In Kürze kommt ein Debütfilm in die Kinos, der uns bereits auf der Berlinale überzeugte. "O Beautiful Night" ist ein modernes Märchen mit Seltenheitswert: eine deutsche Produktion, die Witz hat, ohne albern zu sein, die ihren Darstellern zu recht vertraut, ihnen durchdachte, aber nicht pretentiöse Dialoge gibt, während die Bilder einen sehr deutlichen Gestaltungswillen erkennen lassen, sich dabei aber nicht verselbständigen und vor die Story drängeln.
Wir haben uns daher mit dem Regisseur Xaver Böhm und der Kamerafrau Jieun Yi getroffen, um mehr über die Entstehung zu erfahren. Bei dem sehr unterhaltsamen Gespräch ging es unter anderem darum, wie man realistische Bilder vermeidet, um eine märchenhafte Stimmung zu erzeugen, wie sich die Produktion eines echt gedrehten Films von animierten Filmprojekten unterscheidet, wie man beim Schnitt den „richtigen“ Take unter vielen auswählt und vieles mehr.. Doch vorab ein paar Worte zum Film – und der Trailer:
Die Handlung ist schnell erzählt: Der junge Musiker und Hypochonder Juri (Noah Saavedra) wähnt sich einem Herztod nahe, einschlägige Symptome sowie Krähenbesuch im Zimmer sind hierfür ja untrügliche Zeichen. Auf seiner Flucht durch die Nacht landet er bald in einem Automatencasino, wo tatsächlich der Tod höchstpersönlich auf ihn wartet (Marko Mandić). Er ißt kalte Würstchen aus der Dose und spricht mit osteuropäischem Akzent. Da aber noch etwas Zeit ist, vor dem Sterben etwas zu erleben, macht sich das ungleiche Paar auf den Weg, eben dies zu tun. Ohne Risiko, Geld und Drogen läuft natürlich nichts, doch der Tod kennt sich zum Glück bestens aus; Juri taut unfreiwillig auf und lernt -- wie sollte es anders sein -- seine Traumfrau Nina kennen (Vanessa Loibl).
In einer Art Umkehrschluß geht es symphatischerweise bei diesem Film eher um die Frage, was es eigentlich heißt, zu leben; ein mindestens ebenso ernstes Thema wie der Tod ("Stell dir vor, du stirbst heute nacht -- dann war das letzte, was du gesagt hast, "nee"). Eine Antwort bleibt der Film schuldig, die muß wohl jeder für sich selbst finden. Statt dessen wird ein streckenweise überdrehtes Spiel veranstaltet mit Klischees, Filmmotiven und Rollenmustern, in dem der Tod ein Macho ist und das Love Interest eine Nietzsche-lesende Stripperin. Wer nüchternen Realismus sucht, ist hier im falschen Film.
Um das magisch-märchenhafte an diesem Film zu betonen, wurde auf ein sehr extremes Licht- und Farbkonzept gesetzt. Die Berliner Nacht ist dunkel und bunt, die Bilder oft von explizitem Mischlicht geprägt, nicht selten wird bei einer Nahen ein rötliches Hauptlicht von einem türkisen Fill aufgehellt. Die Gestaltung zieht sich konsequent durch alle Facetten der Bilder; das Szenen- und Kostümbild sind ebenso durchdacht wie die Auswahl der obskuren Drehorte. Sie wirken wie aus der Zeit gefallen und sind überhaupt nicht zu verorten. Als Kamera kam eine ARRI Amira mit Vantage One T1 Objektiven zum Einsatz,.

Gedreht wurde der Film von einer überwiegend und auffallend jungen Crew. Buch und Regie stammen von Xaver Böhm -- "O Beautiful Night" ist wie gesagt sein erster Spielfilm, bisher schuf er hauptsächlich kürzere Animationsfilme. Seine Co-Autorin beim Drehbuch, Ariana Berndl, hat erst kürzlich ihr Studium an der DFFB absolviert. Für die Bildgestaltung verantwortlich war Jieun Yi, die bis 2015 an der HFF Kamera studierte. Auch die Hauptdarsteller stehen am Anfang ihrer Karriere. Mit Komplizen Film, 1999 von Janine Jackowski und Maren Ade während ihres Studiums an der HFF München gegründet, fand sich dafür eine nicht mehr ganz so neue, aber doch experimentierfreudige Produktionsfirma, um das Projekt (ursprünglich als No-Budget angelegt) mit Erfahrung, professionellen Abläufen und einer Finanzierung zu unterstützen.
Xaver Böhm und Jieun Yi im Interview: Das gute Motiv. Echte Schauspieler. Der Neon-Look
Der Film hat einen sehr besonderen Look. Wie habt ihr euch vorbereitet – habt ihr euch viel angeschaut in der Vorbereitungsphase um euch einzutunen?
X: Nicht so viel wie wir hätten wollen und sollen. Im Hochschulkino haben wir uns ein paar Sachen zusammen angeschaut, vielleicht vier-fünf Filme, aber wir kannten ja jeder auch schon viel, über das wir dann einfach gesprochen haben. Manchmal haben wir dann nur einen Ausschnitt angesehen, oder sogar nur ein Bild.
J: Was uns tatsächlich am meisten interessiert hat, waren die Locations. Wir haben viel Zeit damit verbracht, die zu suchen und uns davon inspirieren zu lassen.
Ihr seid nachts mit dem Auto durch die Stadt gefahren?
X: Ja, das war somit das erste was wir gemacht haben. Du (Jieun) hattest mir ja erklärt, ohne ein gutes Motiv wird es nichts, da kannst du machen, was du willst. Ich hatte zuvor ja nur Animationsfilme gemacht.
Warum wolltest du diesen Film überhaupt mit echten Schauspielern und echten Bildern machen, und nicht alles unter kontrollierten Bedingungen zeichnen wie bisher?
Ja, das war natürlich das coole beim Zeichnen, da war man der alleinige, gottähnliche Schöpfer seines Werkes. Das habe ich hier natürlich oft vermisst (lacht). Deswegen war ich wahrscheinlich auch oft besonders pingelig, weil ich es gewohnt war, alles auf einem weißen Blatt selbst machen zu müssen und zu dürfen.
Aber irgendwann bin ich an die Grenze gekommen, weil die Protagonisten einfach sehr hölzern sind. Meine Animationsfilme wurden irgendwann sehr dialoglastig und ich habe festgestellt, zwischen den Figuren passiert nicht so viel wie zwischen zwei echten Menschen.
Es ging mir also um die Darsteller - ich habe mich danach gesehnt, mit Schauspielern zu arbeiten, die durch eine kleine Geste ganz viel erzählen können. Und außerdem habe ich mich danach gesehnt, mit Menschen zusammen zu arbeiten, um nicht am Zeichentisch zu vereinsamen.

O Beautiful Night (c) Jieun Yi / Komplizen Film
Hattest du denn Erfahrung mit Schauspielern?
Nein – aber ich hatte ein super Team, außerdem wurde ich zum Coaching geschickt. Und Maren Ade hat mir ein bißchen Tipps gegeben -- was kann man sich besseres wünschen?
Dann haben wir noch einen Kurzfilm gemacht zur Vorbereitung, da habe ich viele Fehler gemacht, die ich beim Langfilm dann nicht mehr gemacht habe.
J: Der Kurzfilm war auch visuell eine Vorbereitung. Wir wollten irgendwas in Neon machen und haben da Sachen ausprobiert. Dabei haben wir gesehen, dass es nicht so wurde, wie wir es uns vorgestellt haben, und uns daraufhin nochmal damit auseinandergesetzt.
Konkret gesprochen, was habt ihr anders gemacht beim großen Film?
X: Mich hat zum Beispiel gestört, dass man beim Kurzfilm das Licht, das wir gebaut hatten, so sehr erkannt hat. Deswegen haben wir dann versucht, die Lampen etwas homogener in die Locations zu integrieren.
J: Beim Kurzfilm waren Locations, Lampen und Schauspieler alle etwas fremdkörperlich. Das haben wir versucht, mehr zusammenwachsen zu lassen. O beautiful Night ist immer noch ein stark neon-lastiger Film, aber es steht nicht mehr so alleine für sich. Es gibt mehr Balance.
Es ist schon ein sehr bunter Film, aber der Look schiebt sich nicht zu sehr in den Vordergrund – also visuell sehr prägnant, aber man hat nicht das Gefühl, ihr wolltet eigentlich hauptsächlich Licht machen und der Rest ist nur Beiwerk…
X: Falls es dir zu bunt ist, es wird auch eine Schwarz-weiß-Version geben.
Eigentlich ein bißchen absurd, sich erst so viel Mühe mit den Farben zu machen, um sie dann wieder ganz rauszunehmen.
J: Mir persönlich gefällt der Film in s/w noch besser.
X: Mir auch …
J: Der trockene Humor kommt noch besser raus finde ich.
X: Es gehen eigentlich nur die Farben verloren, die Lichtstimmung ist ja trotzdem noch sehr stark. Es geht dann irgendwie mehr um die Figuren.
J: Es wird dunkler und geht dadurch nochmal tiefer. Wir haben ja alles sehr bunt geleuchtet und bei der Schwarz/weiß-Umwandlung habe ich mich sehr darüber gefreut, wie gut das noch funktioniert.
Also ihr habt das tatsächlich schon so bunt am Set geleuchtet? Ihr arbeitet ja auch teilweise mit sehr krassem Mischlicht.
J: Ja, wir hatten geplant, die Farbe vor Ort zu machen, eigentlich ziemlich old-school heutzutage. Ich hatte immer etwas Angst, dass es zu extrem wird, und später kannst du es nicht mehr ändern.
X: Ja, das haben wir beim Kurzfilm gemerkt, dass es nicht so hinhaut, nachher groß etwas zu verändern, man muß das gleich so leuchten... Jieun hat sehr mutig und geil geleuchtet, aber wir hatten auch einen sehr coolen Grader, Phillip.
Hattet ihr vorher technische Tests gemacht, wie weit ihr gehen könnt, wieviel Spielraum es gibt?
J: Kaum, aber wir haben uns mit dem Coloristen Phillip im Vorfeld getroffen, ihm erzählt was wir vorhaben, dass wir es relativ extrem machen wollen, und basierend auf dem Kurzfilm haben wir eine LUT erstellt und damit ein paar Sachen ausprobiert.
Zur Vorschau beim Dreh hatten wir LUTs, die das Licht eher diffus darstellten, nicht so klar konturiert. Wir hatten uns eigentlich auch Nebel gewünscht, was am Set aber nicht möglich gewesen wäre.
Wir haben alles mit LED gemacht, auch die Practicals mit LED bestückt, damit man überall schnell die Farbe ändern konnte, um Xavers Vision zusammen umzusetzen.

Du hast die Lichter verteilt und eingerichtet und dann habt ihr die Farben zusammen ausgesucht?
J: Ja, oder ich habe Vorschläge gemacht. Aber es war eben wichtig, dass man alles über Tablet fernbedienen konnte. Welches Pink, welchen Rotton etc
Sie sind ja auch sehr unterschiedlich bunt, die Szenen.
X: Ja. Wir hatten vorher ein Farbkonzept für jede Szene entwickelt, überlegt welche Farben passen könnten, um dramaturgisch, stimmungsmäßig, abwechslungsreich durch den Film zu kommen, sodass es sich nicht zu sehr wiederholt oder langweilig wird, und auch ein bißchen zum Ort paßt.
Die meisten Leute haben den Unterschied zwischen dem vor-gegradeten und dem fertig-gegradeten Material gar nicht gesehen. Nur wenn man dabei war, hat man gesehen, wie viel da eigentlich passiert ist. Aber vom Gefühl her war es meistens schon recht nah dran. Nur eine Szene mussten wir beim Grading in eine ganz andere Richtung schrauben, weil wir unter Zeitnot die falsche Entscheidung getroffen hatten; das Bild war viel zu bunt, aber wir konnten alle Farben bis auf eine rausdrehen.
Was wir aber im Grading viel gemacht haben, war die Gesichter zu holen. Die waren oft nicht so gut zu sehen, daher haben wir sie mit getrackten Masken aufgehellt – teilweise sogar einzelne Augenpartien, um die Stimmung im Bild nicht kaputt zu machen.
Ihr wolltet, dass die Augen deutlich werden?
X: Ja, damit die Emotion nicht verloren geht.
Präzise Bildgestaltung: ARRI Amira, Kameraführung
Ihr habt ja mit der Arri Amira gedreht. Was war ausschlaggebend für die Wahl?
J: Die ganze ARRI-Reihe – Alexa, Amira, Mini – ist einfach solide. Die Kameras machen keinen Stress, funktionieren immer und auch das Bild macht hinterher immer einen soliden Eindruck. Während meines Studiums gab es ein Projekt, da wollten wir eigentlich auf 35mm Film drehen, aber dann hieß es, das wird zu teuer, und ich soll mit der ARRI Alexa drehen. Ich habe mich total gewehrt gegen das Digitale, aber dann ist alles total super gelaufen. Ich habe seitdem natürlich auch mit anderen Kameras gedreht, aber ich habe das Gefühl, egal wie kalt, wie heiß, wie dunkel – egal was, die Kameras sind einfach sehr zuverlässig.
Und die Amira, nun wir haben ja sehr viel Dolly gemacht, da muss man nicht unbedingt eine kleine, leichte Kamera wie die Mini haben.

Dolly? Interessant, dazu wollte ich auch noch kommen. Davor aber noch kurz gefragt: Mit welchen Optiken habt ihr gedreht?
J: Ich hatte mich für eine bestimmte Optik entschieden, die T1 von Vantage One, denn das Bild sollte trotz dem ganzen Neon auch etwas Altmodisches haben – ein bißchen soft, nicht so scharf. Ich wollte die auch schon für den kleinen Testfilm verwenden, aber das hat nicht geklappt, und dann habe ich Xaver gebeten, sich mit dafür einzusetzen, dass wir sie für O Beautiful Night bekommen. Er hatte gar keine Ahnung von Kameraoptiken, aber hat dann mitgekämpft, und schließlich hatten wir die Produzenten davon überzeugt, dass wir sie bekommen. Wir haben vier Brennweiten aus der Serie verwendet.
Zurück zur Kameraführung – ich fand sie sehr zurückhaltend. Überhaupt hat der Film für mich etwas Theaterhaftes, die Bilder von Tableaus. Könnt ihr dazu etwas erzählen?
X: Da ich vom Animationsfilm komme, bin ich es sehr gewöhnt gewesen, in statischen Bildern zu arbeiten, weil ich es dort technisch nicht anders lösen konnte. Deswegen wollte ich dem einerseits treu bleiben, damit nicht nur neue Sachen auf mich zukommen. Handkamera ist mir einfach zu fremd, das ist nicht meine Erzählweise.
Gleichzeitig fand ich, dass es aber auch gut zu diesem Märchen paßt, wenn es diese Überhöhung und Künstlichkeit hat.
J: Eine gewisse Nüchternheit war für Xaver wichtig. Wir haben die bunte Welt, das Märchenhafte mit den komischen Locations gefeiert, aber die Figuren sind ja nicht divenhaft, sie sind sehr geerdet.
Wir hatten ein bißchen Angst, dass es zeitlich nicht hinhaut, weil wir zwar ein normales Drehpensum pro Tag hatten, aber wir hatten fast jeden Tag eine andere Location, wo immer wieder neu angefangen werden musste. Ich meinte also zu Xaver: ich bin eine Handkamerafrau, ich könnte das. Aber er konnte sich das einfach nicht vorstellen.

Ich dachte, ihr hättet das mit der Amira von der Schulter gedreht – dass die Kamera auf Schienen fährt, ist mir gar nicht aufgefallen.
J: Wir hatten das so besprochen, dass wir keine crazy Fahrten machen, sondern was die Figuren machen, das machen wir mit.
X: Ich wollte, dass die Bilder genau und präzise sind, was ich ja auch vom Animationsfilm gewohnt war. Je statischer die Kamera ist, um so mehr kann man sein Bild perfektionieren und auch suchen. Man hat dann sein Sucherbild und sagt: wir rücken diese Lampe noch ein bißchen nach links und holen das Objekt da hinten noch mehr ins Bild, und so weiter. Man gestaltet die Stimmung durch den Ort und das Licht sehr präzise – wenn man mit den Schauspielern einfach nur mitgeht, dann passieren im Hintergrund oft ungewollte Dinge, man hat weniger Kontrolle.
Allerdings muss ich sagen: es war eine sehr interessante Erfahrung, aber ich würde es jetzt nicht mehr so machen.
Wir hatten beim Kurzfilm gemerkt, die Stimmung muss sehr dicht sein und sowie ein „dokumentarisches“ Element im Bild ist, zerfällt das alles in sich. Man glaubt es gar nicht, aber es war wirklich harte Arbeit. Sobald da ein geparktes Auto zu neu aussieht, ist die Stimmung kaputt, da denkt man: ah, das ist einfach eine normale Straße in Berlin und man glaubt nicht mehr, dass da einer den Tod trifft.
Man sieht das, finde ich, dass ihr nichts dem Zufall überlassen habt.
X: Ja, und da sind wir dann wieder bei der statischen, kontrollierten Kamera, wo man jede Bewegung genau plant und sagt, das soll im Bild sein und das nicht.
J: Es gab zwei Szenen, wo wir explizit auf Handkamera gewechselt haben, wo wir aus dramaturgischen Gründen nicht ruhig sein wollten, weil die Szenen auch nicht ruhig waren.
X: Am Anfang, wenn Juri panisch aus der Wohnung rennt, und die Szene am Ende. Das sollte sich anders anfühlen, weil das auch emotionalere Momente sind. Wir sind näher an den Protagonisten und es war erwünscht, dass die Kamera lebendig ist.
Es gibt auch andere Einstellungen im Film, die aus der Hand gedreht sind, aber ich wollte nicht, dass man das sieht.
Die Montage: der richtige Take, VFX, Rückprojektion
Aber das heißt auch, ihr habt kaum improvisert oder?
X: Nein, eigentlich gar nichts. Wir haben nur sehr viel Dialog rausgeschnitten am Ende.
Ach wirklich?
X: Ja, es wurde sehr viel geredet, und wir haben dann bestimmt ein Drittel Dialog gekillt im Schnitt. Es gibt einige Szenen, da wird jetzt fast gar nicht mehr geredet. Das ist auch dem Editor Florian Miosge zu verdanken. Er hat sich oft durchsetzen müssen, weil mir nicht klar war, dass es besser ist, wenn geschwiegen wird.
Wie war es für dich, mit einem Cutter zu arbeiten und nicht alles selbst zu machen?
X: Das ist mir erstmal schwer gefallen. Ich war anfangs sehr mißtrauisch, dass da jemand an meinem Material rumschneidet. Aber Florian hat es sehr schnell geschafft, mich durch einfache Dinge zu begeistern. Ich habe gemerkt, er ist mit Leidenschaft und Liebe dabei und er hatte auch viel bessere Ideen als ich… Am Ende hat er sogar ganze Szenen allein geschnitten, während ich nebenbei anderes gemacht habe, mich zum Beispiel um die Musik gekümmert.
Er hatte auch ein sehr gutes Gespühr für Schauspieler und die Figuren. Meine Produktionsfirma, Komplizen Film, haben mit ermuntert, möglichst mehrere Varianten von den Emotionen, von der Haltung eines Schauspielers zu drehen. Dass er mal sehr ängstlich ist, oder mal sehr selbstsicher, mal ein bißchen witzig, ein bißchen lässig... Florian konnte sehr gut sehen, wo ein Schauspieler besonders überzeugend ist. Und dann geht plötzlich alles in eine andere Richtung.
Es gibt diese eine Szene, wo die beiden in der Bar sind, wo Nina arbeitet. Der Tod sitzt an der Bar und wartet, Juri kommt und geht.
Diese Szene ist tatsächlich aus der Not entstanden. Sie war sehr hoch aufgelöst mit Schuss, Gegenschuss usw. und wir haben gemerkt, wir schaffen unser Pensum nicht. Wir haben dann in der Mittagspause entschieden, wir machen eine Einstellung von vorne und drehen das in einem Take.
Ich finde das total gelungen.
Ja, das war einer der glücklichen Zufälle, wo es gut funktioniert hat.
Davon habt ihr dann mehrere Takes gemacht?
Ja, ganz viele. Da ist es dann wieder schwer, einen auszusuchen.
Beispielsweise bei der Szene im Casino, wo Juri den Tod trifft, da hatten wir so viele Einstellungen, dass die Schauspieler oft nur einen Satz gesagt haben und dann haben wir umgebaut und hatten eine halbe Stunde Pause. Aber hier am Tresen lief die Szene einmal durch und ich glaube es hilft den Schauspielern sehr, das an einem Stück zu machen. Aber dann wiederum sagst du, hier war der Anfang super, hier war das Ende super, aber das kannst du nicht kombinieren, du mußt dich für eins entscheiden.
Wie trifft man diese Entscheidung?
Das weiß ich auch nicht (lacht). Das dauert lange – ein halbes Jahr haben wir geschnitten und ständig hieß es: können wir nochmal den anderen Take sehen… Irgendwann am Ende weiß man es dann einfach. Man muß sich einfach Zeit geben.
Und da wart ihr euch dann auch einig?
Ja, schon. Ich glaube auch, wenn man diese Entscheidungen alleine fällen muß, wird man verrückt.
Man sagt ja, ein Film entsteht zweimal, einmal beim Drehen und einmal im Schneideraum.
Ja, das kann ich bestätigen – ich hatte den Schnitt völlig unterschätzt. Von meinen Animationsfilmen kannte ich das so nicht. Deswegen habe ich auch oft zu wenig Takes gedreht. Meine Produzenten haben mir gesagt, du wirst dich ärgern im Schnitt, aber ich dachte, die Schauspieler haben ja schon das gemacht, was hier steht…
Wie lange habt ihr gedreht?
X: Ich glaube 33 Tage. Ich habe abends alles gesichtet und grob zusammengeschnitten, um zu sehen ob es funktioniert…
Wir haben übrigens sehr viel VFX in dem Film, sieht man das?
Nein, wo denn? Viel Action ist ja nicht gerade…
X: Es sind mindestens 90 VFX-Einstellungen. Bei den Totalen zum Beispiel haben wir die Hintergründe ausgetauscht, damit es nicht dokumentarisch aussieht. Dafür haben wir ganz viele Bilder gesammelt von Großstädten bei Nacht und in Photoshop eine Collage erstellt. Vom Originalbild bleibt nur der untere Teil übrig, wo sich die Schauspieler bewegen.
Im Abspann wird auch eine Rückprojektion erwähnt.
X: Ja, wir haben alle Autoszenen im Studio gedreht.
J: Es war ursprünglich geplant, eine Woche lang mit einem Trailer über Straßen zu fahren, aber das ist erstens sehr anstrengend und kalt im Winter und andererseits wollten wir ja eben nichts Zufälliges im Bild haben. Der Studiodreh hat gut gepaßt, weil es kontrollierter war und nicht so realistisch wirkte.
X: Die Künstlichkeit passte sehr gut.

Es sieht aber nicht so auffällig fake aus, wie man es aus alten Filmen kennt, wo man sofort sieht: die fahren nicht wirklich auf einer Straße.
X: Ja, das funktioniert mittlerweile ziemlich gut. Es gibt ein Auto mit ungefähr zehn kleinen Kameras, mit dem fährt man vorher die Straßen entlang, die man gerne hätte und filmt in alle Richtungen. Nachher steht das Auto im Studio und man kann mit großen Bildschirmen in jede Blickrichtung den gleichen Hintergrund herstellen, weil es rundum gefilmt wurde. Es gibt eine Leinwand über der Scheibe für die passende Reflektion.
J: Und ein Lauflicht das mitgeht, je nach Hintergrund.
X: Ich finde, es ist sehr gut gelungen – in Hollywood-Filmen machen sie es oft nicht mit Rückprojektion, sondern mit Greenscreen, und dann fehlen meist diese Lichtreflexe. Es ändert sich der Hintergrund, aber im Auto passiert nichts. Wir haben uns da sehr viel Mühe gegeben…
J: Und waren auch sehr schnell: in anderhalb Tagen hatten wir alle Autoszenen aufgenommen. Das war komfortabel und auch schön warm. Wir haben ja im November/Dezember gedreht.

Übrigens hattet ihr ja auch einige Vögel unter den Schauspielern. Wie war es, mit Tieren zu drehen?
Das hat alles auf Anhieb geklappt, wir haben nur mit Profis gearbeitet… Dank meines ersten Regieassistents haben wir uns auch gleich am Anfang darum gekümmert und nicht erst kurz vor knapp. Wir haben sogar extra Proben mit den Tieren gemacht, obwohl das teuer war.
Der Rabe hat eine üppige Filmographie, der hat schon in über 50 Filmen mitgespielt und hat gleich beim ersten Take immer alles richtig gemacht.
Wie gibt man denn Tieren die Regieanweisung, sodass sie wissen, was sie machen sollen?
X: Naja, der Rabe soll ja das Herz fressen. Da haben sie dann Fleisch reingesteckt, das er gerne isst, und ihm das gezeigt. Aber trotzdem ging es auch darum, dass er sich an den Schauspieler gewöhnt, daher haben sie erstmal etwas Zeit miteinander verbracht.
J: Die Betty[der Haubenkranich] und Noa waren am Ende richtig befreundet.
X: Die Tiertrainerin meinte, Betty hätte sich wohl in Noa verliebt - sie hat geschrien, als er ging, und war immer ruhig, wenn er da war. Das war ein Glück für uns. Im Zoo sollte der Vogel zum Beispiel auf der Markierung stillstehen. Wir dachten, das wird der nicht machen, der wird abhaun. Aber der stand dann zwei Stunden einfach auf der Markierung, ohne sich zu bewegen, ganz entspannt.
Auch bei der Szene ganz am Ende, da haben wir gesagt: Ok, der Vogel steigt aus dem Auto aus und geht dann nach links. Dann ist der Vogel aus dem Auto gestiegen und ist nach links gegangen…
J: … und hat zuvor noch kurz die Flügel ein bißchen gespreizt. Das war der erste Take, unfaßbar… wir standen alle nur staunend da.
Der Film war überhaupt für uns eine Art Reise, viele Momente waren irgendwie magisch.
X: Für mich sowieso. Ich hatte zuvor ja noch gar keinen Film gemacht, trotzdem hatten wir das Glück so eine coole, kompetente und liebevolle Produktionsfirma zu finden, die alles möglich macht, was man sich wünscht, das war toll. Es kamen auch so viele gute Leute ins Team – ich hätte den Film so niemals gemacht, wenn nicht so viele Leute so coole Ideen gehabt hätten.
J: Alle waren wirklich mit sehr viel Leidenschaft für den Film dabei.
Ich finde, das merkt man dem Film auch an.
X: Ich habe halt versucht es so zu machen, dass wir alle auch ein bißchen Spaß hatten beim Drehen. Das ist natürlich eigentlich unmöglich, es ist kalt und dunkel und unangenehm, aber trotzdem dachte ich, es ist einfach nur ein Film. Es soll niemand deswegen Ärger bekommen, sondern wir machen das ja, damit es irgendwie Spaß macht. Man kann so einen Film ja auf verschiedene Art und Weise angehen.
Also kann es sein, dass ihr nochmal einen Film zusammen macht?
X: Auf jeden Fall!
Am Donnerstag, dem 20. Juni startet O Beautiful Night in den Kinos – in ausgewählten Kinos auch in einer s/w – Fassung | Offizielle Film-Webseite
Zum Abschluss zwei Filmausschnitte:
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