällen das Spritzwasser eher von oben kommen. Laut Sony dürfen sich aber wohl durchaus auch ein paar Tropfen in die Mikrofon-Kapsel verirren, denn der Camcorder ist offiziell auch für bis zu 10 Minuten Filmen in leichtem Regen zertifiziert worden (IPX54-Zertifikat). Das ganze gilt allerdings nicht für den andockbaren XLR-Adapter-Griff. Wer also den Einsatz in rauer Umgebung plant, muss auf XLR sowie manuelle Aussteuerung verzichten.
Die abgedichtete Bauform lässt auch den Akku komplett im Bauch der Kamera hinter einer Klappe verschwinden, was einen schnellen Wechsel etwas verzögert.
Gegenüber der CX700 wurde der Monitor um ein halbes Zoll auf 3,5 Zoll vergrößert. Außerdem wurde dem Sucher ein deutlich schärferes LCD mit über 1 Million Pixeln verpasst. Geblieben ist der vorzügliche Weitwinkel von 26,3mm mit digitaler Verzeichnungskorrektur, der sich allerdings bei aktivem Bildstabilisator etwas reduziert.
Obwohl mit 1/2,9-Zoll ein verhältnismäßig kleiner CMOS-Chip Exmor R Sensor verbaut wird hat Sony der Kamera keinen integrierten ND-Filter gegönnt. Da auch der Gain keine negativen Werte kennt, muss man hier gegebenenfalls zu externen Lösungen greifen oder notgedrungen über die Blende verdunkeln.
Bedienung
Ansonsten lässt die Kamera bei der Bedienung erst einmal wenig Wünsche offen. Die externen Tasten kooperieren gut mit dem integrierten Touchscreen, der gegenüber früheren Sony-Pro-Camcordern auch nützliche Fähigkeiten bietet. So gibt es am linken Bildschirmrand drei frei belegbare, virtuelle Custom-Keys. Und auch ein Touch-Fokus wurde integriert, den sicherlich mancher Profi bisher neidisch bei den Consumer-Geräten bewundert hat. Uns hätte es noch gefallen, wenn man auch direkt im Display auf die präsentierten Parameter wie Shutter drücken könnte, um diese zu ändern. So muss man hierfür noch ins Menü oder eben einen Custom-Button opfern.
Ansonsten zeigt die NX70, dass die neu gestalteten Menüs, die mit den NEX-Kameras bei Sony Einzug erhielten, sich auch im professionellen Umfeld bewähren können. Für unseren Geschmack passt allerdings die Menü-Einstiegsseite aus 6 bunten Icons nicht unbedingt zu einem Profi-Gerät, zumal uns die Struktur des Menüs hierbei nicht immer ganz logisch vorkommt. Allerdings lernt man als Käufer ja auch schnell die Details seiner Kamera kennen, weshalb so etwas nicht unbedingt ein großer Nachteil ist.
Bildqualität und Kritikpunkte
Bei der Bildqualität liegt die NX70 sehr nahe beim Consumer-Modell CX700. Auffällig ist, dass die Kamera gegenüber der Consumer-Version etwas kontrastärmer eingestellt ist. Sie liefert also von Haus aus nicht übertrieben knackige Bilder (was Profis auch nicht wollen) sondern ist eher auf eine etwas größere Dynamik ausgerichtet. Und das bringt uns auch gleich zu unserem größten Kritikpunkt an der NX70: Die Bildcharakteristik ist nicht einstellbar. Es gibt einzig eine Cinegamma-Korrektur, die bei Sony Cinematone heißt und nicht veränderbar ist. Ansonsten muss man mit der Werkseinstellung von Sony vorlieb nehmen.
Dazu fiel uns nach negativ auf, dass der Touchscreen gelegentlich etwas träge reagiert. Vielleicht ist hier der Signalprozessor aus dem Consumer-Modell mit den zusätzlichen Profi-Menü-Punkten leicht überfordert. Denn das Consumer-Modell zeigte sich grundsätzlich etwas reaktiver.
Den Audio-Pegel kann man nicht direkt im Menü anpassen, jedoch gibt es hierfür am zusteckbaren XLR-Schuh manuelle Potentiometer. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass für das interne Mikrofon diese Funktion gar nicht zur Verfügung steht.
Aus dem Consumer-Lager wurde außerdem die GPS-Funktion und der Foto-Modus übernommen. Für ersteres haben sich nach wie vor noch keine klaren Anwendungsfälle herauskristallisiert. Den Foto-Modus dürften dagegen viele Käufer begrüßen, zumal dieser den Sensor auch deutlich über normaler HD-Auflösung ausnutzen kann. Dies ist bei Profi-Kameras nach wie vor eine Seltenheit.
Aus dem Messlabor
Die Luminanzauflösung liegt nur leicht unter dem theoretischen Maximum und ist als sehr gut einzustufen.
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Die subjektive Schärfe wirkt sehr gut, jedoch fällt die leicht digitale Nachschärfung dem geübten Anwender ins Auge.
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Typisch für viele Sony-Modelle verläuft die Farbauflösung etwas unruhig, wobei der Farbpegel durchschnittlich und unauffällig ist.
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Trotz riesigem Weitwinkelbereich sieht man praktisch keine Verzeichnung. Hier wirkt wohl heimlich eine digitale Verzeichnungskorrektur.
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Gegenüber dem Consumer-Modell fällt der Kontrast etwas schwächer aus, was gleichzeitig für mehr Dynamik sorgt. Leider hat man als Anwender keinen weiteren Einfluss auf die Bildcharakteristik.
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Für einen Einchipper mit 1/2,9-Zoll-Bildwandler bietet die Sony eine sehr gute Schwachlicht-Performance.
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Bei optimierter Einstellung mit 1/25 Sek-Belichtungszeit wird das Bild natürlich heller, was jedoch mit 50p-Aufnahmen wenig Sinn macht.
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Beim Rauschen liegt die NX 70 etwas unter anderen Top-Modellen, der Frequenzgang ist jedoch ansonsten normal ohne weitere Auffälligkeiten.
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Fazit
Die HXR-NX70 ist eine schöne Kamera, die durch ihre externen Bedienelemente Sonys Consumer-Technik auch für Profis interessant macht. Bemerkenswert ist dabei neben der guten Lichtempfindlichkeit auch die digitale Verzeichnungskorrektur, die man sonst bei Profigeräten eher selten antrifft. Einziger echter Pferdefuß ist die fixe Bildcharakteristik, die der Anwender nicht weiter beeinflussen kann. Der Preis des Gerätes ist aufgrund von XLR-Anschlüssen und des Staub- und Spritzwasserschutzes durchaus angemessen, solange man für diese Features auch konkrete Anwendungsfälle hat. Ansonsten fühlt es sich natürlich schon etwas komisch an, wenn man weiß, dass man für eine vergleichbare Bildqualität in der Consumer-Klasse nur rund ein drittel bezahlen muss.