Kaum eine Produktvorstellung kommt mehr ohne KI-Funktionen aus und die Kamera-Hardware tritt vor allem im Smartphone-Bereich zunehmend hinter algorithmischen Verbesserungen - Stichwort Computational Photography - zurück. Tatsächlich werden ja alle digitale Aufnahmen ab dem Moment, in dem Licht auf einen Bildsensor fällt bis eine Bilddatei geschrieben wird, zwingend kameraintern bearbeitet und dabei mehr oder weniger interpretiert und optimiert. Je größer die Rechenleistung und moderner das "signal processing" ausfällt, umso beherzter kann jedoch zugegriffen werden, etwa um Bilder aufzuhellen, Farben zu beleben, Rauschen zu verringern. Mehrere zeitlich minimal versetzte Fotos lassen sich etwa automatisch zu einem HDR-Bild zusammensetzen, oder es werden Algorithmen eingesetzt, welche wichtige, zu erhaltende Bilddetails von ungewünschten Noise unterscheiden sollen. Kurz, Fotos werden immer synthetischer.

Diesem Trend komplett gegenläufig bietet die recht beliebte Foto-App Halide für iOS mit der Version 2.15 ein neues Feature, Process Zero. Damit sollen sich komplett "unintelligente" Aufnahmen machen lassen, für welche die nackten Sensordaten von einer einzelnen Belichtung nur einer ganz leichten Bearbeitung unterzogen werden. Das Resultat sind 12MP Fotos, die weicher, ungesättigter und verrauschter aussehen, als man es heutzutage gewöhnt ist.

Vor allem das Rauschen, welches laut App-Entwickler Lux Optics an "Filmkorn" erinnert (jedoch die digital-typischen, eher unschönen gelb/lila Farbartefakte enthält), gibt den Bildern einen ausgeprägten Retro-Look. Andererseits erhält man im Process Zero-Modus ausnahmsweise Kontrolle über die Belichtungszeit (da sich keine optimierenden Algorithmen einmischen).
Die Fotos liegen als Bayer RAW-Datei vor und lassen sich in Bildbearbeitungsprogrammen nach eigenen Vorstellungen optimieren, oder im ebenfalls neuen Image Lab direkt am iPhone "entwickeln" indem die Helligkeit angepasst wird. Auch zuvor gab es in Halide einen Modus, mit dem sich Fotos im Apple ProRAW-Format machen ließen (bzw. auch weiterhin machen lassen), jedoch soll bei "Process Zero" die Apple-Processing-Pipeline komplett umgangen werden und die Fotos bis zu 20x schneller gespeichert werden als in ProRAW. Übrigens zeigt dabei das Display allerdings weiterhin das wie üblich vom iPhone aufbearbeitete Vorschaubild inkl. Rauschreduktion und knackigen Farben.
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Halide Mark II - Pro Camera (2.15) läuft auf iPhones mit iOS 17 oder höher. Ob ein entsprechender Modus auch in Kino, der Video-App von Lux, hinzukommen wird, ist nicht bekannt.
PS
Unter Android gibt es die Möglichkeit Fotos ohne Processing aufzunehmen schon länger dank der App Open Camera.(Danke an Cantsin)