
Der Filmemacher Yousif Al-Chalabi hat mit dem Film "Die Chefärzte der Charité" sein Debut eines abendfüllenden Dokumentarfilms als Regisseur und Kameramann gegeben. Gedreht wurde fast ausschließlich auf einer Canon EOS 7D. Wir konnten uns ausführlich mit Yousif unterhalten über die Filmidee, Workflows und Kameratechnik dieses außergewöhnlichen Video-DSLRs Projekts.
Großen Appetit auf den Film, der erstmals am 19. September, 22:40 Uhr auf arte ausgestrahlt wird, machen bereits die ersten Filmminuten. Hier ein kurzer Ausschnitt:
Wie kam es zur Idee einen Film über die Chefärzte der Charité zu machen – man ruft ja nicht einfach mal bei der Charité an und sagt ich will einen Film machen ?
Nein es war genau anders herum – ein Sender hatte was ausgerufen und das hiess: wir wollen neues Fernsehen machen und die hatten da das Charité-Projekt als Idee vorliegen. Der Film hat also mich gefunden und ist somit eine Auftragsproduktion.
Der Produzent hatte beim Stichwort neues Fernsehen an mich gedacht und da kam dann der Anruf.
War das von der Arte Redaktion selbst initiiert ?
Nein, vom MDR in Kooperation mit Arte.
Die Idee bestand also nur darin etwas über die Charité zu machen und das in möglichst neue, innovative Bilder zu gießen ?
Naja, das wäre schon wieder zu viel gesagt. (lacht) Es gab nur den Satz mit dem neuen Fernsehen ... und der Zielrichtung etwas über Chefärzte zu machen. Für alles weitere beauftragt der Sender dann ja eine Produktionsfirma. Der Produzent hat dann die Dramaturgin an das Erstkonzept gesetzt. Sie hat die Anfangsidee zu einer Inhaltlichen Ausrichtung verdichtet – ich glaube über ca. 1.5 Jahre hinweg lag das dann beim Sender, wurde geändert und wieder neu aufgenommen ... irgendwann war es dann soweit. Sie wollten es endlich umsetzen. Dafür haben sie drei Regisseure zu einem Iddeencasting eingeladen und einer hat dann am Ende den Zuschlag bekommen. Bei mir sahen sie die größte Innovationskraft und einen großen Wunsch nach filmische Sprache.
Was hast du zuvor gemacht ?
Ich komme eigentlich aus allen möglichen Bereichen der Regie / des Umsetzens von Werbegeschichten über öffentlich Rechtliches bis zum Privatfernsehen, Theaterregie und Comicbucherstellung ... - also gib mir ein Thema und ich setz es um: das ist meins – bin überhaupt nicht gebunden in irgendwelchen Sachen ... nach vielen, vielen Jahren Privatfernsehen hat mich dann endlich dieser Film ereilt ...
Die Charité
Ok, lass uns über die Charité sprechen: Wie geht man an die Charité heran – das ist ja nicht irgendein Kreiskrankenhaus sondern DIE CHARITÈ.
Ja, klar, aber DIE CHARITE ist ja jetzt auch öffentlichkeitsfreundlich wenn man ein Projekt hat, das mehr sein will als sagen wir mal eine normale Reportage. Die Dramaturgin hatte bereits Kontakt zu einigen Chefärzten aufgebaut und da war klar: Man will was machen, was rund um den Mythos Chefarzt geht. Die möglichen Protagonisten waren dann auch schenll gefunden. Also sprich: Du gehst hin, bzw. wartest, bis du irgendwann einen Termin kriegst, was schon ziemlich lange dauern kann und sitzt dann vor einem Chefarzt oder wie sie in der Charite heißen „Klinik-Direktor“ und musst dich in ziemlich kurzer Zeit entscheiden, ob der medizinische Bereich, in dem er wirkt, der richtige fürs Fernsehen ist. Am wichtigsten natürlich: ist der Mensch, der Charakter der richtige? Plus die große, große Voraussetzung, dass du eine vertrauensvolle Zusammenarbeit benötigst.

Auch der ausgewählte Chefarzt muss den Film und damit die zum Teil tägliche Nähe über Wochen hin wirklich wollen. Ich hatte ja nicht vorein kleines Filmchen über die Charité zu machen, sondern wollte wirklich zeigen, was hinter den Kulissen passiert, den Alltag von Chefärzten widerspiegeln. Das hat vorausgesetzt, dass auch sie sich mit der Idee des Films anfreunden und man sich völlig frei von Zensurgedanken bewegen kann. Man ist also wie im Irakkrieg embedded in eine Struktur und dann wird im Nachhinein im Gentlemansagreement festlegt, was man behandelt. Dass man vielleicht die ganz blutigen Sachen weglässt wenn es zuviel für den Zuschauer werden könnte etc. Aber die Entscheidung was in den Film kommt, behalte ich mir vor.
Das stelle ich mir sehr zeitintensiv vor: Man muss das Vertrauen gewinnen alle Beteiligten – nicht nur der Ärzte auch der Patienten – ich würde nicht gern im Krankenhaus gefilmt werden ... schätze das geht de meisten so ... oder .. also wie macht man das ?
Ja genau das war die entscheidende Frage – wie macht man das, ohne dass man in der ersten Minute gleich hochkantig rausfliegt (lacht)
Da muss man sagen hilft die Hierarchie der guten alten preussischen Medizin: Wenn der Chef sagt: Ich find das gut, ich mach da mit, dann ist der Weg schonmal zur Hälfte geebnet, d.h, solange der Chef Dienst hat, wird keiner rummucken. Wenn er sagt, es darf gefilmt werden, dann darf gefilmt werden. Fertig. Sein Wort zählt – das ist ein großer Vorteil. Trotzdem muss man das Vertrauen der Gesamtmaschinerie gewinnen, bis diese das Gefühl hat : Ja, wir können dich auch auf Patienten und uns selbst loslassen. Und das kostet dann natürlich Zeit: In unserem Fall ca. 3 Monate. Ich war immer wieder vor Ort um Arbeitsabläufe, Räumlichkeiten und Menschen kennenzulernen bis zu dem Punkt, wo das nötige Vertrauen aufgebaut war.

Warst Du dann auch „Undercover“ im weissen Kittel unterwegs ?
Ja, klar. Bei entsprechenden Visiten wurde man dann „upgegraded“, ich durfte einen Assistenzarztkittel tragen – so kommt man doch noch um das Studium herum (lacht) ...
Und sieht die Welt aus Weisskittelperspektive ...
Phantastisch. Wildfremde fragen dich, wie lange sie noch im Bett liegen müssen. „Ärztliche Kollegen“ schrezen mit dir auf dem Gang über andere Abteilungen.Der schönste Satz kam hierzu von einem Oberarzt: Vorsichtig, mit diesem Teil dürfen sie hier alles machen ... mehr braucht es nicht ... mit diesem Kittel tragen sie Verantwortung. Aber das hat natürlich geholfen Sachen zu betrachten ohne erkannt zu werden als „Der Fremde“, das war sehr wichtig, um nicht über die Menschen hinwegzurollen sondern sie von Innen heraus zu verstehen..
Wie sah es eigentlich mit Sterilität aus ? Musstet ihr die Kameras und Euch ständig einsprühen ?
Kamera nein, Kameramann ja – die Technik ist grundsätzlich sauberer als der Kameramann (lacht). Du musst einen kompletten Kleidungswechsel machen, Atemschutz, die Haare und, und, und ... die Technik darf natürlich nicht gerade vom Außendreh kommen mit einem Stativ, das gerade im Blumenbeet stand und dann in den OP soll – das geht natürlich nicht.

Für eine gewisse Grundreinigung der Technik musst du immer sorgen. Ansonsten gilt ein Sperrbereich rund um die Operationstische von ca. 1- 1.5m – da darfst du nicht ran. Es sei denn, du machst alles extra-steril. D.h. da wird dann wie die andere Technik im OP auch alles abgeklebt. Du bekommst eine Plane, wo nur das Objektiv rausguckt und wo nichts runter rieseln kann. Bsp. vom Schneckengang, Objektivtubus etc. Das kam aber selten vor und wir haben dafür gesorgt, dass das Equipment bestmöglich sauber war.
Was gab es noch für zeitliche Koordinaten beim Film ? 3 Monate vor Ort Recherche ist ja bereits eine genannte, aber wie habt ihr die Arbeitsabläufe im Krankenhaus mit eurem Zeitbudget koordiniert?
Es war auf jeden Fall arbeitsintensiv, sowohl an Stunden als auch an Tagen. Die große Gefahr bei so einem Film ist, dass man zum reinen Sammler wird und dann irgendwann mal vor einem Wust von Material steht und dann sagt: was mach ich jetzt daraus. Um das auszuschließen, habe ich in den 3 Monaten Recherche ein Drehgerüst gebaut, in dem drin stand, was ein filmisches Thema sein könnte; Man verteilt also gewisse Qualitäten an Erkrankungen und an Vorgänge. Ganz abstrakt: eine schwere Operation mit langem Genesungs-Verlauf, eine rein technische OP von Muskel oder Knochen. Wenn Du diese Art der OP nach der Recherche-Phase auch beim Dreh wiederfindest, gut. Wenn nicht, dann versuchst du etwas zu finden, was dem von der Intensität, der Energetik her nahekommt – dann funktioniert es auch.
Wie habt ihr euch den Patienten genähert ? Das sind ja teilweise sehr heftige Schicksale, mit denen ihr da konfrontiert werdet und bei denen die Menschen ihr Einverständnis geben müssen, vor großem Publikum präsent zu sein.
Im Vorfeld des Films habe ich schon gedacht: das wird das schwerste überhaupt. Doch dann hat sich gezeigt, dass es eine relativ einfache Angelegenheit gewesen ist, wenn du es richtig angehst.Zuerst ist Respekt und Zurückhaltung wichtig. Also zwei Eigenschaften, die man vom Fernsehen ersteinmal nicht erwartet. Zweitens: wenn der Chefarzt jemanden vorschlägt und vorfühlt, ob da Interesse besteht, dann ist da schon die Hälfte der Arbeit gemacht. Der größte Vertrauenspartner, den sich der Kranke erhofft ist natürlich das Krankenhaus und sein Operateur und in dem Fall eben der Chef selbst. Und wenn der etwas vorschlägt gibt’s zum einen die Neigung , dass man nicht sofort nein sagt, es sei denn man hat wirklich Kameraangst oder möchte nicht Deutschland/Frankreich-weit gezeigt werden und zum anderen gibt es Leute die sagen, genau weil ich so eine schwere Erkrankung habe, möchte ich das die das filmen und zwar so wie es wirklich ist. Weil ich ein Beispiel geben möchte für andere - dass auch wenn man schwer erkrankt ist, es immer noch eine Tür, ein Fenster gibt, wo Licht durchfällt, wo es Hoffnung gibt.
Letztlich habe ich die Erfahrung gemacht: Je schwerer und abstrakter die Erkrankung ist, desto mehr haben die Leute das Gefühl, dass sie nicht einen Teil ihrer selbst bloslegen, sondern wirklich nur ihre Krankheit ... Der Tumor wird nicht als Teil ihrer selbst empfunden, sondern ist der Feind im Kopf. Letztendlich dokumentiert man dann also, wie der Feind bekämpft wird.
Wenn es sich nicht um eine schwere Kranheit handelt wird es viel schwieriger. Zum Beispiel bei einer Geburt. Eine Frau, eine Paar zu finden das ihren „schönsten Augenblick im Leben“ mit einer großen Öffentlichkeit und einem Film-Team teilt, ist sehr schwer zu finden und braucht auch viel Glück.

Aber einen Patienten mit geöffneten Schädel zu filmen, kein Problem, machen sie mal.
Trotzdem müssen die geeigneten Protagonisten gefunden werden: Eloquenz, Transparenz, die Persönlichkeit spielen für solch ein Filmvorhaben die entscheidende Rolle. Es müssen mehrere Faktoren zusammen kommen, die Krankheit und der Mensch und wie immer bei solchen Sachen hilft Glück: Wenn man redlich daran arbeitet, öffnet sich plötzlich die Tür und man kriegt Sachen geliefert, wo man zuvor dachte: Solch eine Situation darfst Du sicher nie filmen..
Wie lange habt ihr insgesamt gedreht in Tagen oder Stunden ?
Faktische Drehtage hatten wir so 33, 35. In Stunden ist das schwer auszudrücken. An manchen Tagen hat man relativ kurz gedreht. Vielleicht maximal acht Stunden. Aber dann passiert es dir immer wieder mal, dass du bei einem Notfall dabei bist.Du beginnst ganz normal um 06:00 Uhr morgens, endest um 18:00 und später um 21:30 Uhr am Abend sitzt du im Kino und wirst angerufen: Wir haben jetzt einen schweren Notfall – da gehst du dann mit auf die OP und bist um 06:00 Uhr morgens wieder draußen. Das gehört dann einfach mit dazu.
Einmal Ärzte Arbeitszeiten bitte …
Ja genau …aber das hilft ...wenn sie sehen, dass du genauso wenig Pause machst wie sie, dann wirst du eher akzeptiert …
Du weisst jetzt ganz genau, wenn du mal in Charité müsstest, von wem du operiert werden willst …
Ja, sogar welchen Anästhesisten ich gerne hätte.
Und welche Krankenschwester sich um Dich kümmern darf …
Ja genau.
Welches Drehverhältnis hattet ihr ?
Das ist schwer zu sagen – wir haben zum Teil auf 2 Kameras gedreht – das ganze Projekt hat sich nochmal gedreht und gewendet und anders entwickelt … so dass wir zum Teil doppelt gedreht hatten …
DSLR-Dreh
Alles mit DSLRs ?
Der Anfangsgedanke war eigentlich auf ner Sony zu drehen … auf der 700er (Sony PDW 700 XDCAM HD) und dann hat sich herausgestellt, dass die Kamera nicht das Richtige für den Film ist. Das, was interessant ist an der Charité hat einfach ein anderes Medium, eine andere Sichtweise verlangt. Um der Komplexität der Inhalte und Abläufe in der Klinik gerecht zu werden, muss man viel mehr aus der Menge der Bild-Informationenaussuchen können. Und dieses „Aussuchen“ war dann mit der Canon viel eher möglich als mit der großen Sony. Plus: Wenn die große Sony-Kamera um die Ecke kommt, ist das wie ein Leuchtturm und dann kann man die Szene eigentlich vergessen. Auf der großen haben wir wenn`s hochkommt 15 Discs gedreht, auf der Canon 1,5 Terrabyte

Wie war eure DSLR ausgestattet, hattet ihr ein spezielles Rigg, gab es spezielle Brennweiten, Steadicam ?
Dazu muss man ein bißchen ausholen. Die Produktion war gedacht, ganz regulär mit der großen Sony zu machen. Dann hat sich herausgestellt, dass man nur mit der Canon durch ihre Tiefenschärfe eine Staffelung im Bild aufbauen kann, die dem Blick des Menschen viel näher kommt, als letztlich bei einer platten Videokamera. D.h. Wenn ich selektiv jemandem in einer Ärztegruppe zuhöre, dann höre und sehe ich nur den einen und vergesse das Drumherum der anderen. Wenn ich hingegen das normale Videobild habe, dann sehe ich 6 weisse Kittel und aus diesen spricht irgendeiner herraus. Ich kann ihn nicht herauslösen. Ich braucht aber die Isolierung in der großen Totale: Was ist in diesem Raum, an dieser medizinischen Behaldlungstechnik interessant? Wer hat bei 10 Ärzten im Bild das Sagen, wer ist der, der den Fehler gemacht hat, wer will noch was lernen und schaut deswegen genau hin, wer ist der, der schon alles weiss und vor sich hingrinst...Hier musste ich mit dem Mittel der Tiefenschärfe arbeiten. Und das zweite Ding war als oberstes Gebot: maximale Unauffälligkeit. D.h. Die Kamera nicht wirklich aufzumotzen, sondern sie als das zu nehmen, was sie ist. Sie zwar so aufzubauen, dass man sie über den ganzen Tag stabil handhaben kann, aber ohne dass man sie so groß gestaltet, wie es hier und da gemacht wird, mit Mattebox und Schärfezieheinrichtung fettem Schulter-Rig und, und und – dann kann man sagen: da kann ich dann auch gleich mit der großen drehen. Dieses Volumen an Kamera wollte ich nicht haben, dass man mit so einem halben Quadratmeter um den Körper durch die Gegend läuft. Dafür sind die Flure, die OPs, die Umkleiden, etc. viel zu eng und dazu dann noch das imaginäre Schild: Achtung hier wird gedreht. Das wollte ich auf keinen Fall!

D.h. ihr habt ohne Schärfezieheinrichtung gefilmt ?
Genau.
Du sagtest für Dich war das bewußte Legen der Schärfe ein wichtiges Kriterium beim Filmen – wie konntet Ihr die Schärfe da kontrolliert genug führen ? Und das ganze auch ohne Monitor ?
Ich hatte den LCD-Viewfinder dran und das war´s.
Ok
Dazu gehört, dass ich in den 3 Monaten Vorbereitungszeit recht viel das Auge an der Kamera hatte und mit ihr rumgespielt habe.
Und dann hast du gleich ne Augen-OP für Dich mitbestellt ?
Ja, Du musst wirklich mit diesem Ding eins werden. Ich meine ihr wisst das. Das ist keine Kamera, die man aus dem Karton zieht und dann macht sie „gute Bilder“. Man muss sich sehr an den Workflow gewöhnen, wie die Kamera arbeitet - man muss quasi sich der Kamera anpassen und nicht umgekehrt. Sie ist das, was sie ist, mit all ihren Limitierungen, also muss man schauen, dass man daraus das Beste herausbekommt. Mein Ansruch ist echt zu drehen, ohne großes Nachstellen und alles aus der Situation heraus abzufischen: Eine Mischung aus Guerilla-Dreh was die Drehtechnik und Kameraarbeit anbelangt und gleichzeitig halbwegs kontrolliert durch die bekannten Personen und Räumlichkeiten. Bei den medizinischen Vorgänge, wenn man sie ein Paar mal miterlebt hat, weiss man ungefähr, in welche Richtung die Mediziner gehen. Du fährst volles Risiko was die Kamera anbelangt aber du minimierst das Risiko durch die Überschaubarkeit der Abläufe. Wenn ein Gehirnchirurg zu einem Patienten geht, schaut er sich nicht die Füße an. Eine Überraschung weniger beim Dreh.
Was hattet ihr als Optik gewählt ? Was hat sich besonders bewährt ?
Ich hatte das Canon EF-S 17-55mm 1:2.8 IS USM Objektiv mit der 2.8er Öffnung um das Maximum an geringer Tiefenschärfe und das Maximum an Lichtstärke herauszuholen. Das war die Optik mit der ich zu 85% gedreht habe. Der Nachteil an der Optik ist, du landest ja irgendwo bei nem 85er im KB– du kommst an die meisten Sachen nicht nah genug heran, wo man da Gefühl hatte, jetzt würde ich noch gerne näher. Da kommst du dann in den Bereich der absoluten Sterilität des Operationsfeldes und das ist ein absolutes No-Go und auf der anderen Seite schafft diese Limitierung ab auch so was wie: Entweder gehst du dann tatsächlich rein in die Nähe, wenn du es darfst oder du musst gucken, dass du anders mit dem Ding umgehst. Innerhalb einer Szene ein Objektivwechsel ist nicht wirklich ratsam …
Aber wenn ich Canon da noch eins reinwürgen darf: Das 17-55mm hat bei 2.8er hat eine ganz große Schwäche oder Fehler, wenn man so will: Da hat sich Canon ein Ei gelegt. Die Endöffnung im Tele ist nicht 2.8, sondern du landest bei 3.5 oder 4. Wenn du dann da bist, stellst du erschreckt fest, dass dein Bild dunkler geworden ist, du musst nachjustieren und wenn du dann wieder auf Weitwinkel aufzoomst ist dein Bild um 1 bis2 Steps zu hell. Das macht dich total kirre. So eine Optik für 1000 Euro darf man eigentlich gar nicht auf den Markt bringen. Macht sich wohl irgendwie schlecht auf dem Werbeaufdruck 2.8-3.5 zu sagen … ?

Als zweite Optik gab‘s das 70-300 mm mit einer 3.5 Anfangsstärke, stabilisiert. Ohne die Stabilisierung kannst du einen Freihand-Dreh bei der Brennweite vergessen.
Ihr habt viel frei Hand gedreht ?
90% ist Freihand gedreht. Das Maximale was du von jemandem im medizinischen Alltag erwarten kannst, ist dass er vielleicht mal ne Sekunde wartet, damit du dich vor ihn stellst und ihn einmal von vorne aufnehmen kannst, wie er den Gang langgeht. Stativ aufstellen, justieren, abbauen. Das kannst du vergessen. Außerdem bist du dann unflexibel und äußerst auffällig. Diese Leute an der Spitze der Charité sind absolute Workaholics, Hochdruckarbeiter, die keine Zeit zu verschenken haben, auch nicht mit dir im Dreh – entweder du hast es im Kasten oder nicht, dann dein Pech. Du bist also auch mit der Kamera auf einen recht hohen energetischen Niveau. Du musst mit der Kamera so eins, sein dass du nie, nie nachdenken musst, was ich jetzt hier mache. Die ganzen techn. Parameter musst du drauf haben und sie dann vergessen.
War die Canon neu für dich gewesen oder hattest du zuvor schon mit der Kamera gefilmt ?
Nein, sie war absolut neu für mich. Ich habe früher fotografiert. Mir sagten Filmempfindlichkeiten und Belichtungszeiten immer schon mehr als bsp. Gain vom Video. Bei den großen Mühlen lässt du ja bestmöglich die Finger von der Belichtungszeit und anderen Parametern. Bei der Canon musst du sie kennen. Blende, Belichtungszeit, ISO-Wert müssen immer optimal aufeinander eingestellt sein, damit Fehler minimiert werden. Kritisch ist wie die Kamera sich zur Bewegung verhält, das muss man einfach lernen: Um dann ein Bild herauszuholen, dass wirklich ansehnlich ist.
Es gab also eine Lehrzeit mit der Kamera ?
Ja auf jeden Fall, glücklicherweise nicht im Projekt sondern die hatte ich mir außerhalb genommen - ungefähr 3 Monate, in denen ich mit der Kamera rumgespielt habe. Angefangen wo du das erste mal mit dem Ding auf dem Balkon stehst und in die Gegend filmst und dann feststellst, was für ein beschissenes Bild das Ding macht … (lacht) und man denkst sich „Shit ich hab hier mein Geld versenkt“ und dann du bist kurz davor, in den Laden zurückzugehen und das Teil zurückzugeben und zu sagen: Da kann was nicht stimmen …
Meine Kamera macht keine tollen Bilder
… bis man sich dann mal schlau macht … das war Anfangs ein großer Schock .. da bin ich dann ins Forum … hab gesehen, dass ich nicht der einzige bin mit solch einem Schockerlebnis und dann kommt so allmählich immer mehr Vertrautheit auf. Bei dem Teil hast du das Gefühl du hast einen Rennwagen aus den 70ern in der Hand. Wenn du aufs Gas trittst, dann geht’s brachial los, aber du kannst es nicht beherrschen. Total pur. Alles was du machst ist 1:1 und ziemlich brutal da. Du musst mit dem Ding völlig anders umgehen als mit all den anderen die so schön abgepuffert sind.
Ton ?
Ja, das große Problem – nicht zu gebrauchen. Extern – alles komplett extern. Wir hatten ein Sounddevice mit 3 Eingängen, wovon einer per Funk immer am Chefarzt war, eine Angel dazu und je nachdem noch ein Aufsteckmikro bei mir auf der Kamera oder der Funkempfänger als Referenzton bei mir auf der Kamera. So dass du nachher dann wieder den Ton anlegen konntest.
Wie habt ihr die Bilder gesynct ?
Sehr, sehr aufwendig per Hand ... (lacht) Du kannst ja auch keine Klappe in der Vorlesung des Chefarztes schlagen.
Ihr habt also die Hüllkurven übereinander gelegt ?
Ja, genau. Wir waren jetzt nicht auf einem Schnittsystem wo man hätte sagen können, wir nehmen mal schnell Plural Eyes wo beispielsweise sowas schneller geht auf nem Apple ... Hier war s tatsächlich die gute alte Schule. Allein das syncen per Hand hat gut 4 Tage gekostet.
Ihr habt auch mit Kameramann gedreht oder nur Du allein ?
Ja, wir haben zu Begin mit einem Kameramann an der Sony 700 gedreht und ich die B-Kamera mit der Canon EOS 7D um hier und da ein Paar Beauty-Details einzufangen. Daraus entwickelte sich dann immer mehr, dass ich Kamera A wurde und die Sony die B und irgendwann gab`s dann nur noch mich und meine Kamera.

Du hast Dir also nicht extra einen Kameramann gesucht, der sich speziell auf VideoDSLR-Aufnahmen spezialisiert hat ?
Nein. Die Devise war: No Risk No Fun (lacht)
Kannst Du Dein konzeptionelles Vorgehen etwas konkretisieren: Du hattest von einem inhaltlichen Gerüst gesprochen, was Du Dir zurecht gelegt hattest ...
Ja, wir hatten eine Art Outline wie man sie von fiktionalen Projekten her kennt, Bilder-Treatment würde ich es hier für das Doku-Projekt nennen. Jeweils die Kurzbeschreibung einer Szene und was die Szene eigentlich sagt – rein auf der Schriftebene, keine Fotos. Was auch der Sender vorliegen hatte, um es abzunicken. Du gehst nicht in ein solchen Projekt rein und erhältst auch nicht die Gelder wenn die nicht wissen: OK. Du kommst wahrscheinlich mit diesen oder jenen Geschichten/Bildern an. Du nickst und sagst: Genau mit diesem Bildern komm ich an und Du versuchst das zu zeigen was halt typisch ist für den Alltag der Protagonisten, vielleicht auch was den Alltags dieser Klinik von anderen unterscheidet. Du hast gewisse Highlights und an denen hangelst Du Dich entlang. Wir hatten zu Beginn 3, dann 4 Chefärzte und bauten von denen aus auf: Was ist deren Qualität, wofür stehen die.
So hat jeder eine Farbe bekommen und man versucht die auszufüllen: Der Klinikalltag, das Management, die Patienten – ein moderner Chefarzt ist nicht nur der erste unter allen Ärzten, sondern er ist auch wirtschaftlich verantwortlich für seine Abteilung. Jeder führt quasi ein mittelständisches Unternehmen. Sobald du weisst: Was ist hierbei wichtig, versuchst du genau diese Situationen wiederzufinden. Du fragst einfach nach, was in den nächsten Monaten ansteht, welche OPs wirklich einmalig zeigen, was die Leute hier im Haus besser können als woanders. Dann machen sie Vorschläge und du musst schauen, wie ist das rein theoretisch umsetzbar. Was ist eine Sache, die sich filmisch erzählt ? Ist das eine Untersuchung, die eher unfilmisch ist, aber vielleicht intellektuell spannend. Du versuchst also im Vorfeld bereits die Fußangeln zu minimieren. Heutige, moderne Medizin ist grundsätzlich extrem komplex und für ein großes Publikum überhaupt nicht 1:1 übertragbar. Aslo besteht meine Kunst darin, die Komplexität für den Zuschauer einfach zu übersetzen, ohne die Herausforderung und Vielschichtigkeit der Materie zu verflachen.
War es schwer für Dich die 90 Minuten-Länge als Vorgabe einzuhalten ? Hat es sich nach Luxus angefühlt so viel Zeit zu haben ?
Nein, es war nicht Luxus. Ich wollte diese 90 Minuten haben. Es ist ja immer das große Ziel, dass Du die 90 Minuten hinkriegst, dass Dir das jemand genehmigt und sagt: Jetzt darfst du´s. Groß als Luxus hab ich das nicht empfunden. Daraus etwas völlig anderes zu machen, was viel länger geht – einen Mehrteiler oder Experimetalfilm mit zehn Stunden wär´s jetzt nicht gewesen,Da müsste man eine komplett andere filmische Form nehmen. Das Ziel war von Anfang an relativ klar: Anspruchsvoller Dokumentarfilm mit Breitenwirkung, der das Potential hatals Zweiteiler in die ARD zur Primetime zu laufen. Man wollte also großes Fernsehen haben, was für alle konsumierbar ist und gleichzeitig eine hohe Qualität hat: Also die Quadratur des Kreises. Ein Fernsehsender darf sich alles wünschen: Weil er dir deinen Film bezahlt. Er gibt Dir Geld und sagt, wir wollen ein Kreis der Ecken hat und Du nickst dazu: Ja, klar, mach ich Ihnen.
Nachher wenn du dir das Material anschaust und in die Tiefe der Strukturen gehst, ist es gar nicht mal so sehr das Thema, dass man sagt: Können wir daraus nicht 120 Minuten machen oder einen Dreiteiler ?

Der Zeitdruck auf der Timline des 90-Minüters entsteht aus der Konkurrenz der einzelnen Szenen zueinander: Ist die Tumor-OP wichtiger / weniger wichtig als die Geburt eines Frühchens, etc. Du musst knallhart wie im Militärlazarett entscheiden: Blutet weniger: 2 Min. Blutet stärker: 6 Min. Ältere Damen mit schwerem Schicksal: 8 Minuten. Innerhalb dieser Inseln muss Du dich dann bewegen ... Vom Material her, von der Intensität die wir aufgenommen haben ist sicherlich mehr als 90 Minuten drin. Aber die Chance wirst du realistisch nicht haben, davon einen längeren, anderen Film zu machen. Der ist schlicht und einfach nicht bestellt.
Du wirst bei der Auswahl selbst zum Emergeny-Room Doktor:
Vielleicht sehe ich das ja zu profan – aber Fernsehen ist halt selten: Wünsch Dir was. Trotzdem muss du eine klare Vision von dem Film haben, jenseits des Sender-Wunsches.
Habt ihr durch den Einsatz der Canon EOS 7D Kosten gespart ?
Ganz sicher. Was Du durch den Einsatz der Canon EOS 7D an Kosten sparst, kann man an Drehtagen wieder ausgeben. Du hast mit ihr einen Puffer, den du an anderer Stelle für mehr Qualität ausgeben kannst. Sagen wir mal so: Die Canon hat geholfen, dass das Projekt innerhalb seines Finanzierungsrahmens geblieben ist. Für den Produzenten eine willkommene schwarze Null. Hätten wir mit anderen Systemen gedreht, wäre dieser Film teurer geworden. Man kann Krankheiten nicht kontrollieren. Man kann medizinische Verläufe nicht kontrollieren. Man sagt zwar :O.K. Wir haben Minimum 25 Drehtage, Maximum ein Paar mehr, so Dreißig vielleicht aber versuch sie nicht komplett auszuschöpfen. Du drehst einen Protagonisten und im Verlauf entwickelt er sich nicht so stark wie gedacht. Oder: bei so einem Projekt drehst du viel, von dem du beim Dreh bereits weisst, das wird nicht in den Film kommen, weil das so kleine Königsdrehs sind. Du kannst dem Arzt nicht sagen, dass diese Untersuchung jetzt nicht so wichtig ist, aber sein neuestes technisches Spielzeug steht da drinnen. Also filmst du das und weisst genau, es wird nicht im fertigen Film vorkommen, So gesehen hat die Canon den Film ermöglicht, dass er im Rahmen geblieben ist. Mit anderen Systemen wäre es teurer geworden. Auf der anderen Seite hat die Canon aber auch Kosten produziert, die Du mit anderen nicht gehabt hättest: Allein das Ton-Syncen (s.o.), die Kosten für die Archivierung (Footage-RAID) etc. Wenn Du die Canon aber nicht überfrachtest mit Fokuspuller, Aufbauassistent etc., sondern sie wie ein 60er Jahre 16mm Autorenfilmer fährst, dann bist du unterm Strich günstiger.
Hattet ihr zusätzliches Licht für die Canon, z.B. ein LED ...?
Für die Canon hatten wir gar nichts. Aber für die sog. Kerninterviews mit den Chefärzten hatten wir einen „normalen Lichtaufbau“, Größenordnung: wie ein schlecht finanzierter Spielfilm: 2 4 Kinoflos, ne Bank, Profiler, 3 1KWs, Lichtpötte und ein bißchen Folie, das war`s. Relativ klein aber mit dem Versuch die Sache möglichst effektvoll einzurichten. Der Film war jetzt nicht überbudgetiert gewesen – aber halt auch nicht unter. Ich denke, wir haben für das Geld am Ende sehr viel mehr hingekriegt, eben weil die Wurzeln im Indie-Film liegen. Also, ich brauch die Dinge nicht, die einen sonst auf einem normalen Dreh wohlfühlen lassen: Du stehst in der Mitte und freust dich: Uiih, sind alle meinetwegen hier. Ich dreh da lieber 5 Tage mehr oder hab zumindest die Option - dafür aber dann Guerilla-Style.
Die Kerninterviews wurden mit der großen Kamera gedreht?
Mit beiden parallel. Oft auf identischer Achse. Die Canon hat dabei das Close gemacht, die große die Totale.
Postproduktion
Gab`s neben dem Ton besondere Herausforderungen in der Postproduktion mit Hinblick auf die Canon EOS 7D ?
Ja, definitiv. Zunächst muss das gesamte Material dekodiert werden: 1.5 TB sind eine ganze Menge. Es muss komplett gesichtet, in seiner Qualität eingeschätzt werden. Nachts dekodiert der Rechner, am Tag wird geschnitten und dann geht das Ganze von neuem los. So werden dann aus 1.5 TB irgendwas um die 3 (?) TB am Avid. Und dann ist die große Herausforderung die Kompression der Canon. Du hast Limitierungen im Kontrastumfang - sie macht sehr schnell oben zu. Du bist ganz schnell bei einem Weißwert von 100. Ganz schnell sieht etwas wirklich schlimm aus (lacht), ganz schnell sieht etwas wirklich dunkel aus, wo gar nichts mehr ist. Du musst also ziemlich genau belichtet haben. Wenn man das nicht getan hat, hat man einen Arsch voll Arbeit.
Zu Teil hast du Bending im Bild (Farbverlaufstreppen aufgrund der Komprimierung in H264), was du versuchst, nachher zu eliminieren. Und dann kommt die Farbgestaltung: Dem Film einen Look geben. Gar nicht mal so sehr das Thema Colorcorrection, das Angleichen der Bilder ist eh die Vorstufe, sondern wie kann ich einen Look definieren, wo sind die Stärken der Kamera, die ich herausarbeiten kann. Bei einer Szene mussten wir bsp. Treppchenenbildung auf einem sehr hochwertigen Farbsystem so ausmaskieren, dass das Bild komplett neu berechnet wurde, mit 10Bit-Farbübergängen. So dass du beim Betrachten, auch wenn es nur ein paar Sekunden sind, nicht das Gefühl hast, da ist was in einer schlechteren Qualität. Das Material der Canon ist insgesamt recht brüchig. Man darf es nicht zu sehr in eine gewisse Richtung zwingen. Dann kollabieren einem die ganzen Farbkanäle. Kein über die Stränge schlagen in diesem Film – aber das war vom Look her auch gar nicht gewollt. Edle, zurückgenommene Farben und Lichter wie in einem 70er Jahre Spielfilm.
Hattet ihr, um etwas mehr Spielraum in der Post zu haben, die Canon runtergeregelt (bsp. Schärfe. Kontrast)
Ja. den Kontrast komplett runter , die Schärfe minus 3 Steps und die Saturation etwas minimiert. Vom Gefühl her ist der „normale“ Kontrast bei der Canon schon 100% zu hoch. Ansonsten im Neutral-Setting – wir haben keine speziellen Bildprofile angelegt. Ich wollte nicht so sehr an den von Canon vorgegeben Kurven rumspielen. Da wird sich Canon schon einige Gedanken gemacht haben, weil sie die Limitierungen der Kamera selbst am besten kennen.
Rückblickend: Mit den Erfahrungen die du jetzt beim DSLR-Dreh gesammelt hast ? Würdest Du wieder zur DSLR greifen, gibt es neue DSLR-Projekte am Horizont oder einmal und nie wieder?
Unbedingt! Sagen wir mal so: Es hat soviel Mühe gemacht, aus diesem kleinen Teil ein schickes Bild herauszuholen, dass es schade wäre, die gewonnenen Erfahrungen nicht weiter zu nutzen. Ich hab den Eindruck gewonnen: Wenn man komplexe Themen hat und weiss wie man mit der Canon umzugehen hat, ist sie die absolut erste Wahl. Man trifft mit dieser Kamera bereits alle Entscheidungen während des Drehs. Es ist wie der gute alte 16 oder 35mm Analog-Film. No risk, no fun. Das bewahrt dich vor Rumgeeiere später. Was unscharf ist, ist unscharf - du kannst es dann einfach nicht gebrauchen. Was du per selektiver Schärfe rausgepickt hast aus einer Gruppe von Menschen: Das ist derjenige den du verfolgst, das ist das Bild-Interesse was du hast – diesen Fokus wirst du nicht mehr verändern können. Damit entscheidest du dich für eine Art von Filmsprache, für eine Art von Gedanken. Das entscheidet einen Film.
Der DSLR-Dreh hat also einen riesen Vorteil wenn du weisst was du machst und er hat einen riesen Nachteil, wenn du ersteinmal schaust, was du machen willst. Dann schwimmst du mit diesem Teil. Und zwar gewaltig!
Jedes Projekt, was einen die Möglichkeit gibt, einen hochkomplexen Bereich zu drehen, würde ich mit dieser Kamera jederzeit wieder machen. Sie erlaubt dir Prozesse zu dechiffrieren in ihren Bedeutungs- und Hierarchie-Ebenen. Hinzu kommt, dass viele Leute noch nicht wissen, dass sie halt auch filmt. Viele halten dich für bescheuert, weil du nicht auf den Auslöser drückst. Du drehst damit Situationen, wo die Leute nicht wissen, dass sie gefilmt werden. Du hast die Chance ein beobachtendes Auge zu sein, ohne die Situation zu verfälschen. Selbst mit kleinem Drehteam bist du bei größeren Kameras immer die „vierte Wand“ - mit der DSLR wirkst du einfach nicht gefährlich – das ermöglicht dir Aufnahmen einzufangen, die du ansonsten nie erhalten würdest.
Schließlich triffts du mit dieser Kamera auch eine Entscheidung welche Philosophie das Team prägt.Du brauchst einen Workflow mit der Kamera der filmisch ist, nicht Video-mäßig. Am besten mit Leuten, die vom Film her kommen und nicht vom EB-Video. Du gehst mit der Kamera zurück zum Film und das ist wunderbar.
Worauf habt ihr geschnitten ?
Auf Avid MC. Zuerst auf dem 4er und später auf der Symphony 5, auf PC-Basis. Das war ne reine Cutter-Entscheidung. Der Cutter stand bei diesem Projekt von Anfang an fest und der war nach eigenen Aussagen schneller auf Avid als auf Final Cut.
Welchen Schnittcodec hat ihr genutzt ?
DNxHD 185
Worauf habt ihr die Farbkorrektur gemacht ?
Baselight. Eine sehr hochwertige Farbkorrektur im Filmbereich.
Mit zuvoriger Einzelbildausspielung ?
Ja genau. Das Material wurde in Einzebildsequenzen ausgespielt und dann in Baselight geladen. Farb- und Lichtbestimmt und final gerendert, dann wieder als Einzelbid in den Avid zurückgeführt.


Minimales Drehteam warst nur Du an der Kamera – das maximale Drehteam an der DSLR sah wie aus ?
Das war unterschiedlich gestaffelt: Dreh alleine: Der totale Wahnsinn mit nur mir an der Kamera im Chaos eines Notfalls. Dreh zu zweit: der regulierte Wahnsinn mit Tonfrau oder Tonmann. Dann etwas mehr Aufwand mit Assistentin oder Aufnahmeleitung vor Ort, die dir die Abläufe organisiert, dass dir die Patienten, die Untersuchung nicht weglaufen. Die Anfangsformation war wie gesagt zu viert mit Kamramann noch an der großen Sony. Die maximale Ausdehnung bei den Kerninterviews mit Beautyshots, Canon auf einem Glidetrack, Sony auf nem Dolly, Tonmann, Lichtmann, Aufnahmeleitung, Assistentin etc. - also so zu sechst. Aber das war nur für 4 Tage der Fall gewesen.
Die creeping Zooms in die Gesichter der Protagonisten – wie habt ihr die umgesetzt ?
Das waren technische Zooms im Schnitt via Ausschnittsvergrößerung. Die Ranfahrten an die Ärzte z.B im Vorspann, die Bewegung in den Gängen war die Canon EOS 7D montiert auf einem selbstgebastelten Glidetrack. Du brauchst ja dafür meistens nur wenig Weg. Du denkst zuerst, das hättest du gerne mit einem Dolly gemacht und siehst dann, du brauchst nur zwei Sekunden. Den Weg hast du kontrollierter mit so einem System.
Ein Schwebestativ habt ihr nicht genutzt ?
Nein, eine gute Atmung ersetzt dein Schwebestativ (lacht). Nein wirklich, du lernst mit dieser Kamera atmen. Eine Mischung aus Tai Chi für die geführte Kamerabewegung und Kamera-ZEN für die Atmung, damit das ganze wirklch ruhig bleibt. In den besten Momenten sieht es dann wie von einer Steadicam aus ... weniger ist bei solchen Drehs einfach mehr. Damit landest du dann bei einem Guerilla-Dreh anno 1968 mit der Atmung eines tibetanischen Mönchs.
Vielen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg weiterhin
Die Sendetermine sind am:
19. September, 22:40 Uhr auf arte
/ Erstausstrahlung unter dem Titel „Die Chefärzte der Charité“ /
sowie voraussichtlich:
Mo,11.10.10, 21:00 Uhr, ARD Teil 1 Mo,18.10.10, 21:00 Uhr, ARD Teil 2
/ Unter dem Titel „Meine letzte Hoffnung – Chefärzte der Charité“ /

Aus dem Theater- und Opernbereich kommend, hat der Berliner Autodidakt in vielen anderen Kreativ-Bereichen als Werbe-, Krimi- und Comic-Autor, sowie als Regisseur für Image- und Werbefilme gearbeitet, sowie zahlreiche Formate im Privatfernsehen bedient.