Über die grundsätzliche technische Ausstattung einer potenten Kamera zum Filmen gibt es kaum noch zu streiten: Sie braucht einen lichtstarken, großen Sensor mit APS-C/S35 oder Vollformat-Abmessungen, der hochqualitativ ohne LineSkipping ausgelesen und zur Aufzeichnung zusammengefasst werden kann. Dazu benötigt man noch eine dynamik-wahrende Aufzeichnung in Log oder RAW sowie direkten Zugriff auf wichtige Bedienelemente wie Shutter oder Blende. Das wär's dann schon im Großen und Ganzen. Und diese Ausstattungsmerkmale besitzt mittlerweile praktisch jeder neu vorgestellte Fotoapparat mit Wechseloptik.
Was braucht eine Kamera zum Filmen wirklich?
Die Spreu vom Weizen trennt sich für manchen Anwender vielleicht noch bei Rolling Shutter Zeiten, den möglichen Frameraten oder den internen Codecs. Doch auch hier werden gerade Auslesezeiten unter 10 Millisekunden und interne 10 Bit 4:2:2 Codecs mit extrem wenig Artefakten der neue Standard bei Hybridkameras.
Weiterhin hat heute nahezu jeder relevante Hersteller seine Hausaufgaben beim Autofokus und bei der Sensor-Stabilisierung gemacht, sodass sich sogar diese "amateurhaften" Bedienungshilfen mittlerweile zuverlässig in einer szenischen Produktion einsetzen lassen.

Die Unterschiede verschwinden
Was mit alledem allerdings auf der Strecke geblieben ist: Eine relevante Differenzierung zwischen den verfügbaren Modellen im Handel. Es hat den Anschein, als würden sich nun alle Hersteller auf diesen gemeinsamen Spezifikationen "ausruhen". Zwar können wir noch erwarten, dass sich in den nächsten 24 Monaten die Rolling Shutter Zeiten weiter in Richtung der vier Millisekunden einer Sony Venice 2 bewegen werden. Und dass sich die gebotene Dynamik noch etwas weiter in Richtung ARRI Alexa35 verschiebt. Dennoch sind grundsätzlich weit und breit keine wirklich revolutionären Hardware-Veränderungen in Sicht.
Für die meisten Produktionen ist ein noch schnellerer Rolling Shutter oder eine weitere Blendenstufe in der Dynamik kaum noch wichtig. Während die Veränderung von 10 auf 14 Blendenstufen innerhalb der letzten 10 Jahre in der Nachbearbeitung wirklich den Unterschied zwischen Kino und Heimvideo dargestellt haben ist ein Unterschied zwischen 14 und 17 Blendenstufen in der Praxis heutzutage weitaus weniger relevant - weil der Grenznutzen einer weiteren Dynamik-Verbesserung immer kleiner wird.
Die größten kommenden Änderungen sind darum in der digitalen Signalverarbeitung zu erwarten, die durch künstliche Intelligenz aktuell einen starken Innovationsschub erlebt. Die Computational Videography ist jedoch in der Postproduktion in der Regel besser aufgehoben, als in der Kameraelektronik - wo Echtzeitanforderungen immer einer bestmöglichen Qualität entgegenstehen.
Gut für Kamera-Besitzer, schlecht für die Hersteller
Für Owner-Operatoren könnte dies also grundsätzlich eine gute Nachricht sein. Denn die tatsächlich benötigten Hardware-Anforderungen an eine szenische Kamera werden sich in Zukunft deutlich langsamer verändern. Und somit bleibt die Investition in eine Kamera auch länger erhalten.
Für die Hersteller bedeutet dies jedoch sehr wahrscheinlich, dass man bis auf weiteres wieder vermehrt über den Preis konkurrieren muss - wobei man nicht nur gegen die Modelle der direkten Konkurrenz, sondern auch gegenüber den eigenen Modellen aus der Vergangenheit attraktiv bleiben muss.
Ein gutes Beispiel hierfür ist die Vorstellung der neuen Nikon Z8. Für Filmer ist diese Kamera eigentlich "nur" eine Z9 für weniger Geld. Hätte Nikon hier den Cripple-Hammer angesetzt, wären wahrscheinlich viele potentielle Anwender enttäuscht gewesen. So sind es eher die Z9-Käufer der ersten Stunde. Ebenso hat Sony faktisch seine "Cine"-Alpha 7 SIII gerade für deutlich weniger Geld in ein kompakteres Gehäuse gepackt.
Smartphones werden schneller aufschließen
Aber wenn die Entwicklungsschritte bei den hybriden Kameras in Zukunft kleiner ausfallen, wird sich sehr wahrscheinlich der qualitative Abstand zu den Smartphones weiter verringern. Eben weil bei letzteren noch mehr Verbesserungspotential in der zukünftigen Entwicklung realisiert werden kann. Der höhere Grenznutzen von zusätzlicher Bildqualität lässt sich in dieser Geräteklasse noch deutlich besser "verkaufen" - zumindest so lange Smartphones noch jedes Jahr in der Bildqualität subjektiv besser werden können.

Dies kommuniziert unter anderem Sony sehr deutlich: So will man schon 2024 die Fotoqualität der eigenen Vollformat-Kameras auch am Smartphone bieten können - wenn auch mit einigen Tricks, die sich fürs Bewegtbild (noch?) nicht so einfach nutzen lassen.
Doch was fehlt denn zum Smartphone Filmen noch konkret? Bildstabilisator und Autofokus sind jedenfalls schon an Bord und auch das Bokeh kann schon heute mehr als passabel simuliert werden. Eigentlich fehlt nur noch ein bisschen Dynamik.
Mehr Dynamik durch KI?
Und gerade die Dynamik dürfte aufgrund von KI in Zukunft eher unwichtiger werden. Neben deutlich verbesserter KI-Rauschunterdrückung (die ja direkt die nutzbare Dynamik erweitert), wird die KI gegebenenfalls auch die fehlenden Details in den Schatten und Highlights plausibel "hinzu erfinden" können. Da es sich hierbei sowieso nur noch um kaum wahrnehmbare Nuancen im Bild handelt, wird nicht viel mehr Dynamik vom Sensor besonders gefragt sein - da man sowieso nicht mehr unterscheiden kann, ob diese Nuancen echt oder künstlich sind. Gleiches gilt analog für andere Details wie Hauttöne.
Überraschende Neuentwicklungen am Horizont?
Ist die aktuelle Film-Technologie für hybride Kameras also vielleicht schon das Ende der technischen Fahnenstange? Im Gegensatz zu den letzten Jahren erkennen wir jedenfalls aktuell keine technisch revolutionären Neuigkeiten mehr am Horizont. Selbst der bislang zuverlässige Trend zu immer mehr Megapixeln beim Bewegtbild scheint mit 8K faktisch ausgereizt. Weitere Verbesserungen in der Bildqualität werden jedenfalls in nächster Zeit vor allem von der Computational Videography vorangetrieben werden. Wie sich diese Entwicklung jedoch konkret in kommenden Kameramodellen manifestieren wird, können auch wir nicht voraussehen. Wir bleiben jedoch extrem gespannt, wohin uns diese Reise in den nächsten Jahren führen wird.