"Einzoll" ist bei Sony mittlerweile die meistgebrauchte Sensorgröße, wenn es um 4K-Aufzeichnung geht. Die Videofunktionen der entsprechenden Foto-Modelle (RX10 und RX100-Serie) gehen dabei bereits sehr weit, weshalb Sony neben dem Camcorder-Formfaktor auch noch recht spezielle Features in die Waagschale werfen muss, um noch echte Verkaufsargumente für seine professionelle Camcorder-Kundschaft bieten zu können.

Wie schon das Pärchen AX100/700 hat auch die PXW-Z90 mit der PXW-X70 bereits einen älteren und ziemlich ähnlichen Vorgänger. So sind Form und Haptik auch die 12fach Zoom-Optik mit 9,3-111,6mm bei einer Blende von F2.8 (bis F4) gleich. Schade: Die RX10 aus dem gleichen Hause bietet bei ähnlichem Sensor seit der Mk3-Version eine noch universellere Optik mit 8,8-220mm, die auch der Z90 etwas besser gestanden hätte.

Nicht nur haptischen Zusatznutzen verspricht der mitgelieferte XLR-Griff, der an- und abgeschraubt werden kann. Neben den XLR-Audio-Anschlüssen mit den obligatorischen manuellen Knöpfen und Reglern zum Aussteuern befindet sich an der Oberseite des Griffs auch noch ein zweiter Record-Button sowie ein Mini-Zoomwippe. Die Haupt-Zoom-Wippe am Camcorder-Gehäuse fällt übrigens etwas kleiner aus, als es die meisten Profis gewohnt sein dürften.
Im Gegensatz zur AX700 besitzt die PXW-Z90 einen zusätzlichen 3G-SDI-Anschluss, der jedoch nicht 4K-fähig ist. Dazu verfügt sie über spezielle Netzwerkfunktionen, einschließlich FTP, QoS-Streaming sowie WLAN mit 5 GHz.
Display und Sucher
OLED-Sucher (2,35 Millionen Bildpunkte) und Display (3,5-Zoll-LCD-Touch mit 1,55 Millionen Bildpunkten) bieten für ihre Größe eine ausreichende Auflösung. Jedoch nutzt die gebotene Schärfe beim manuellen Fokussieren wenig. Denn die Fokusvergrößerung (egal ob 4x oder 8x) bringt nicht mehr Details zum Scharfstellen ans Tageslicht, sondern arbeitet mit einer Pixelwiederholung. Dies ist auch schon bei der AX700 so und macht es praktisch unmöglich, feine 4K Details manuell scharf zu stellen. Auch das Peaking orientiert sich an diesen groben Kanten.
Zur Vorschau (und wohl auch zur sinnvollen 4K-Schärfekontrolle) steht die volle 4K-Bildausgabe somit einzig über HDMI zur Verfügung, die SDI-Schnittstelle ist nur 3G-fähig und damit auf 1080p/HD beschränkt.

Bei der externen HDMI-Ausgabe in 4K zeigt das Kamera-Display während der internen Aufnahme kein Motiv mehr. Positiv ist uns dagegen der große HDMI Stecker (Typ A) aufgefallen, der deutlich weniger anfällig auf versehentliche Kabel-Belastungen reagiert, als seine miniaturisierten Geschwister.
Bedienung
Die Bedienung der Kamera im laufenden Betrieb ist Geschmackssache. So fehlte uns persönlich die leer gelassene vordere Taste unter dem Objektiv-Drehrad, die typischerweise für einen automatischen Weißabgleich fungiert. Auch die seitlich angebrachten Buttons für Blende/ISO/Gain und Shutter sind nur schwer blind zu treffen, weil sich deren Position nicht zuverlässig fühlen lässt. Auf der Habenseite steht klar der dreistufige integrierte ND-Filter und die nach wie vor gewohnte Handhabung eines klassischen Camcorders in der Handschlaufe. Somit gilt hier, was wir auch schon zur AX700 gesagt haben: Wer sich etwas in die Bedienung der PXW-Z90 einarbeitet ist hier extrem schnell startklar, was gerade im dokumentarischen Bereich für viele Anwender ein wichtiger Punkt ist.
Die Z90 besitzt keinen echten Ein/Aus-Schalter mehr, sondern nur noch einen Touch-Button unter dem Display, was wir nach wie vor gewöhnungsbedürftig empfinden. Er liegt zudem direkt über dem Weißabgleichs-Knopf, wodurch man die Kamera schon mal im Blindflug versehentlich herunterfährt.
Klappt man das Display zu, so schaltet sich die Kamera nach kurzer Zeit automatisch ab. In diesem Zustand verharrte sie bei uns auch über Tage, ohne spürbar an Akkuladung zu verlieren. Im gemischten Betrieb hielt der mitgelieferte Akku bei uns ungefähr zwei Stunden.
Die grundsätzlich schnelle Einsatzbereitschaft wollen viele Anwender sicherlich mit weiteren Ersatzakkus absichern. Hierbei fiel uns negativ auf, dass Sony trotz Profi-Einordnung kein externes Akku-Ladegerät beilegt. Man muss den Akku daher immer an der Z90 laden. Das mitgelieferte Netzteil besitzt zudem einen proprietären Kamera-Anschluss, was problematisch ist, wenn man bei einem entfernten Dreh feststellt, dass man das Netzteil vergessen hat.
Die Bedienung der Z90 erfolgt an kaum einer Stelle per Touchscreen. Dieses braucht man praktisch nur, um aufpoppende Dialoge wegzuklicken oder um Objekte für die Verfolgung per Autofokus zu selektieren. Die von anderen Broadcast-Modellen bekannte Menüführung muss man dagegen immer mit dem Joystick durchwandern.
Zur Belichtungshilfe gibt es ein Histogramm sowie eine Zebra-Funktionen mit variablem Clipping Punkt. In 10 veränderbaren Picture Profiles lässt sich die Z90 (wie auch das Consumer-Modell AX700) mit unzähligen Parametern feinjustieren. Neben typischen Bildprofilen für Standardsituationen gibt es CINE1-4, ITU709 (+800%), S-Log2+3 sowie 4(!!) HLG-Profile. Alles selbstredend auch noch mit zugehörigen Gamuts wie Rec.709 oder BT.2020.
Kein echtes 4K-HDR
Wie schon die AX700 beherrscht auch die Z90 4K-Aufnahmen nur mit 24-30 Bildern pro Sekunde. Dazu kann 4K intern nur mit 8 Bit/4:2:0 bei maximal 100 Mbit/s aufgezeichnet werden. 4K-HDR definiert Sony eigentlich sogar selber an anderen Stellen mit mindestens 10 Bit und 50/60fps. So definiert ist 4K-HDR mit der Z90 also nicht nicht möglich. Da die Z90 jedoch sowieso eher auf den Broadcast-Markt zielt bietet sie immerhin relevante Zusatzformate in FullHD. Denn im Gegensatz zur AX700 hat Sony bei der Z90 die interne 10 Bit/4:2:2 XAVC-Aufzeichnung freigeschaltet. Diese kann sogar mit bis zu 60p erfolgen, ist jedoch auf maximal 50 Mbit/s beschränkt. Erwähnenswert ist auch, dass sogar die FullHD-Zeitlupen und Superzeitlupen mit 10 Bit gespeichert werden können. Es gibt weiters eine Möglichkeit, das von Sendern oft geforderte MPEG HD422 und MPEG HD420 aufzuzeichnen, jedoch muss diese Option als Software-Update nachgekauft und in der Kamera aktiviert werden.
Aus dem Messlabor - Schärfe, Auflösung und Rolling Shutter
Die Bildqualität unterscheidet sich -wie schon zu erwarten- praktisch gar nicht von der AX700. So nutzt auch die Z90 ein volles Downscaling des 20 Megapixel Sensors, womit sie ein sehr sauberes 4K-UHD-Bild erzeugen kann. Es zeigen sich feine Details ohne sichtbare Falschmuster. Aus Gründen der Abwechslung haben wir einmal die Nachschärfung der Z90 auf den Werkseinstellungen belassen. Diese ist nach unserem Geschmack jedoch deutlich zu stark:

Bis 60 fps ist der Sensorreadout tadellos clean. Bei 100 fps kontinuierlicher Slow-Motion Aufnahme ist eine leichte Filterung der Details bemerkbar, die jedoch noch keine gravierenden Artefakte zum Vorschein bringt:

Alle Frameraten darüber, also 250,500 und 1000 fps können dagegen nicht mehr kontinuierlich über einen längeren Zeitraum geschrieben werden. Stattdessen erfolgt die Aufnahme in einen zeitlich begrenzten Speicherpuffer, der erst nach der Aufnahme auf die Speicherkarte geschrieben wird. Hierbei werden zudem viele Pixel beim Auslesen des Sensors ausgelassen, wodurch sichtbare Artefakte entstehen.
Schon bei 250 fps ist unser Test-Pattern nicht mehr sonderlich ansehnlich:

Ab 500 fps wird dieser Effekt noch stärker:

Den Rolling Shutter schätzen wir im Bereich um die 20 ms. Dies ist kein Spitzenwert, jedoch für 4K-Kameras noch brauchbar, zumal die Z90 durch eine Kombination aus Sensorpixelüberschuss und optischer Linsenkorrektur eine gute Bildstabilisierung mitbringt. Gegen Objekte, die schnell durch das Bild flitzen, hilft dies jedoch nicht.
Bei viel Licht zeigt sich die PXW-Z90 ebenfalls von ihrer guten Seite. Aufnahmen in den neuen HLG-Profilen sind deutlich gesättigter als die Log-Profile. Kein Wunder, diese sollen ja auch out-of-the-box auf REC709-Monitoren gut aussehen. So auch unser 1200 LUX-Testbild:

Bei wenig Licht (12 LUX) vermissten wir stark eine 1.8-Optik. Da wir aus Auschnittsgründen für unsere Aufnahme einen gewissen Mindestabstand zum Motiv einhalten mussten, konnten wir mit der (nicht durchgehenden) Blende nicht unter F3.1 kommen. Da erkennt man schnell, welch enormen Unterschied zwei Blendenstufen in der Lichtstärke ausmachen können:

Gegenüber anderen 4K-Kameras mit Einchip-Sensoren (z.B. die hauseigene RX100 mit F1.8) rauscht die Z90 sehr deutlich.
Fazit
Für einige Anwender (vor allem wenn sie viel mit Sendern zu tun haben) dürfte die PXW-Z90 aufgrund der zusätzlichen Funktionen interessanter sein als die AX700. Hier punkten der optionale MPEG HD-Codec, die 4:2:2 FullHD-Aufzeichnung in 10 Bit, der SDI-Ausgang, der XLR-Handgriff sowie die zusätzlichen Timecode- und Netzwerkfunktionionen.
Was jedoch die reine Bildqualität angeht, wird die Z90 locker von Panasonics GH5 abgehängt, die für weitaus weniger Geld bessere und flexiblere Objektiv-Optionen, einen größeren Sensor, echte interne 10 Bit 4K Aufzeichnung (ebenfalls mit HLG-Gammafunktion) oder bei 8 Bit sogar interne 4K/60p-Aufzeichung bieten kann. Die Z90 kann dagegen vor allem eine echte Zoomwippe und einen integrierten ND-Filter ins Feld führen.
Was uns in diesem Preisbereich von rund 3.000 Euro grundsätzlich missfällt, ist die Haptik der Z90. Gegenüber einer wohl vergleichbaren Canon XF405 bietet die Sony zwar noch mehr wichtige externe Bedienelemente (u.a. für Shutter, Blende, Framerate und Weißabgleich), aber die externen Buttons sind einfach zu fummelig. Profis erwarten für den täglichen Einsatz blinde zuverlässige Bedienung mit mehr taktilem Feedback. In diesem Preissegment liefert dies vor allem die Panasonic AG-UX180, die nicht nur haptisch überlegen ist sondern zusätzlich 4K mit 60p bietet.