Drohnen nutzen die exakte Bestimmung der Flugkoordinaten per GPS für viele Zwecke wie zum Beispiel vorgeplante Flugstrecken per Wegpunktenavigation, Heimkehr zur Ausgangsposition, Übermittlung der exakten Position in Echtzeit, Vermeidung von Sperrgebieten und Kollisionen sowie Speicherung der Flugroute. Damit GPS allerdings genau funktioniert, müssen mehrere GPS-Satelliten in Sichtlinie sein, damit die Drohne ihre Signale empfangen und daraus ihre Position berechnen kann. Was aber machen, wenn der GPS-Empfang gestört ist, sei es durch absichtliches Jamming oder weil die Signale der GPS-Satelliten die Drohne wegen Hindernissen wie Gebäude oder Vegetation nicht erreichen?
Die bisher verfügbaren Alternativen sind automatisierte visuelle Navigationssysteme, die mithilfe einer Kamera die Eigenarten des überflogenen Geländes mit einer internen Karte abgleichen sowie Trägheitsnavigationssysteme (INS) mit Beschleunigungsmessern und Gyroskopen, welche basierend auf kontinierlichen Messungen der relativen Flugrichtung und Beschleunigung (bzw. Geschwindigkeit) versuchen abzuschätzen, wo sich eine Drohne von einem vorgegebenen Ausgangspunkt hinbewegt hat.
Allerdings weisen beide Systeme deutliche Nachteile gegenüber GPS auf: erstere sind aufgrund der Vielzahl der zu verarbeitenden visuellen Informationen sehr speicher- und rechenaufwendig, bei letzteren addieren sich kleine Messfehler schnell zu größeren Ungenauigkeiten in der Positionsbestimmung auf. Deswegen ist GPS für Navigationssysteme von kleineren und kostengünstigeren Drohnen bisher unersetzlich.
Das wollen die zwei Unternehmen NILEQ und Advanced Navigation jetzt ändern. Sie entwickeln ein Navigationsystem, welches eine neuromorphe Kamera mit einem faseroptischen Trägheitsnavigationssystem zu einem kostengünstigen Navigationssystem kombiniert, welches auch über weite Strecken die eigene Position exakt bestimmen kann.
Was ist eine neuromorphe Kamera?
Die neuromorphe Kamera ist von der Funktionsweise der menschlichen Netzhaut inspiriert und arbeitet deswegen fundamental anders als herkömmliche Kameras: statt Einzelbilder zu erfassen, gibt sie die Helligkeitsveränderungen einzelner Pixel aus, also nur die Unterschiede von Bild zu Bild. Das Navigationssystem erstellt aus diesen Daten sogenannte "Terrain-Fingerabdrücke", die in Echtzeit mit einer vorinstallierten Satellitenbild-Datenbank verglichen werden.
Dieser Ansatz ermöglicht eine präzise Positionsbestimmung bei minimaler Rechenleistung, auch bleibt die Speichergröße der Datenbank dabei verschwindend gering. Das ermöglicht ein deutlich bezahlbareres System für die visuelle Navigation als bisher. Dieses System kann dem INS in regelmäßigen Abständen hochpräzise Positionsupdates liefern, mit deren Hilfe es seine Position neu kalibrieren kann.
Noch kosten solche neuromorphe Kameras um die 1.000 Dollar, aber das INS-System ist sehr viel billiger, sodass das gesamte Navigationssystem sehr erschwinglicher ist als bisherige Alternativen. Zudem verbilligt sich der Erfahrung nach der Produktionspreis mit zunehmenden Stückzahlen schnell, sodass das System in Zukunft bei zunehmender Adaption für immer mehr Drohnen in Frage kommen würde.
Die beiden Unternehmen wollen ihr neues System Mitte 2025 ausliefern - wir sind gespannt, wann das erste dieser Systeme in einer (semi-)professionellen Kameradrohne eingesetzt werden wird. Neuromorphe Kameras können allerdings momentan noch nicht mit Infrarotdaten arbeiten und funktionieren deswegen nicht nachts - neuromorphe Infrarotkameras sind jedoch in Entwicklung und sollten in den nächsten Jahren verfügbar werden.
