Bewegung
Bildachsen und goldener Schnitt sind Gestaltungsprinzipien, die genauso in der Fotografie genutzt werden wie bei Video. Doch während ein Foto nur einen Moment abbilden kann, handelt es sich bei Video um ein Bewegtbild-Medium – nur wer Bewegung in seine Bilder bringt, schöpft das volle Potential von Video aus. Grundsätzlich gibt es 3 Möglichkeiten, den Bildern "Beine zu machen".
Erstens: Das Motiv bewegt sich selbst. Dies ist wohl die einfachste Möglichkeit, Bilder zu dynamisieren. Halten Sie also nach Bewegung Ausschau und binden Sie diese in Ihre Motive mit ein. Fußgänger, Verkehrsmittel, Kinder, Hunde, Wolken, eine Zeitung, die von einem Windstoß erfasst wird – das Spektrum reicht von Alltäglichem bis zu poetischen Momenten. Gezielte Bewegungen im Bildausschnitt können den Aufnahmen auch Tiefe und Struktur verleihen, indem Bildelemente etwa aus dem Hintergrund in die vorderen Bildebene kommen, oder sich auf etwas zubewegen und somit den Zuschauerblick lenken. Einer der ersten Filme überhaupt stellt in dieser Hinsicht so etwas wie eine Urszene dar – „Die Ankunft eines Zuges im Bahnhof von La Ciotat“ (1895) zeigt in einer einzigen Einstellung genau, was der Titel verspricht. Die Kamera ist so positioniert, dass die Gleise diagonal durch den Bildausschnitt verlaufen, der Zug fährt von oben rechts in das Bild, bis die Lokomotive vorne links zu stehen kommt, woraufhin Passagiere ein und aus steigen. Ohne die Kamera zu bewegen (diese Möglichkeit hatte man damals noch nicht) haben die Brüder Lumière auf diese Weise maximale Dynamik in ihr Bild gebracht. Das Gegenteil davon passiert übrigens in dem schon erwähnten Film „Der dritte Mann“. In einer langen Einstellung geht die Hauptdarstellerin aus der Ferne vor bis sie im Vordergrund die Bildfläche wieder verlässt, doch ist von ihrer Vorwärtsbewegung kaum etwas zu spüren, da sie frontal auf die Kamera zugeht (Abbildung 17).

Bild 17: Nicht immer ist eine dynamische Bewegung erwünscht. Um das Moment des Wartens zu betonen verläuft die Bewegungsrichtung in dieser Einstellung aus „Der dritte Mann“ frontal auf die Kamera zu – so ist ein Vorwärtskommen kaum zu merken. [Abbildung mit freundlicher Genehmigung der Kirch Media GmbH.
Wenn sich ihr Motiv nicht bewegt, dann kann sich – zweitens – ruhig mal der Bildausschnitt bewegen. In Maßen angewandt, bringen Schwenks und Zooms Dynamik ins Bild. Achten Sie jedoch darauf, dass diese gleichmäßig verlaufen und nicht verwackeln – es empfiehlt sich (wie stets) mit Stativ zu arbeiten. Mit etwas Übung lässt sich natürlich ein Schwenk auch mit einem sich bewegenden Motiv kombinieren, indem Sie zum Beispiel ein gehende Person mit einem Schwenk verfolgen. Führen Sie dabei die Kamera so, dass mehr Bildraum vor als hinter der Person ist.

Die dritte Möglichkeit, Bewegung ins Bild zu bringen, besteht in der Tat darin, die Kamera selbst zu bewegen. Im letzten Teil der Serie hatten wir ja schon das Schwebestativ besprochen, mit dem ruhige, gleitende Kamerafahrten möglich sind (etwas Erfahrung vorausgesetzt). In professionellen Produktionen werden darüber hinaus auch Kamerakräne und sogenannte Dollys (kleine Wägen auf Schienen) eingesetzt, Mittel die im LowBudget-Bereich selten zu Verfügung stehen. Doch auch hier lohnt es sich zu experimentieren – verglaste Fahrstühle, Rolltreppen, Autos, Skateboards und ähnliches können als Ersatz-Dollys zu durchaus spektakulären Bildern verhelfen (so zum Beispiel in Bild 16).