Eine Frage der Lizenz

Nur weil etwas technisch möglich ist, muss es noch lange nicht legal sein. Wir wollten von Microsoft wissen, ob es denn überhaupt erlaubt sei, eines ihrer Betriebsysteme auf einem Rechner zweimal zu installieren. Nach einigem hin und her erstaunte uns die Presseabteilung mit einer deutlichen Absage: Die Lizenzbedingungen von Windows XP (EULA) schlössen dies explizit aus: Denn dort steht folgendes zu lesen: "Sie sind berechtigt, eine Kopie des Produkts auf einem einzigen Computer, beispielsweise einer Arbeitsstation, einem Terminal oder einem anderen Gerät ("Arbeitsstationscomputer"), zu installieren, zu verwenden, darauf zuzugreifen, sie anzuzeigen und auszuführen." Daraus folgert die Presseabteilung: Wer Windows XP zweimal auf dem selben Rechner installiert, muss zwei Lizenzen besitzen. Ausnahmen gibt es nur bei Volumenlizenzen für Großkunden.
Und selbst wer beispielsweise eine Windows 98 Version besitzt und sich ein Windows XP Update zugelegt hat, bewegt sich auf dünnem Eis, wenn er ein Dual-Boot System einrichtet. Denn auch in diesem Fall verbieten die Lizenzbestimmungen die gleichzeitige Installation beider Betriebssysteme auf einem Rechner. Wer sich also laut Microsoft rechtlich auf der sicheren Seite bewegen will, muss bei einem Multi-Boot-System für jedes installierte Windows-System eine eigene Vollversion besitzen.
Doch es gibt durchaus andere Meinungen zu diesem Thema: Da die Microsoft Lizenzbedingen erst nach dem Kauf und dem Auspacken während der Installation für den Konsumenten sichtbar sind, zweifeln viele Juristen an der grundsätzlichen Gültigkeit solcher so genannten "Shrink Wrap" Lizenzen. Trotzdem behalten viele Firmen die Behauptung solcher Ansprüche gegenüber den Kunden bei. Auf diese Weise nähren sie im rechtlich wenig versierten Kunden den Glauben, all diese Ansprüche seien tatsächlich wirksam und von Gesetzen und Gerichten gedeckt. Das ist jedoch nach gängiger Rechtsmeinung nicht der Fall. Zudem darf keine Firma in ihren Lizenzen Dinge verbieten, die das Urhebergesetz explizit erlaubt.
Der Urheberrechtsexperte Dr. Till Jaeger aus München nahm daher zu unserem Problemfall Stellung:
Demnach sei es irrelevant, was in Microsofts Lizenzbedingungen stehe, wenn diese ohnehin kein Vertragsinhalt geworden sind und zudem gegen das Urheberrechtsgesetz verstoßen. Das Urheberrecht erlaube (nach gängiger Rechtsauslegung des Paragraphen 69d UrhG) durchaus eine Dual-Boot-Konfiguration, solange dies der "bestimmungsgemäße Benutzung" des Programms entspreche. Diese "bestimmungsgemäße Benutzung" ließe sich schon dadurch begründen, dass Windows XP bei Vorhandensein einer zweiten Partition von sich aus anbietet, eine Dual-Boot-Konfiguration einzurichten. Dass sowieso immer nur eine der beiden Partitionen genutzt werden kann, spreche ebenfalls für eine "bestimmungsgemäße Benutzung", da die Software niemals doppelt zum Einsatz kommen kann. Daher ist es also zumindest sehr fragwürdig, ob beim Einsatz eines Dual-Boot-Systems der Erwerb einer zweiten Lizenz wirklich notwendig ist.