Test JVC GY-LS300 - verkanntes Multitalent?

JVC GY-LS300 - verkanntes Multitalent?

Die GY-LS300 kann durchaus mit ein paar Fähigkeiten und Ausstattungsmerkmalen glänzen, die in dieser (Preis-)Klasse keineswegs selbstverständlich sind.

// 13:33 Di, 9. Jun 2015von

Im aktuellen Angebot großsensoriger 4K-CineCamcorder wird es langsam etwas undurchsichtig. Blackmagic hat bereits zahlreiche Modelle auf dem Markt und auch Sony, Panasonic und Canon buhlen schon mit mindestens 1-2 Modellen in diesem Segment um die Käufergunst. Etwas weniger beachtet hat nun auch JVC seinen Großsensor 4K-Vorschlag in Stellung, bzw. auf den Markt gebracht. Erst etwas belächelt (weil schon Sensor und Mount auf den ersten Blick nicht richtig zueinander passen wollen), kann die LS300 durchaus mit ein paar Fähigkeiten und Ausstattungsmerkmalen glänzen, die in dieser (Preis-)Klasse keineswegs selbstverständlich sind. Grund für uns, die Kamera einmal näher anzusehen.





Gehäuse

Bein Auspacken dominieren zwei Aspekte die Anmutung der Kamera: Einerseits ist sie erstaunlich leicht und unerwartet kompakt und schmeichelt sich sofort beim klassischen Camcorder-Anwender durch die rechte Handschlaufe ein. Record-Button unter dem Daumen, Zoom-Wippe (!!) unter Zeige- und Ring-Finger so fühlt man sich gleich an der Kamera heimisch.



Die JVC GY-LS300 kann sich trotz Wechseloptik wie ein "richtiger" Camcorder anfühlen.
Die JVC GY-LS300 kann sich trotz Wechseloptik wie ein "richtiger" Camcorder anfühlen.


Auf der anderen Seite macht das Gehäuse keinen massiven Eindruck sondern klingt an vielen Stellen etwas “hohl”, so als ob im inneren noch viel Platz für zusätzliche Hardware gewesen wäre. So hätte das Gerät vielleicht etwas schlanker ausfallen können, was jedoch nicht so gut zur angepeilten Zielgruppe gepasst hätte.





MFT-Mount-Spielereien bis Super35

Die aktive MicroFourThirds-Mount erlaubt den Einsatz typischer MFT-Optiken. Mit solchen Objektiven funktioniert an der GY-LS300 die elektronische Blendensteuerung sowie der Autofokus. Auch der Bildstabilisator ließ sich z.B. an einem Panasonic 12-35mm/2.8 aktivieren. Ist die Kamera im vollautomatischen Modus fühlt sich das ganze dann fast wie ein typischer Camcorder an. Es gibt auch eine Zoom-Wippe, jedoch funktioniert diese natürlich nicht mit den meisten MFT-Objektiven, weil diese in der Regel keinen Servomotor für die Brennweitenverlagerung verbaut haben. Allerdings scheint jede aktive MFT Optik dennoch Informationen weiterzuleiten, wenn die Brennweite per Objektivring verändert wurde. Denn in diesem Fall erscheint kurz ein Wide/Tele-Balken im Display der Kamera, allerdings ohne spezielle Brennweitenangaben. Angeblich funktioniert die Zoomwippe mit der Motorzoom-Optik Lumix G X Vario PZ 45-175mm f/4.0-5.6 ASPH, was wir in Ermangelung derselben jedoch nicht ausprobieren konnten.



Besonders bemerkenswert an der GY-LS300: Hinter der MFT-Mount wurde kein MFT-Sensor mit dem typischen Crop-Faktor um 2 verbaut, sondern es findet ein größerer Super35mm Sensor von AltaSens (AL41410C) Platz. Normale (und meistens aktive) MFT Linsen können mit ihrem Bildkreis jedoch keinen 35mm Sensor abdecken, weshalb sich sich der Sensor mit variablen Bildkreisen/Crop-Faktoren auslesen lässt. Dies ist auf den ersten Blick sehr elegant, allerdings verliert der Sensor bei der 4K-Aufnahme messbar an Schärfe je näher man von Super35mm (Crop 1.5) in Richtung MFT-Crop von 2 wandert (s.u.). Die beste 4K-Bildqualität liefert er im vollen Super35-Format und benötigt hierfür folglich APS-C oder FullFrame-Optiken, die nur über Adapter angebracht und somit dann fast ausschließlich passiv genutzt werden können.







ND-Filter und günstige Medienpreise

Sehr gut gefallen hat uns der eingebaute, dreistufige ND-Filter (1/4, 1/16, and 1/64 ) vor dem Sensor. Allerdings verhindert dieser im Gegenzug den Einsatz von Optical Reducern wie dem SpeedBooster. Solche optischen Adapter benötigen den hier verbauten Freiraum zwischen Mount und Sensor für ihre Linsenelemente.



Ziemlich günstig fallen die Medienpreise bei der internen Aufzeichnung aus: 2 SDHC/XC Slots bei maximal 150 Mbit/s Datenrate lassen auch bei langen Aufnahmen keine bemerkenwerten Kosten anfallen. Und dank der doppelt ausgeführten Slots hat man für wichtiges Material auch immer gleich ein Backup. Aber natürlich ist auch Continous Recording möglich, wenn man besonders lange Drehs plant.



Leider erlaubt JVC nicht das Speichern in einem höherwertigen Format für die Postproduktion. 8 Bit Quicktime/Mov in H.264/4:2:0 bei 150 Mbit stellen das Maximum der 4K-Aufnahmemöglichkeiten (in 24/25/30p) dar. Und das ist somit auch unser größter Kritikpunkt an der Kamera. Es muss ja nicht gleich RAW sein, aber 10 Bit mit einer Log-Kurve ließen die Kamera gegen die Konkurrenz schon etwas professioneller erscheinen. In FullHD können es dann immerhin 4:2:2 bei 50Mbps (24p-60p) werden, allerdings ebenfalls nur in 8 Bit.



Professionell wirds dagegen wieder in der Audio-Abteilung: 2 x XLR am optional anschraubbaren, mitgelieferten Griff incl. Phantomspeisung ist definitiv in dieser Preisklasse gerne gesehen. Ebenso die 3G SDI-Anschlüsse. Diese sind allerdings nur für HD ausgelegt. 4K-Ausgabe geht folglich momentan (?) nur über HDMI und offensichtlich auch nur in 8 Bit.





Praxis

Ein externes Ladegerät haben wir leider nicht vorgefunden, jedoch einen dicken Akku, der runde 5 Stunden durchhielt. Das erlaubt auch die Kamera permanent eingeschaltet zu lassen. Das ist auch insofern praktisch, weil die Bootzeit unseres Testgeräts bei ca. 10 Sekunden lag.



Das Fokussieren mit der Kamera funktioniert auch mit manuellen Optiken sehr gut, da es einen Expanded Fokus Button gibt, der das Bild mit einem Druck vergrößert. Dazu lässt sich der Ausschnitt mittels Joystick neben dem Display bequem verschieben. Das zuschaltbare Peaking unterstützt ebenfalls das schnelle Fokussieren. Bei der Belichtung hilft allerdings nur ein Zebra-Muster, Histogramm oder Waveform-Monitor konnten wir dagegen in den Menü-Tiefen nicht finden.



Dafür ist uns noch eine weitere nette Funktion beim durchforsten der Menüs besonders aufgefallen: Mittels “Smooth Transition” lassen sich Umschalt-Aktionen der Kamera weich gestalten. So gibt es z.B. bei einer manuellen Umschaltung von 0 auf 12 dB keinen Sprung in der Bildhelligkeit, sondern der Übergang geht danach gleitend vonstatten.





Aus dem Messlabor

Die Kamera ist in vielerlei Hinsicht konfigurierbar, so dass es schon schwerfällt eine grundsätzliche Einschätzung zur Schärfe zu geben, ohne auf den Crop-Faktor einzugehen. Der Bildkreis lässt sich im Menü der Kamera einstellen und reicht in 4K von 100 % (Super 35 / APS-C) bis 80 % ( MFT - Micro Four Thirds lens) in 6 Stufen (100%, 97%, 95%, 92%, 87%, 86%, 80%). In HD lassen sich noch kleiner Sensorbereiche auslesen, z.B. 52% (ca. Super 16) oder 43% (2/3-Zoll B4/B3, ENG).



Wir haben die 4K-Schärfe in drei Bildkreisen gemessen (100%, 89% und 80%):



 Die 4K-Bildschärfe der JVC GY-LS300 bei 100% Sensorfläche (Super35)
Die 4K-Bildschärfe der JVC GY-LS300 bei 100% Sensorfläche (Super35)


 Die 4K-Bildschärfe der JVC GY-LS300 bei 89% Sensorfläche
Die 4K-Bildschärfe der JVC GY-LS300 bei 89% Sensorfläche


 Die 4K-Bildschärfe der JVC GY-LS300 bei 80% Sensorfläche (MFT)
Die 4K-Bildschärfe der JVC GY-LS300 bei 80% Sensorfläche (MFT)




Um eine 1:1 Pixel-Vergleichbarkeit zu gewährleisten haben dabei den Bildausschnitt immer so angepasst, dass der innere Messbereich unseres Testbildes eine horizontale Breite von ca. 340 Pixeln aufweist. (Nebenbei erwähnt: Bei einer Messung mit Festbrennweite eine wirklich fummelige Angelegenheit).


Das Ergebnis zeigt dabei, dass die Schärfe mit dem Sensorcrop variiert. Am schärfsten arbeitet die Kamera im Super35-Modus, am unschärfsten bei MFT-Abstastung. Der Grund dürfte wohl darin liegen, dass bei Super35 mehr Pixel zum Downsampling zur Verfügung stehen. Da der Sensor laut Datenblatt 4512 x 3008 Sensel aufweist, stehen zudem im MFT-Ausschnitt schon rechnerisch gar keine vollen 3840 Horizontalsensel mehr zur Verfügung. Das Ergebnis überrascht daher nicht.



Selbst im Super35 Modus filtert die Kamera (vor allem im Chroma Bereich) ungewöhnlich stark, wodurch feine Details verloren gehen. Dafür hat die Kamera im Super35-Modus auch mit praktisch keinem Aliasing zu kämpfen. In den anderen Modi sind die Artefakte ebenfalls eher schwach ausgeprägt.



Die Farben



Hier einmal ein Bild der Kamera bei 1200 LUX im Automatik-Modus:



 Die JVC GY-LS300 bei 1200 Lux in 4K im Automatik-Modus
Die JVC GY-LS300 bei 1200 Lux in 4K im Automatik-Modus


Nicht zum ersten Mal staunten wir einmal wieder über die satte Farbgebung einer JVC-Kamera. Die GY-LS300 bietet zwar in diversen Menüebenen zahlreiche Eingriffsmöglichkeiten in die Bildcharakteristik, jedoch hatten wir nicht das Gefühl, dass wir die Farben leicht unter Kontrolle bekommen konnten. Es gibt sogar eine Cinema-Gamma Einstellung, die jedoch das Gegenteil üblicher Log-Einstellungen bewirkt und den Kontrast schon in der Kamera verstärkt. Aber es gibt auch die Möglichkeit die Gamma-Kurve grundsätzlich herunterzudrehen (auch wenn hier nicht klar ist, wie die Kurve hierbei verändert wird.) Eine Farbabschwächung mittels der Farbmatrix “Color Matrix Cinema subdued” ist ebenfalls möglich. Allerdings bedeutet der Einsatz dieser Funktionen im Grading viel Handarbeit und Erfahrung, da JVC keine passenden LUTs zur Linearisierung anbietet. Ist man bereit sich mit der Kamera tiefer auseinanderzusetzen, findet man auch noch viele Parameter wie WDR (Wide Dynamic Range) und Master Black/Knee-Einstellungen, die sicherlich noch mehr aus dem Sensor zaubern können. In der Werkseinstellung missfielen uns jedenfalls vor allem die Rottöne.



Low Light



Dank Wechseloptik und großem Sensor lassen sich mit entsprechenden Objektiven auch sehr lichtsstarke Aufnahmen hinbekommen. Als erstes einmal die Kamera im Automatik-Modus:



Die JVC GY-LS300 bei 12 Lux im Automatik-Modus bei 1/50s, F1.4 und 18 dB Gain
Die JVC GY-LS300 bei 12 Lux im Automatik-Modus bei 1/50s, F1.4 und 18 dB Gain


Geht man manuell auf 24 dB Gain und 1/25s bei manuellem Weißabgleich ist man trotz 12 Lux schon am überbelichten.



Die JVC GY-LS300 bei 12 Lux mit manuellem Weißabgleich bei 1/25s, F1.4 und 24 dB Gain
Die JVC GY-LS300 bei 12 Lux mit manuellem Weißabgleich bei 1/25s, F1.4 und 24 dB Gain




Etwas vernünftiger wird es dann bei 12 dB:



Die JVC GY-LS300 bei 12 Lux mit manuellem Weißabgleich bei 1/25s, F1.4 und 12 dB Gain
Die JVC GY-LS300 bei 12 Lux mit manuellem Weißabgleich bei 1/25s, F1.4 und 12 dB Gain


Hier nimmt die Rauschunterdrückung noch nicht zu viele Details aus dem Bild und Farben gibt es auch noch zu sehen. Herunterskaliert nach FullHD wirkt so ein Bild kaum noch wie eine 12 Lux-Aufnahme.





Fazit

Einige Features wie der integrierte ND-Filter oder die XLR-Audio-Anschlüsse sind in der aktuellen Preislage noch keineswegs bei 4K-Modellen Standard. Auch der zweifache SD-Karten-Slot sorgt für budgetfreudliche Medienpreise, wenn man viel Material produziert. Das Konzept des größeren Sensors hinter der MFT-Mount klingt erst einmal gut, jedoch können nur (dann meist zwingend manuelle) Objektive mit Super35mm Bildkreis die Schärfe des Sensors voll ausreizen. Als größten Kritikpunkt sehen wir in dieser Preisklasse die 8 Bit/H.264/4:2:0-Aufzeichnung sowie die Farbgebung in der Werkseinstellung. Wären noch 4K 10 Bit 4:2:2 und eine genormter LOG-LUT/ACES-IDT-Workflow im Paket, so hätte JVC der Konkurrenz einen saftigen Brocken zum Knabbern auf den Tisch gelegt.


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