Gerade einmal 1249 Euro verlangt Apple für das neue Softwarepaket, kaum mehr als ein einzelnes professionelles Schnittprogramm vor einigen Jahren alleine gekostet hat. Der Umfang von Final Cut Studio umfasst jedoch mittlerweile neben der eigentlichen Schnittapplikation (Final Cut Pro 5) auch Compositing (Motion 2), DVD-Authoring (DVD Studio 4) und Soundbearbeitung (SoundTrack Pro). Gekoppelt mit einem potenten Mac, erhält man viele Möglichkeiten eines professionellen Videostudios zu einem Preis deutlich unter 5000 Euro. Die direkte Konkurrenz auf der PC-Plattform ist das neue Production Studio von Adobe. Diese ist in der Pro Version zwar etwas teurer (ca. 2300 Euro), dafür kostet die gängige PC-Hardware meistens etwas weniger, weshalb die Anschaffung eines kompletten Systems sich ungefähr im selben Preisrahmen bewegen dürfte.
Final Cut Pro 5

Apples Paradepferd in der Suite ist nach wie vor das Schnittprogramm Final Cut Pro. Während das Programm im professionellen Umfeld vor allem Avid die Kunden streitig macht, schielen im semiprofessionellen PC-Bereich viele Anwender neidisch auf die Apple-Plattform: Denn eine vergleichbar komplette Schnittlösung gibt es auf dem PC schlichtweg nicht. Premiere kopiert zwar mittlerweile die Oberfläche, bietet aber nicht den kompletten Funktionsumfang (so sucht man hier beispielsweise immer noch vergebens Transfermodi für einzelne Tracks).
Trotz der hochgelobten Farbkorrektur-Tools fehlte uns dafür in Final Cut Pro eine elementare Funktion, die man mittlerweile in fast jedem besseren Schnittprogramm (unter anderem auch in Premiere Pro) vorfindet: Gradationskurven! Offensichtlich gibt es unter Macianern kein wirkliches Bedürfnis nach dieser Form der Farbkorrektur. Unter Profis sind Gradationskurven jedoch ein Muss, weshalb Apple hier bei Gelegenheit nachliefern sollte, wenn man wirklich in der Oberliga spielen will.
Videoformate
Bei den unterstützen Videoformaten zeigt die fünfte Reinkarnation des Programms der Konkurrenz, wo der Hammer hängt: Von DV und SD über DVCPRO HD bis hin zu vollständig unkomprimiertem 10bit-HD-Video ist kaum ein gängiges Videoformat unbekannt. Dazu zählen jetzt auch die neuen Formate wie natives HDV (Long-GOP MPEG2) und IMX mit 50MBit/Sekunde.
Doch auch wenn HDV nun nicht mehr konvertiert werden muss, kann Final Cut Pro keine nativen m2t-Dateien importieren. HDV-Daten können nur in einem Quicktime-Container gelesen werden, der von Final Cut Pro beim Capturen selbst erstellt wurde. Doch wie meistens ist in solchen Fällen auf die Freeware-Community Verlass: Entsprechende Konvertierungssoftware findet man z.B. mit MPEG Streamclip hier.
Wer viel mit Effekten arbeitet, wird dennoch weiterhin zum Intermediate Codec greifen. Denn der natürliche HDV-Schnitt ist prinzipbedingt deutlich langsamer, weil die GOP-Struktur erst mühsam entpackt werden muss. Im Gegenzug gelingt der HDV-Export bei reinen Schnittjobs deutlich flotter, da eine Rekomprimierung fast vollständig entfällt. Wer mit HD(V) arbeitet, sollte dennoch zum schnellsten erhältlichen PowerMac greifen. Unser Modell mit 2 x 1.8GHz war auch beim Intermediate-Codec schon mit wenigen Effekten so ausgelastet, dass kein flüssiges Arbeiten in voller Auflösung mehr möglich war.
Hilfreich war in diesem Fall die neue Dynamic RT-Engine: Diese passt Bildqualität und Bildraten dynamisch an die aktuelle Rechnerleistung an, um eine optimale Wiedergabe zu realisieren. Mit anderen Worten: Sie skaliert die Leistung, sobald die CPU-Auslastung zunimmt. Je mehr Videoströme und je komplexer die Effekte, desto geringer werden Framerate und Auflösung. Dadurch bleibt die Reaktivität des Systems erhalten, und man hat immer einen groben Eindruck des Projekts, ohne rendern zu müssen. Bei Standbildern springt das Bild nach einer kurzen Bedenkzeit wieder in die volle Auflösung.
Schnitt im Mehrkamera-Modus
Wirklich neu ist der Mehrkamera-Modus, um Material von mehreren (bis zu 128) Quellen gleichzeitig anzuzeigen und in Echtzeit zu schneiden. Über Tasten lässt sich dabei von Einstellung zu Einstellung springen und die jeweils beste auswählen. Die Szenen können beim Anlegen automatisch (basierend auf dem Tageszeit-Timecode der Kameras) synchronisiert werden. Eine ähnliche Funktion findet sich seit kurzem auch im neuen Premiere Pro.
Mehrkanal-Audio
Und auch die Audio-Sektion hat mächtig zugelegt: Mit Final Cut Pro 5 lassen sich nun bis zu 24 Kanäle mit hochauflösendem 24bit- und 96kHz-Audiomaterial in einem einzigen Schritt aufzeichnen und ausgeben. Externe Mischpulte können jetzt ebenfalls eingesetzt werden. Das Programm ist mit folgenden MCP- (Mackie Control Protocol-)konformen Geräten kompatibel: Mackie Control, Mackie Control XT, Logic Control and Logic Control XT. Diese externen Mischer werden unter anderem dazu eingesetzt, mehrere Fader-Automatisierungen gleichzeitig zu mischen und aufzuzeichnen, was mit einer Maus prinzipbedingt nicht funktioniert. Da fühlt man sich schnell wie in einem echten Tonstudio...
SoundTrack Pro

Wem dies noch nicht genügt, der startet einfach einmal das beiliegende SoundTrack Pro. Das Vorbild dieses Programms liegt klar auf der Hand: ProTools, das Mehrspur-Recording-Programm, das aus vielen Videostudios der Welt nicht mehr wegzudenken ist, stand hier Pate. Apple betont jedoch mit diesem Release besonders die Fähigkeiten zum professionellen Sound-Design: Dank über 50 professionellen Effekt-Plugins aus Logic Pro stehen denn auch genügend Effekte bereit, um eine Dialogspur zu optimieren, Audioeffekte zu erstellen oder neue Sounds und Samples zu erschaffen. Auch weniger musikalische Anwender kommen dabei schnell zum Ziel, da Apple gleich über 5.000 Audioeffekte und Musikdateien mit dem intuitiven Apple Loops Browser mitliefert. Mit ein paar Klicks hat man so schnell einen passenden Soundtrack zusammengelegt und spart sich fürs erste auch den Aufbau eines eigenen Soundarchivs.
Effektlisten
Als Wellenform-Editor macht Soundtrack Pro eine sehr gute Figur. Die samplegenaue Bearbeitung löst typische Audioprobleme wie Hintergrundrauschen, Klick-, Knack- oder Brummgeräusche im Handumdrehen. Gegenüber vielen Konkurrenten fallen aber vor allem die Effektlisten positiv auf: So lässt sich bei verketteten Effekten auf jeden einzelnen Effektparameter zugreifen und die Vorschau beim Abspielen ohne Rendern direkt vorhören. In der Praxis bedeutet dies, dass man beispielsweise einen EQ und einen Hall auf eine Tonspur legt und auch noch den EQ „live“ ändern kann, ohne die Vorschau neu berechnen zu müssen. Dieses Feature fördert die kreative Soundbearbeitung enorm.
Wer schon einmal in einem Tonstudio gearbeitet hat, fühlt sich unter der Oberfläche sofort zuhause: So gibt es für Multitrack-Projekte eine sinnvolle Anordnung mehrerer Spuren und eine Mischpultanzeige im Konsolenstil mit Unterstützung für viele Audio-Schnittstellen. Man kann sogar AppleScript verwenden, um Stapelprozesse für häufig ausgeführte Aufgaben zu erstellen, beispielsweise für die Formatkonvertierung, Geräuschreduzierung oder -normalisierung.
Workflow
Dank der neuen Programmintegration kann man nun vollständige Sequenzen aus Final Cut Pro 5 direkt an den Mehrspureditor von Soundtrack Pro senden, oder mit dem Soundtrack Pro Wellenform-Editor einzelne Spuren in Final Cut Pro direkt bearbeiten. Gegenüber Adobes Audition ist die Integration etwas besser gelungen, dafür vermisst man die Spektralansicht zum optischen entfernen von Störgeräuschen.
Motion 2

Mit der zweiten Version von Motion ist das Programm etwas „runder“ geworden. Nach wie vor liegt die Hauptfähigkeit des Programms darin, Effekte auf dem Prozessor der Grafikkarte (sog. GPU-Effekte) zu beschleunigen. Hiermit lassen sich zwar nicht alle üblichen Compositing-Effekte abdecken, die angebotenen Effekte werden aber gegenüber herkömmlichen Compositing-Programmen deutlich beschleunigt. Deshalb ist Motion auch kein vollwertiger Ersatz für After Effects und Co, jedoch ein hilfreiches Zusatzprogramm, um viele Spezialfälle schnell, effektiv und besonders einfach abzuarbeiten.
32bit-Float-Rendering
Die neue Version beherrscht nun 32bit-Float-Rendering auf der Grafikkarte. Dadurch erhöht sich die Farbgenauigkeit spürbar. So gibt es nun keine streifenförmigen Bildfehler (Banding) bei Farbverläufen mehr. Allerdings fordert dieser neue Modus auch extreme Rechenleistung von der Grafikkarte. Nachdem Motion von Haus aus schon eine sehr potente Grafikkarte benötigt (und daher zum Beispiel auf einem Mac Mini gar nicht erst läuft), macht das Arbeiten in diesem Modus auf heutigen Systemen noch wenig Sinn, die Ausgabe ist einfach zu stockend. Es ist daher empfehlenswert, weiterhin im 8-Bit-Modus zu designen und nur zur Farbkontrolle gelegentlich in den 32-Bit-Modus zu wechseln. Dies gelingt problemlos mit einem Mausklick, ohne am Projekt etwas ändern zu müssen. Für optimale Ergebnisse wird dann ebenfalls im 32-Bit-Modus gerendert.
Neue Werkzeuge und Effekte
Als neues Kreativ-Werkzeug ist der Replikator hinzugekommen. Hiermit kann man mehrere Kopien einer Grafik, einer Form oder eines Films generieren und in Mustern animieren. Hierfür bewegt man einfach das Verhaltensmuster "Sequenz" per Drag&Drop an die gewünschte Stelle, um wellenartige Animationen entlang Gittern, Wirbeln, Explosionsformen oder beliebigen benutzerdefinierten Anordnungen zu erzeugen.
Motion 2 bietet mittlerweile mehr als 500 Filter, Effekte und Partikelvoreinstellungen. Objekte können nun endlich auch im 3D-Raum gedreht und extrudiert werden, allerdings nur rudimentär und nicht sinnvoll kombinierbar. Von echtem 3D-Compositing ist Motion 2 daher immer noch weit entfernt. Die neuen Generatoren "Ätzmittel" und "Membran" erlauben die Erstellung von bewegten Hintergründen, wie man Sie als Standard-Hintergrund des Mac-Desktops kennt. Auch im Hintergrund hat sich die Umstellung des Programms auf Mac OSX 10.4 vollzogen. Techniken wie Core-Video werden nun direkt unterstützt.
Wer sich gerne von Maus oder Grafiktablet losreißen möchte, kann nun das Programm auch über Midi fernsteuern: Einfach die gewünschten Filter-Parameter mit dem Modus "Lernphase" in einen MIDI-Knopf, -Fader oder -Pad umwandeln, und schon lässt sich auf Motion "spielen" wie auf einem Musikinstrument. Damit öffnet sich das Programm erstmals auch für Live-Performances von Video-VJs. Doch auch im Offline-Einsatz ergeben sich nun ganz neue Möglichkeiten. Wer einen externen Midicontroller besitzt, kann so sehr schnell auf vielbenützte Parameter zugreifen, ohne sich mit der Maus durch Menüs zu klicken. Ein Feature, das man sich in anderen Compositing-Programmen schon öfters vergeblich gewünscht hat.
Motion in After Effects
Ein besonderes Bonbon ist die Integration von Motion in After Effects. Alle Partikeleffekte, Replikatordesigns und Animationen in Motion können ohne vorheriges Rendern einem After Effects Composite hinzugefügt werden. Wenn man Änderungen vornehmen möchte, wählt man die Option "Im Editor öffnen" aus dem After Effects Menü "Bearbeiten".
DVD Studio Pro 4

DVD Studio hat ja schon seit Erscheinen den Ruf, eines der professionellsten Authoring-Systeme unter der 1000-Euro-Preismauer zu sein. Diesem Anspruch wird auch das neue Paket gerecht. Viele Funktionen, je nach Anwender-Kenntnis unter verschiedenen Oberflächen versteckt, lassen fast keinen Wunsch offen. Besonders die Scripting-Fähigkeiten findet man in kaum einem anderen Programm dieser Preisklasse. Über Scripting lassen sich DVDs mit einfachen Programmen versehen, die jeder DVD-Player versteht. Dadurch kann beispielsweise bei jedem Einlegen der DVD ein anderes Intro abgespielt werden. Selbst kleine Computerspiele sind theoretisch möglich.
HD-fähig?
Natürlich versucht Apple mit der neuen Version auch schon die HD-Fähigkeiten des Programms herauszukehren, nur ist dies ein fast unmögliches Unterfangen. Schließlich steht noch keiner der kommenden HD-Standards für die HD-DVD oder Bluray ganz fest. Da Apple ja von Haus aus die H.264-Codierung für hochauflösende Inhalte unterstützt, kann das Programm zumindest schon HD-Streams auf normalen DVDs unterbringen. Ebenso lassen sich native HDV-MPEG2-Ströme auf einer DVD ohne erneute Komprimierung einbauen. Zukünftige HD-DVD-Player sollten solche Medien ohne Probleme lesen könne, da man sich mit MPEG2 bzw. H.264 ja an die geforderten Standards hält. Ob dies allerdings tatsächlich klappt, kann nur die Zukunft zeigen.
Eingedampft
Auch der Kompressor kommt natürlich mit DVD Studio 4 in einer neuen Version und erlaubt nun, die Codierungsarbeit auf mehrere vernetzte Computer zu verteilen. Dadurch lässt sich gerade bei großen Produktionen deutlich Kodierungszeit einsparen. Außerdem beherrscht das Programm nun endlich auch das Kodieren in Dolby Digital Professional (AC-3) Surround-Sound-Audio. Laut Lizenzbestimmungen darf eine so erstellte DVD sogar das Dolby-Logo tragen. Für manche Anwender sicherlich ein Grund, um bei Auftrags-Kunden zusätzlich zu punkten und einen professionellen Eindruck zu hinterlassen.
Wer mit dem Digital Cinema Desktop auf einem zweiten Apple Cinema Display und mit S/PDIF-Out arbeitet , kann nun HD-Material und Dolby-Surround-Sound schon während der Vorschau genießen.
Profis dürfen sich außerdem über die neue VTS-Unterstützung freuen, mit der sich DVD-Strukturen noch tiefer gestalten lassen. Hiermit lässt sich beispielsweise das 1GB-Limit für Menüs umgehen. Auch interaktive Adventure-Spiele profitieren von diesen neuen Möglichkeiten.
Konkurrenzlos?
Apples Final Cut Studio ist eine klare Kampfansage an Adobes Video-Suite. Im Videoschnittbereich dominiert Final Cut über Premiere, im Compositing liegt dagegen After Effects vor Motion. Nur mit dem Unterschied, dass sich After Effects (einzeln gekauft) auch prima in die Final Cut Studio Suite eingliedert, Motion aber nicht mit der Video-Collection am PC funktioniert. Bei der DVD-Erstellung zeigt sich DVD Studio Pro 4 ebenfalls Adobes Encore DVD deutlich überlegen. Der Funktions-Vergleich von Soundtrack Pro gegenüber Audition fällt dagegen praktisch patt aus. Apple kann immerhin auch hier mit der besseren Sound-Bibliothek glänzen bietet ein etwas besseres Zusammenspiel mit dem hauseigenen Schnittprogramm. Auf der anderen Seite erhält man mit dem neuen Adobe Paket auch noch eine Photoshop- und eine Illustrator-Lizenz dazu.
Fazit
In Summe bietet Apple mit Final Cut Studio einen soliden Funktionsumfang fürs Geld. Im Verbund mit einem schnellen und gut ausgestatteten Mac erhält man eine ziemlich professionelle Produktionsumgebung, die kaum einen Wunsch offen lässt. Nur im Compositing-Bereich steht mit After Effects oder Shake ein noch professionelleres Umfeld zur Wahl, das sich jedoch gut in Final Cut Studio integrieren lässt. Doch für viele Anwender dürfte das integrierte Motion wegen seiner einfachen Bedienung sowieso besser geeignet sein. So gesehen lässt sich mit dem neuen Studio-Paket kaum eine Kauf-Fehlentscheidung treffen. Nur die Systemanforderungen sind mittlerweile sehr hoch, dass mit dem Kauf des Paketes sicherlich auch gleich eine Hardware-Neuanschaffung ins Haus steht. Doch gerade hier dürfte es in nächster Zeit spannend werden. Denn ab März 2006 sollen die Programme auch an die neuen Intel-Macs angepasst sein und damit lassen sich erstmals auch Performance-Vergleiche zwischen Adobes Production Studio und Apples Final Cut Studio ziehen. Vielleicht reicht ja schon der kleine iMac mit Duo-Core-Prozessor aus, um ruckelfreien HDV-Schnitt zu ermöglichen. Das wäre dann ein wirklich schönes und kompaktes Videostudio für 2600 Euro. Und kaum mehr als der der reine Softwarepreis von Adobes Softwarepaket.