Nachdem Autodesk überall seine Compositing-Neuentwicklung Toxic groß herausstellt, kam die Ankündigung eines Combustion-Updates für viele Anwender doch recht unerwartet. Viele (auch treue) Anwender kehrten dem Programm mittlerweile schon den Rücken, weil sie davon ausgingen, dass Autodesk wohl still und heimlich das Ende des Combustion-Lebenszyklus beschlossen hatte.
Die Oberfläche von Combustion ist tatsächlich schon ziemlich betagt, denn sie ist ein direkter Ableger der großen Compositingsystem-Veteranen Inferno oder Flame, die immer noch in vielen Fernsehanstalten und Produktionshäusern eingesetzt werden und dort treue Dienste leisten. (Schließlich müssen viele solcher Systeme auch über viele Jahre eingesetzt werden, damit sich eine Abschreibung lohnt.) Allerdings koste(te)n solche Komplettsysteme schnell mehr als 100.000 Euro. Combustion läuft dagegen auf beinahe jedem handelsüblichen PC oder Mac. Und während die erste Version von Combustion noch 5000 Euro kostete, beträgt der Listenpreis für Version 2008 gerade einmal 1428 Euro. Das klingt doch fast geschenkt, oder?
Optimiert für Stiftbedienung
Die Benutzeroberfläche orientiert sich hauptsächlich an den professionellen Studiosystemen von Autodesk und hat mit der klassischen Bedienung eines Windows Programms wenig gemein. Nicht zuletzt, weil Combustion gar keine Fenster benutzt. Stattdessen finden sich in Combustion für jede Funktion große Einstell-Flächen, die einem schlüssigen Gesamtkonzept folgen.

Wer gewohnt ist, mit einem Grafiktablett zu arbeiten, wird sich über diese Art der Bedienung besonders freuen. Unter After Effects ist eine solche Bedienung schlichtweg unmöglich, weil viele Parameter unter winzigen Schiebereglern versteckt sind, die man ohne Übung nur schwer trifft. Doch auch mit der Maus lässt sich Combustion natürlich bequem und effektiv benutzen. Hat man sich in das Bedienkonzept eingearbeitet, so findet man in diesem Programm praktisch alles, was man von einem Composting-System erwarten kann. Die Programmphilosophie liegt dabei irgendwo zwischen Timeline-basiert und Nodes. Man stapelt seine Effekte in so genannten Bäumen die Unterzweige besitzen, während man über diverse Reiter zu den einzelnen Effektparametern gelangt. Nicht unbedingt modern, aber dafür bewährt.
Herausragend sind neben dem Tracker und dem Keyer vor allem das Partikelsystem, das schneller als bei der Konkurrenz dank guter Vorlagen zu sehenswerten Ergebnissen führt. Ziemlich glaubwürdiges Feuer, Rauch oder Explosionen gelingen somit ohne großen Aufwand. Allerdings sind die Partikel im 3D-Raum nur eine 2D-Fläche. Das kann mittlerweile Apples Motion deutlich besser.
Buntes Neues
Die bemerkenswerteste Neuheit der aktuellen Version besteht aus dem „Color Warper“, den man bisher nur in weitaus teureren Flame-Systemen vorfinden konnte. Hierbei handelt es sich um ein Farbkorrektur-System mit primärer und sekundärer Farbkorrektur, das in drei Kanälen (RBG) und drei Farbbereichen (Schatten, Mitten, Höhen mit Luma-Range-Selektion) arbeitet. Dazu gibt es ein Echtzeit-Histogramm, einen Bereichs-Wähler und eine Match-Funktion, um Szenen aneinander anzupassen. Auffällig ist außerdem die visuelle Nachbildung der Farb-Trackbälle. In der Praxis lassen sich mit dem Color-Warper dank seiner drei Secoundaries auch die meisten Anwendungsfälle beherrschen, jedoch verblasst das Tool hinter Apples Color mit seinen 8 Secondaries, die noch dazu recht flott berechnet werden, wenn die Grafikarte stimmt. Wohlgemerkt bekommt man zum Preis von Combustion gleich die komplette Mac Final Cut Studio-Suite.

Die Arbeit mit dem Programm erweist sich dank intelligenter RAM-Vorschau auf Rechnern mit viel Arbeitsspeicher als ziemlich flott. Selbst in FullHD-Auflösung mit 16 Bit oder Float-Farbraum liefen die meisten Effekte noch in akzeptabler Geschwindikeit in der Vorschau. Auf unserem Quad-Prozessor-System waren dabei oft alle Prozessoren gleichmäßig ausgelastet, was auch keine Selbstverständlichkeit ist. Inwieweit auch unsere OpenGL-Hardware genutzt wurde ist leider unklar, da sich unter Vista nur der GL-Software-Renderer an und abwählen ließ. Dies hatte jedoch keinen merklichen Einfluss auf die Performance.
Fazit
Nach drei Jahren Entwicklungszeit scheint nur der Color Warper als Neuigkeit etwas wenig. Zwar gab es vor einigen Jahren solche Farbkorrektur-Systeme bisher tatsächlich nur für viel Geld, jedoch hat sich mit Apples Color hier der Markt schon deutlich gedreht. Und mit Toxik unter dem selben Firmen-Dach ist das Vertrauen der Anwender auf eine echte Weiterentwicklung von Combustion durch dieses Release eher gesunken als gestiegen. Wer nicht an eine Weiterentwcklung glaubt und heute ein professionelles Compsotiting-System braucht, kommt mit Shake deutlich günstiger weg.
Eigentlich schade, denn es machte wirklich Spaß, nach drei Jahren mal wieder die Combustion-Oberfläche unter den Fingern zu spüren, aber wir würden in Anbetracht der deutlich veränderten Marktlage gerade von einer Investition in das Programm eher absehen.