Die Vorwehen des Programms haben sich ja einige Zeit hingezogen. Vor ziemlich genau einem Jahr auf der NAB 2006 zeigte der Hersteller NewTek dem staunenden Publikum ein neues Echtzeitschnittsystem, das angeblich kurz vor der Auslieferung stand. Einige verstrichene Termine und Release-Partys später konnten wir nun erstmals selber die finale 1.0 Version des Programms in Empfang nehmen.
Das Vorspiel
Vor dem Schnitt steht bekanntlicherweise die Installation, und hier gibt es erst einmal weniger erfreuliches zu berichten: Neben einer Seriennummer verlangt das Programm auch eine Registrierung über das Internet, ansonsten stellt das Programm nach 15 Tagen die Zusammenarbeit ein. Dies soll unter anderem auch verhindern, dass man SpeedEDIT auf einem zweiten Rechner installieren kann. Will man z. B. zusätzlich auch auf seinem Laptop schneiden wird eine zweite Lizenz fällig. Abgesehen von der Nervigkeit der Aktivierung und eventuellen Problemen bei Festplattenchrashs oder ähnlichem, missfällt uns auch die grundsätzliche Strategie hinter dieser Form der Kunden-Gängelung. Schade, dass immer mehr Firmen diesen Weg gehen und viele Kunden diese bittere Pille auch schlucken.
Das Interface
Nach dem ersten Start erscheint die Oberfläche des Programm sehr schlank. Die wenigen sichtbaren Bedienelemente schärfen den Blick auf das wesentliche. Das beliebig skalierbare Vorschaufenster versucht permanent alle Änderungen in der Timeline sofort in Echtzeit darzustellen. Dabei gibt es sogar konkrete Hinweise, wie man die Bildwiederholfrequenz des Monitors für die Vorschau optimiert. Außerdem funktionierte eine (seitenunkorrierte) Vollbild-Vorschau via DirectShow auf einem zweiten PC-Monitor. Das kann mit einer guten Gamma-Korrektur in manchen Fällen einen separaten HD-Vorschau-Monitor überflüssig machen.

Im Hauptfenster kann man zwischen verschiedenen Ansichten umschalten. Das Storyboard ist dabei fest mit der Timeline verlinkt, wodurch sich Änderungen immer in beiden Fenstern auswirken. Außerdem hat jeder Clip ein Eigenschaften-Fenster, in dem sich einzelne Effekte zuschalten lassen. Dort gibt es die Layer Settings (u.a. Aspect Ratio, und Geschwindigkeit), Transparenz, 3D-Position und Rotation, Größe, Cropping, farbiger Rahmen, Kantenglättung, Schatten, Weichzeichner, Farbkorrektur und einen Chroma/Luma-Key. Die Reihenfolge, mit der die Effekte auf den Clip wirken ist allerdings starr festgelegt und entspricht der hier eben genannten Aufzählung. Nach der Effekt-Kette ist noch einmal eine Master-Farbkorrektur möglich, die auch eine sekundäre Farbauswahl zulässt. Zur Bildkontrolle lassen sich Vektorskop und Waveform-Monitor zuschalten.

Neben den Effekten befindet sich eine Funktionskurven-Ansicht, in der man die Parameter jedes benutzen Parameters durch Spline-Kurven und Keyframes einstellen kann. Vom Workflow her gefiel uns das gesamte Bedienungs-Prinzip ziemlich gut und erinnerte uns dabei im entferntesten noch an den alten (Namensvetter ?) SpeedRazor. Wir vermissen allerdings noch leicht handhabbare Trimming-Tools.

Unter der Haube...
Eine großer Werbeaspekt des Programms ist seine Format-Unabhängigkeit. Egal ob SD-DV, HDV oder Full HD, man kann alles in die Timeline legen und bekommt auf unserem Testsystem mit P4 EE (3,2 GHz, 2 echte + 2 virtuelle Kerne, 2 GB Ram, NV7600GT-256MB) erst einmal eine ruckelfreie Wiedergabe. Auch eine Farbkorrektur auf dem Clip ist erst einmal kein Problem.
Nach längerem abspielen der Timeline scheint jedoch der interne Cache auszulaufen und dann beginnt die Vorschau immer häppchenweise (so ca. im halbsekunden-Rhythmus) Frames nachzuwerfen, was nicht sehr schön ist. Was man dann zu sehen bekommt ist weniger ein Ruckeln, sondern eher ein „Leiern“.
Einen Teil des Geschwindigkeitsvorteils erarbeitet sich SpeedEDIT durch Backgound-Rendering. In Arbeitspausen wird also permament im Hintergrund spekulativ die Videoausgabe berechnet. Das klappt jedoch nicht völlig transparent und reibungslos. So kam es immer wieder vor, dass ein Teil der Timeline noch nicht berechnet war, an dem wir uns gerade befanden. Leider reagiert das Programm auf so eine „Überraschung“ nicht mit verringerter Größe, Qualität oder Framerate. Stattdessen gibt es (manchmal) einfach ein schwarzes Bild. Erst wenn man einen Effekt auf das leere Bild anwenden will, wird plötzlich wieder das aktuelle Bild sichtbar. Grund hierfür könnte sein, dass die Grafikkarte einzelne Bilder cachen muss. Bei HD-Material passen allerdings selbst auf ein 512 MB-Modell kaum mehr als 5 Sekunden. Fürs Compositing sind 5 Sekunden eine Menge, aber fürs Editing eher ein Witz. Woran dieses seltsame Verhalten letztendlich liegt, war für uns nicht zu klären. Auch traten die genannten Phänomene immer nur sporadisch auf.
Analysiert man die Prozessorauslastung, wird man auch nicht unbedingt schlauer: Auf den ersten Blick besitzt das Programm ein ziemlich gutes Thread-Design. Auf unserem Quasi-Quad-Core Pentium 4 EE wurden beim abspielen alle 4 Prozessoren gleichzeitig (und gleichmäßig!) ausgelastet. So etwas hatten wir vorher bei noch keinem anderen Programm bemerken können. Allerdings wird tritt diese gleichmäßige Auslastung nicht immer ein und die Videos fangen manchmal auch schon früher zu zuckeln an, bevor eine Auslastung von 100 Prozent erreicht wird.
Die Effekte
Bei der Farbkorrektur fehlt um die Farbräder der Hue-Ring. Dieser hilft gelegentlich (gerade bei sekundären Korrekturen) die Farbstimmung eines Objektes leicht zu drehen. Somit ist die typische 3-Rad-Korrektur nicht komplett implementiert worden. Ein Gradationskurven-Werkzeug fehlt ganz. Das 3D-DVE und der Titeler arbeiten sehr sauber und zeigen keine störenden Klötzchen. Dafür sind die Keying-Funktionen ziemlich bescheiden. Es gibt keine (H)DV-Kantenglättung und die Einstellung erfordert viel Feintuning, bevor man ein einigermaßen akzeptables Ergebnis bekommt. Bei manchen Einstellungen wie z.B. bei komplexeren Titeln wird das Programm dazu ausgesprochen Träge...

Performance
Wie sieht nun die Performance des laut Eigenwerbung „schnellten Schnittprogramms der Welt“ aus? Vergleicht man es mit Premiere Pro, so steht das SpeedEDIT ziemlich gut da. Während Premiere bei einer 3-Wege Farbkorrektur auf einer HDV-Spur schon deutlich in die Knie geht, legt das NewTek-Programm auf unserem Testsystem noch eine fast ruckelfreie Wiedergabe hin. Im Vergleich mit Edius zeigt sich jedoch, dass es noch schneller geht: Das Canopus/GreenValley-Produkt schafft sogar eine komplett ruckelfreie Wiedergabe (inklusive eines echten Hue-Rings in der Farbkorrektur). Vom schnellsten Schnittprogramm der Welt zu sprechen ist bei SpeedEDIT daher sicherlich etwas dreist, zumal Edius beim Interface dazu deutlich direkter reagiert. Insgesamt ist die Performance von SpeedEDIT also ziemlich gut, aber keinesfalls revolutionär. Ein Punkt muss allerdings noch angesprochen werden: Hundertprozentig stabil lief das Programm bei uns noch nicht. So gab es (selten, aber immer mal wieder) Abstürze, die natürlich das Gesamtbild des Programms trüben.

Fazit
Einerseits macht SpeedEDIT prinzipiell alles, was man von einem Schnittprgramm erwarten darf. Und das auch ziemlich flott. Für echten Schnittkomfort fehlten uns jedoch bequeme Trimming-Funktionen. Das können viele Konkurrenten besser. Für komplexes Color-Grading, bei dem Echtzeit in HD eine wichtige Rolle spielt, bleibt Edius nach wie vor die bessere Wahl. Die Keyframe- und Effekt-Verwaltung ist dagegen bei SpeedEDIT pfiffig gelöst und besser als bei vielen Konkurrenten. Im Gegenzug ist ist sie durch die starre Effektreihenfolge allerdings nicht sonderlich flexibel. Für ausgefallene Effekte ist daher Premiere, Vegas oder gleich eine Compositing-Applikation oft die bessere Wahl. Also selbst wenn das Programm noch eine gewisse Reifezeit hinter sich gebracht hat, muss es sich seine Nische und seinen Fankreis erst einmal suchen. Und das dürfte bei einem Preis von 500 Dollar gar nicht so einfach sein.