In unserer Behind-the-scenes Reihe nehmen wir diesmal die Enstehung eines Low-Budget Horror/Mystery Kurzfilms unter die Lupe. "Blinder Himmel" handelt von einer jungen Frau, die ein Jahr nach einem Autounfall plötzlich eine Erscheinung am Himmel bemerkt, die sie zu verfolgen scheint, und spielt -- ungewöhnlich für das Genre -- bei Tag. Trotz recht viel VFX setzt der Film bis auf die Schlüsselszenen auf einen eher stillen Gruselfaktor.
Den Film hat Markus Baumeister selbst finanziert und weitgehend im Alleingang gemacht -- mit seiner eigenen Filmproduktionsfirma dreht er beruflich ua. Image- und Werbefilme, doch auch in der Freizeit lässt ihn das Thema Film offensichtlich nicht los. Wir haben ihn zu den unterschiedlichen Arbeitsschritten und VFX-Szenen befragt, natürlich auch zur eingesetzten Technik, zum Online-Casting und vieles mehr. Nicht zuletzt hat uns natürlich interessiert, wie der Dreh mit der lokalen Feuerwehr ablief.
Vorbereitung, Dreh und Musik
Was ist für Dich der Reiz des Horror-Genres - als Filmemacher und als Zuschauer?
Ich mag vor allem Filme mit übernatürlichen, mysterischen oder fantastischen Themen. Horrorfilme sind da oft eine gute Anlaufstelle. Ich bin aber von dem was ich schaue sehr breit aufgestellt. Ich habe sogar die Twilight Filme gesehen... die ja irgendwie auch wieder Horror sind. :-D
Im typischen Gruselfilm ist es ja meist Nacht - warum hast Du Dich für einen Horrorfilm entschieden, der am hellichten Tag spielt, und mit welchen filmischen Mitteln hast Du die Horrorstimmung erzeugt?
Ich mochte den Film "It Follows" sowie den Ur-Halloween. Auch dort sieht man das Böse sehr lange im Hellen. Ich glaube, dass so der Zuschauer immer allzeit bereit sein muss. Bei klassischen Horrorfilmen ist es so, dass der Zuschauer weiß, "ah - es wird Nacht oder der Held betritt einen dunklen Raum... jetzt passiert gleich was". Bei meinem Film weiß man nie... wann erscheint die Gestalt... wann bleibt sie verborgen. Ich wollte vor allem einen ruhigen Film drehen, mit langen Kameraeinstellungen, sodass der Zuschauer Zeit hat, im Bild zu suchen - wo ist der Mann oder lauert irgendwo Gefahr?

Wie baut man eine Spannung auf, die über den ganzen Film hält?
Der Film hat ja nicht nur Spannung durch das Thema "Horror". Rein von der Laufzeit her sind das ja nur wenige Minuten. Auch andere Dinge sind wichtig - wie läuft ihr Date, wie kam es zu dem Unfall und was hat es mit den Anfällen zu tun? Es passiert also relativ viel in dem Film. Dadurch bleibt man denke ich gut am Ball und lernt so auch die Figur kennen, was schlussendlich dann auch dafür sorgt, dass man mit ihr mitfiebert.
Wie wichtig war die spezielle Musik? Hast Du die in Auftrag gegeben? Wie war das Zusammenspiel von Musik, Drehbuch, speziellen Szenen und dem Schnitt für maximale Wirkung?
Die Musik kam von Marco Herbert.
Ich hatte schon vorher mit ihm zusammen gearbeitet. Er macht oft klassische Horror-Scores. Ich wollte jedoch etwas mehr in den Synthie / 80er Sound. Das war auch für ihn eine neue Herausforderung, aber hat am Ende super funktoniert.
Ich schneide den Film dabei erst einmal fertig und unterlege ihn mit "Mood" Musik, damit Rhythmus usw. schon einmal stimmt. Das schicke ich dann Marco und der tauscht die Musik dann mit seiner aus. Wir haben an Schnitt und Musik parallel gearbeitet. Was ja oft ein Unding ist, eigentlich kommt die Musik erst am Schluss. Aber da wir den Film in Blöcke aufgeteilt haben, konnte ich so mitten im Film noch was ändern, ohne dass er dann hinten Probleme bekommt.
Du hast das Drehbuch selbst geschrieben, die Regie geführt und auch produziert: Wie sehr denkt man beim Schreiben schon die Umsetzbarkeit mit (bezüglich Drehorte, Aufwand, Finanzierbarkeit etc)?
Ich denke, die oberste Regel bei Kurzfilmen ist, dass man für das Drehbuch nur die Ressourcen verwendet, die man zur Verfügung hat. Das heisst, ich schreibe nicht erst das Drehbuch und suche dann nach dem Drehort. Sondern ich habe meist einen Drehort und überlege mir: "Was kann ich hier passieren lassen?" Genauso auch bei Kamera und VFX, die ich auch bei meinen Filmen immer selber mache. Ich weiß, welches Equipment ich habe und wo meine Skills bei den VFX liegen. So kann ich beim Schreiben das schon so einbauen, dass es auch umsetzbar ist.
Deine Darsteller hast du per Online-Casting gefunden (schon lange vor Corona) – wie läuft sowas ab?
Ich habe bei Facebook und CrewUnited Ausschreibungen erstellt über die Rollen, die ich suche. Dann melden sich meist sehr viele Leute. Für "Blinder Himmel" haben sich insgesamt über 300 Schauspieler beworben. Meist schicken die ja schon ein Reel und Fotos mit. Dann mache ich für jede Rolle meine "Top 3" und mit denen telefoniere ich und rede über das Projekt. Wenn die Chemie stimmt, bekommen die Leute dann 2 Szenen aus dem Buch, welche sie bei sich zu Hause einmal vor ihrer Kamera/Handy vorspielen und mir schicken. Daraus hab ich dann final entschieden und so Lea Knoff und Torben Neupert besetzt.

Wie lang war dann der Dreh, wie groß das Team?
Wir hatten 8 Hauptdrehtage und ein paar zusätzliche, wo ich noch mal eine Totale oder Detailaufnahmen nachgeholt habe. Das Team ist immer sehr klein. Die Schauspieler, die in der Szene dran sind, ein Tonangler und ich. Für den Autocrash hatte ich noch eine Make-Up Artistin und an zwei Tagen hat mal ein Kumpel beim Tragen geholfen.
Du scheinst viel Unterstützung für den Dreh in Deiner Gemeinde bekommen zu haben -- musstest Du da viel rumfragen oder war gleich Interesse da? Und wie konntest Du die Feuerwehr zur Zusammenarbeit überzeugen für die Unfallszene? Wie lief dieser Dreh ab? Wo kamen die Crash-Autos her?
Die Unterstützung kam vor allem bei den Locations. Man kennt sich hier und ist auch nicht so argwöhnisch, wenn ein "Filmteam" vorbei kommt - eher neugierig. Das heisst, man kann hier mit nett fragen und nem Kasten Bier noch viel erreichen. Die Feuerwehr hatte ich bei einem anderen Dreh kennen gelernt. Die haben sich die Autos einfach aus ihrem Fundus für Feuerübungen genommen. Die Autos waren allerdings noch relativ heile zu Drehbeginn; die Feuerwehr hat die dann so mit ihrem Werkzeug bearbeitet, dass sie aussehen wie frisch zusammen gestossen.
Gedreht haben wir auf einem Fahrübungsgelände und auch das Entsorgen hat alles die Feuerwehr übernommen. Das war schon sehr cool und hat mega geholfen.


Kameratechnik, VFX und Kinopremiere
Mit welcher Kamera und welchen Optiken hast Du gefilmt, und in welchem Aufnahmeformat?
Ich hatte die Ur - Ursa Mini 4.6k sowie für die Fahraufnahmen die GH5. Für zwei Shots kam noch eine Phantom 4 Pro dazu. Als Optik habe ich fast ausschliesslich das Tamron 24-70 G2 genommen. Ich hatte zwar noch jede Mende anderer Linsen im Gepäck, aber das ist meiner Meinung die beste Linse, wenn es schnell gehen soll.
Mit der Ursa hab ich alles in CDNG 1:3 aufgenommen und mit der GH5 in Vlog 100Mbit.
Kam besondere Technik beim Dreh zum Einsatz? Wie groß war der technische Aufwand der Szenen bezüglich Licht, Ausstattung, Maske usw.?
Für die Ursa hatte ich eine Devin-Graham Glidecam mit Weste. Die kam z.B. bei der Bus-Händchenhaltszene zum Einsatz oder zu Beginn im Garten. Ansonsten war die Kamera auf dem Stativ, auf der Schulter oder auf nem Kessler Cineslider.
"Blinder Himmel" ist zu 90% mit natürlichem Licht gedreht worden. Lediglich in der Nachtszene hab ich eine Lampe aufgestellt. Das liegt vor allem daran, dass ich keine Hand mehr frei hatte, die noch ne Lampe hätte halten können. Ich hatte zwar immer Lampen im Kofferraum, aber einfach keine Zeit, sie aufzubauen, auch wenn ich mir bei manchen Szenen schon etwas Licht gewünscht hätte. Viele der Fahrten von Lea hab ich zudem im Stand gedreht und dann mit Greenscreen oder auch mit einem Beamer das Fahren "simuliert". Stichwort: Poor Man's Process.
Mit welchem Programm hast Du geschnitten? Mit welchem gegradet?
Den Schnitt und auch das Colorgrading hab ich alles mit Davinci Resolve gemacht. Ansonsten kam noch After Effects und Fusion für die Comps zum Einsatz sowie C4D und Maya für den "Mann" am Himmel. Den Soundmix hab ich dann in Premiere gemacht... Warum ich mich dazu entschlossen habe... keine Ahnung. War jedenfalls dumm :-D
Wieviel der besonderen Stimmung hast Du vom Look her in der Postproduktion erzeugt?
Sehr viel würde ich behaupten. Ich hab versucht das Material so analog wie möglich erscheinen zu lassen. Es sollte sich ein wenig an den 80ern orientieren.
Manche der computergenerierten Spezialeffekte sind verborgen, manche offensichtlich: was waren von den VFX-Effekten her gesehen die aufwändigsten Szenen?
Am aufwendigsten war definitv der fliegende Mann. Nicht, weil es per se aufwendig ist, sondern eher weil da viele Techniken drin sind, die für mich Neuland waren. Zu Beginn wollte ich den Darsteller nur vor einem Greenscreen filmen und dann am Himmel einfügen. Aber das war für mich zu unflexibel.
Also bin ich mit dem Darsteller in ein Studio gefahren, die ihn eingescannt haben. Nun hatte ich ein 3D Mesh mit über 30 Millionen Polygonen. Das hab ich dann reduziert auf gut 2 Millionen (was immer noch viel zu viel ist). Dann hab ich die Vorlage geriggt, animiert, beleuchtet und gerendert.

Der Autocrash der z.B. 100% CGI ist, war gar nicht so aufwendig. Da hab ich ein langes Wochenende dran gesessen. Auch das digitale Make-Up des Mannes und die leeren Augen von Lea in den Naheinstellungen war weniger das Problem. Sowas hab ich in der Vergangenheit schon öfters gemacht und wusste daher, dass es funktioniert.
Gab es ein Storyboard für den gesamten Film oder nur für VFX-Szenen?
Ich bin sehr gut vorbereitet vor meinen Drehs. Ich überlasse so wenig, wie es nur geht, dem Zufall und mache daher so gut wie immer Storyboards und einen Drehplan.
Ist die letzte "Verfolgungsszene" im Auto komplett vor Greenscreen entstanden oder nur zum Teil? Wie wurde das umgesetzt damit es real wirkt?
Es ist ein großer Mix aus allem geworden. Zum Teil bin ich selber Auto gefahren. Dann war wieder Lea am Steuer. Dann war Lea am Steuer vor Greenscreen. Wir hatten ein einsames Stück Straße mit etwa 100m Strecke, an dem wir uns austoben konnten. Dort waren wir auch eine Woche vor Dreh schon einmal und haben quasi alles als Trockenübung geprobt. So konnten wir die ganze Schlusssequenz an einem Tag abdrehen.

Den fertigen Film hast du dann sogar im Kino gezeigt, inklusive einer Live-Performance des Soundtracks - war das nur für geladene Gäste oder offen für alle, mit Ticketverkauf? Wie klappte es mit der Anieferung des DCPs?
Die Premiere war nur für geladene Gäste. Wir haben einen Saal mit 300 Sitzen bekommen, aber da es Corona-Auflagen gab, durften wir max. 100 Leute einladen. Ursprünglich sollte der Film noch an weiteren Tagen dort gezeigt werden. Allerdings wurden dann nach und nach alle Kinos geschlossen und wir entschieden uns, den Film zu Halloween auf YouTube zu veröffentlichen.
Für den Film wurden zwei DCPs erstellt, eines vom Hauptfilm selber und eines vom VFX Reel, welches wir bei unserer Präsentation im Kino auch zeigten. Das DCP vom Hauptfilm wurde von einem Bekannten, der ein kleines Programm-Kino hat, erstellt und das VFX Reel vom Premieren Kino dann selber. Rein bildlich haben sich die beiden Versionen nicht unterschieden, jedoch war die vom Premieren-Kino erstellte Version beim Ton "fetter". Warum weiß ich leider nicht.
... Markus, vielen Dank für die Infos!
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Blinder Himmel
In den Hauptrollen - Lea Knoff, Torben Neupert, Stefan Selno
Regie / Kamera / Drehbuch - Markus Baumeister
Ton - Daniel Pütz
Musik - Marco Herbert
SFX Make-Up - Melanie Dräger
VFX - Das Zeichen
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