Die Montage: der richtige Take, VFX, Rückprojektion

Aber das heißt auch, ihr habt kaum improvisert oder?



X: Nein, eigentlich gar nichts. Wir haben nur sehr viel Dialog rausgeschnitten am Ende.



Ach wirklich?



X: Ja, es wurde sehr viel geredet, und wir haben dann bestimmt ein Drittel Dialog gekillt im Schnitt. Es gibt einige Szenen, da wird jetzt fast gar nicht mehr geredet. Das ist auch dem Editor Florian Miosge zu verdanken. Er hat sich oft durchsetzen müssen, weil mir nicht klar war, dass es besser ist, wenn geschwiegen wird.



Wie war es für dich, mit einem Cutter zu arbeiten und nicht alles selbst zu machen?



X: Das ist mir erstmal schwer gefallen. Ich war anfangs sehr mißtrauisch, dass da jemand an meinem Material rumschneidet. Aber Florian hat es sehr schnell geschafft, mich durch einfache Dinge zu begeistern. Ich habe gemerkt, er ist mit Leidenschaft und Liebe dabei und er hatte auch viel bessere Ideen als ich… Am Ende hat er sogar ganze Szenen allein geschnitten, während ich nebenbei anderes gemacht habe, mich zum Beispiel um die Musik gekümmert.



Er hatte auch ein sehr gutes Gespühr für Schauspieler und die Figuren. Meine Produktionsfirma, Komplizen Film, haben mit ermuntert, möglichst mehrere Varianten von den Emotionen, von der Haltung eines Schauspielers zu drehen. Dass er mal sehr ängstlich ist, oder mal sehr selbstsicher, mal ein bißchen witzig, ein bißchen lässig... Florian konnte sehr gut sehen, wo ein Schauspieler besonders überzeugend ist. Und dann geht plötzlich alles in eine andere Richtung.



Es gibt diese eine Szene, wo die beiden in der Bar sind, wo Nina arbeitet. Der Tod sitzt an der Bar und wartet, Juri kommt und geht.



Diese Szene ist tatsächlich aus der Not entstanden. Sie war sehr hoch aufgelöst mit Schuss, Gegenschuss usw. und wir haben gemerkt, wir schaffen unser Pensum nicht. Wir haben dann in der Mittagspause entschieden, wir machen eine Einstellung von vorne und drehen das in einem Take.



Ich finde das total gelungen.



Ja, das war einer der glücklichen Zufälle, wo es gut funktioniert hat.



Davon habt ihr dann mehrere Takes gemacht?



Ja, ganz viele. Da ist es dann wieder schwer, einen auszusuchen.



Beispielsweise bei der Szene im Casino, wo Juri den Tod trifft, da hatten wir so viele Einstellungen, dass die Schauspieler oft nur einen Satz gesagt haben und dann haben wir umgebaut und hatten eine halbe Stunde Pause. Aber hier am Tresen lief die Szene einmal durch und ich glaube es hilft den Schauspielern sehr, das an einem Stück zu machen. Aber dann wiederum sagst du, hier war der Anfang super, hier war das Ende super, aber das kannst du nicht kombinieren, du mußt dich für eins entscheiden.



Wie trifft man diese Entscheidung?



Das weiß ich auch nicht (lacht). Das dauert lange – ein halbes Jahr haben wir geschnitten und ständig hieß es: können wir nochmal den anderen Take sehen… Irgendwann am Ende weiß man es dann einfach. Man muß sich einfach Zeit geben.



Und da wart ihr euch dann auch einig?



Ja, schon. Ich glaube auch, wenn man diese Entscheidungen alleine fällen muß, wird man verrückt.



Man sagt ja, ein Film entsteht zweimal, einmal beim Drehen und einmal im Schneideraum.



Ja, das kann ich bestätigen – ich hatte den Schnitt völlig unterschätzt. Von meinen Animationsfilmen kannte ich das so nicht. Deswegen habe ich auch oft zu wenig Takes gedreht. Meine Produzenten haben mir gesagt, du wirst dich ärgern im Schnitt, aber ich dachte, die Schauspieler haben ja schon das gemacht, was hier steht…



Wie lange habt ihr gedreht?



X: Ich glaube 33 Tage. Ich habe abends alles gesichtet und grob zusammengeschnitten, um zu sehen ob es funktioniert…



Wir haben übrigens sehr viel VFX in dem Film, sieht man das?



Nein, wo denn? Viel Action ist ja nicht gerade…



X: Es sind mindestens 90 VFX-Einstellungen. Bei den Totalen zum Beispiel haben wir die Hintergründe ausgetauscht, damit es nicht dokumentarisch aussieht. Dafür haben wir ganz viele Bilder gesammelt von Großstädten bei Nacht und in Photoshop eine Collage erstellt. Vom Originalbild bleibt nur der untere Teil übrig, wo sich die Schauspieler bewegen.



Im Abspann wird auch eine Rückprojektion erwähnt.



X: Ja, wir haben alle Autoszenen im Studio gedreht.



J: Es war ursprünglich geplant, eine Woche lang mit einem Trailer über Straßen zu fahren, aber das ist erstens sehr anstrengend und kalt im Winter und andererseits wollten wir ja eben nichts Zufälliges im Bild haben. Der Studiodreh hat gut gepaßt, weil es kontrollierter war und nicht so realistisch wirkte.



X: Die Künstlichkeit passte sehr gut.


O Beautiful Night (c) Jieun Yi / Komplizen Film
O Beautiful Night (c) Jieun Yi / Komplizen Film


Es sieht aber nicht so auffällig fake aus, wie man es aus alten Filmen kennt, wo man sofort sieht: die fahren nicht wirklich auf einer Straße.



X: Ja, das funktioniert mittlerweile ziemlich gut. Es gibt ein Auto mit ungefähr zehn kleinen Kameras, mit dem fährt man vorher die Straßen entlang, die man gerne hätte und filmt in alle Richtungen. Nachher steht das Auto im Studio und man kann mit großen Bildschirmen in jede Blickrichtung den gleichen Hintergrund herstellen, weil es rundum gefilmt wurde. Es gibt eine Leinwand über der Scheibe für die passende Reflektion.



J: Und ein Lauflicht das mitgeht, je nach Hintergrund.



X: Ich finde, es ist sehr gut gelungen – in Hollywood-Filmen machen sie es oft nicht mit Rückprojektion, sondern mit Greenscreen, und dann fehlen meist diese Lichtreflexe. Es ändert sich der Hintergrund, aber im Auto passiert nichts. Wir haben uns da sehr viel Mühe gegeben…



J: Und waren auch sehr schnell: in anderhalb Tagen hatten wir alle Autoszenen aufgenommen. Das war komfortabel und auch schön warm. Wir haben ja im November/Dezember gedreht.


Märchen statt Realismus - Interview zur Entstehung von O Beautiful Night (Regie / Kamera) : plakat




Übrigens hattet ihr ja auch einige Vögel unter den Schauspielern. Wie war es, mit Tieren zu drehen?



Das hat alles auf Anhieb geklappt, wir haben nur mit Profis gearbeitet… Dank meines ersten Regieassistents haben wir uns auch gleich am Anfang darum gekümmert und nicht erst kurz vor knapp. Wir haben sogar extra Proben mit den Tieren gemacht, obwohl das teuer war.


Der Rabe hat eine üppige Filmographie, der hat schon in über 50 Filmen mitgespielt und hat gleich beim ersten Take immer alles richtig gemacht.



Wie gibt man denn Tieren die Regieanweisung, sodass sie wissen, was sie machen sollen?



X: Naja, der Rabe soll ja das Herz fressen. Da haben sie dann Fleisch reingesteckt, das er gerne isst, und ihm das gezeigt. Aber trotzdem ging es auch darum, dass er sich an den Schauspieler gewöhnt, daher haben sie erstmal etwas Zeit miteinander verbracht.



J: Die Betty[der Haubenkranich] und Noa waren am Ende richtig befreundet.



X: Die Tiertrainerin meinte, Betty hätte sich wohl in Noa verliebt - sie hat geschrien, als er ging, und war immer ruhig, wenn er da war. Das war ein Glück für uns. Im Zoo sollte der Vogel zum Beispiel auf der Markierung stillstehen. Wir dachten, das wird der nicht machen, der wird abhaun. Aber der stand dann zwei Stunden einfach auf der Markierung, ohne sich zu bewegen, ganz entspannt.


Auch bei der Szene ganz am Ende, da haben wir gesagt: Ok, der Vogel steigt aus dem Auto aus und geht dann nach links. Dann ist der Vogel aus dem Auto gestiegen und ist nach links gegangen…



J: … und hat zuvor noch kurz die Flügel ein bißchen gespreizt. Das war der erste Take, unfaßbar… wir standen alle nur staunend da.



Der Film war überhaupt für uns eine Art Reise, viele Momente waren irgendwie magisch.



X: Für mich sowieso. Ich hatte zuvor ja noch gar keinen Film gemacht, trotzdem hatten wir das Glück so eine coole, kompetente und liebevolle Produktionsfirma zu finden, die alles möglich macht, was man sich wünscht, das war toll. Es kamen auch so viele gute Leute ins Team – ich hätte den Film so niemals gemacht, wenn nicht so viele Leute so coole Ideen gehabt hätten.



J: Alle waren wirklich mit sehr viel Leidenschaft für den Film dabei.



Ich finde, das merkt man dem Film auch an.



X: Ich habe halt versucht es so zu machen, dass wir alle auch ein bißchen Spaß hatten beim Drehen. Das ist natürlich eigentlich unmöglich, es ist kalt und dunkel und unangenehm, aber trotzdem dachte ich, es ist einfach nur ein Film. Es soll niemand deswegen Ärger bekommen, sondern wir machen das ja, damit es irgendwie Spaß macht. Man kann so einen Film ja auf verschiedene Art und Weise angehen.



Also kann es sein, dass ihr nochmal einen Film zusammen macht?



X: Auf jeden Fall!





Am Donnerstag, dem 20. Juni startet O Beautiful Night in den Kinos – in ausgewählten Kinos auch in einer s/w – Fassung | Offizielle Film-Webseite



Zum Abschluss zwei Filmausschnitte:







///////////



Du hast einen Film gedreht und möchtest ihn auf slashCAM vorstellen?



Dann schick uns einen Vimeo- oder YouTube-Link mit ein Paar Stichworten zur Produktion (an film at slashcam.de) – wir freuen uns auf spannende, verrückte, kreative, technisch interessante Projekte.




Ähnliche Artikel //
Umfrage
    Welche Streaming-Dienste nutzt Du?













    Ergebnis ansehen

slashCAM nutzt Cookies zur Optimierung des Angebots, auch Cookies Dritter. Die Speicherung von Cookies kann in den Browsereinstellungen unterbunden werden. Mehr Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. Mehr Infos Verstanden!
RSS Suche YouTube Facebook Twitter slashCAM-Slash