Canon hat gestern nach Krefeld geladen, um dort der Presse und den Händlern aus dem deutschsprachigen Raum die neue C200 persönlich vorzuführen. Wir haben die Einladung genutzt um erste Eindrücke mit einem Vorserien-Modell der C200 zu sammeln.
Der Erstkontakt fällt wenig überraschend aus. Die Ergonomie ist typisch Cinema EOS, wobei die Kamera eher klein, kompakt und nicht ganz so leicht ausfällt, wie gedacht. Denn mit Griffen (seitlich und oben), Display, Akku und Objektiv bewegt man sich bereits schnell in Richtung 3 Kilogramm. Dennoch gefällt uns die Gesamtkonzeption noch etwas besser als die ähnliche Blackmagic URSA Mini Pro, die doch eine eher klotzige Anmutung verbreitet.

Wer schon einmal eine Cinema EOS in der Hand hatte dürfte sich sofort blind zurechtfinden. Doch auch Neulingen in der Canon-Welt dürfte der Einstieg nicht schwer fallen, solange man weiß, wie man eine Kamera grundsätzlich bedient.

Der mitgelieferte Akku BP-A30 schließt mit dem Gehäuse ab und hält im Dauerbetrieb ca. zwei Stunden durch. Der optionale BP-A60 ragt hinten deutlich weiter aus der C200 und kann dafür aber ca. 4,5 Stunden Strom liefern. Diese Ausdauer bezahlt man allerdings auch mit rund 500 Euro extra.
ND-Filter, eine Frage der Kombination
Ein großes Thema war der ND-Filter, bzw die Anordnung auf den zwei Filterrädern. Denn für Service-Zwecke hat Canon jeweils einen Fensterausschnitt glaslos (also leer) gelassen (in der folgenden Abbildung als “empty” gekennzeichnet):

Betrachtet man die Möglichkeiten der Kombination, so fällt auf, dass es keine doppelte Klarglas-Kombination gibt. Der Standard ist folglich nur ein Glas im Strahlengang, welches die Optionen “Clear”, 2, 4, oder 6 ND-Stops bietet. Will man dagegen die Kombination aus zwei ND-Filtern für 8 oder 10 Stops nutzen, dann liegen zwingend zwei Gläser im Strahlengang, was dann das Auflagenmaß, bzw. den Fokuspunkt verändert.
Canon bezeichnet dieses Problem beim Einsatz von Autofokus-Objektiven als vernachlässigenswert, sieht das Problem aber durchaus bei manuellen Primes. Für diese Objektive lautet dann die Empfehlung nur die ND-Filter bis zu 6 Stops zu nutzen.
Interessanterweise sind die doppelt beglasten 8- und 10-Stop Kombinationen auch nur in einem speziellen ND-Extension-Modus verfügbar. Dieser ist per default ausgeschaltet und kann im Menü zugeschaltet werden.

C700 Sensor und Dual Pixel Autofokus
Der Dual Pixel Autofokus kennt zahlreiche Modi und kann Gesichter und Objekte (die per Touchscreen definiert wurden) verfolgen. Die Schärfe-Messpunkte werden dabei nur in den inneren 80 Prozent der Bildfläche genutzt. Warum nicht alle Pixel zur Messung herangezogen werden können ist uns nicht verständlich, weil doch gerade bei der Dual Pixel-Technologie jeder Sensor-Pixel zur Schärfemessung geeignet ist.
Wie dem auch sei, der Autofokus funktioniert auch bei der C200 äußerst genehm und stellt somit auch weiterhin ein echtes Argument für die Kamera dar. Auch der Fokus Guide, der bei manuellem Fokus die Schärfe eines Bildbereichs visualisiert funktioniert sehr ansprechend:

Tatsächlich scheint in der C200 der volle C700-Sensor verbaut zu sein. Wir hatten kein Maßband dabei, aber der Sensor erschien uns etwas breiter als normale Super35-Sensoren zu sein. Dafür spricht auch, dass Canon für die C200 die gleichen Cropfaktoren wie für die C700 angibt, nämlich:
C4K/2K (4.096 x 2.160 oder 2.048 x 1.080) Crop ca. 1,460
UHD/FullHD (3.840 x 2.160 oder 1.920 x 1.080) Crop ca. 1,534
Somit dürfte fast sicher sein, dass in der C200 auch ein 4,5K Sensor sitzt, dessen zusätzliche Sensel jedoch weder für ein Over-/Downsampling noch für internes 4,5K RAW Recording genutzt werden.
Canon könnte wahrscheinlich jederzeit diese 4,5K-Optionen per Firmware-Update nachreichen, jedoch soll sicherlich auch erst einmal noch der Abstand zur C700 gewahrt bleiben, die mit diesem Sensor -bislang bei Canon-Kameras exklusiv- externes 4,5K RAW über einen CODEX-Recoder bietet. Wir haben leider auch vergeblich nach einer Surround-View-Option für das Display gesucht, was unsere 4,5K-Sensor These bestätigt hätte, jedoch besitzt die C200 in der PreProduktion Firmware keine derartige Funktion.
Der Rolling Shutter Readout erschien uns unauffällig, wir schätzen ihn aus dem Bauch heraus mal im Bereich von 18 ms +/- 4 ms.
Touchscreen, Sucher und Browser-App
Das 4-Zoll Touchsceen LCD-Display fanden wir ebenfalls neutral und konnten es leider nicht bei Sonne im Freien testen. Mit 1,23 Megapixeln ist es nicht bemerkenswert scharf und es kam uns auch nicht außergewöhnlich hell vor. Dafür waren wir vom Sucher
sehr positiv überrascht. Der 1,77MP-OLED Sucher zeigte keine Farbschlieren und hinterließ einen sehr guten Bildeindruck. Allerdings ruckelte er bei Frequenzen abseits von 60 Hz deutlich, was jedoch aktuell noch bei praktisch jedem Hersteller vorkommt.
An Bild-Kontrollmöglichkeiten bietet die C200 Peaking, Zebra, Vergrößerung und einen RGB-Waveform-Monitor. Das Vektorskop der C700 hat sie leider nicht geerbt.

Da die Kamera WLAN besitzt, wollte Canon auch die Steuerung mit einer Browser-App demonstrieren. Hiermit lassen sich nicht nur die relevanten Parameter der Kamera fernsteuern sondern die drahtlose Videovorschau kann sogar für eine Touch-Fokussierung genutzt werden.

Leider ruckelte die Wiedergabe mit ca. 5fps was für eine alleinige Vorschau wohl kaum geeignet ist. Zumal eine Browser-App auch eine elegante Lösung für Käufer des B-Modells der C200 darstellen könnte. Dieses B-Modell der C200 wird für 6000 Dollar ohne jegliches Zubehör und darum auch ohne Sucher und Display ausgeliefert. Laut Canon ist ein Vertrieb des B-Modells jedoch sowieso nur für die USA und Japan geplant.
Formate
Canon hat auch bei diesem Pressetermin weiterhin komplett offen gelassen, was man von dem angekündigten MXF-Firmware Update für Anfang 2018 erwarten darf. Werden hier ähnliche Codecs wie bei der C300 mk2 zu finden sein? Also auch XF AVC in 4K mit 10 Bit?
Wir persönlich haben dazu unsere eigenes Gedankenspiel entwickelt: Wir glauben, dass schon Anfang 2018 ein Nachfolger der C300 Mk2 kommen wird. Diese C300 Mk3 dürfte dann mit internem 4,5K Downsampling und interner 4,5K RAW-Aufzeichnung bei 4K60p mit 12 Bit aufwarten. Wahrscheinlich könnte die C200 dies alles auch schon, jedoch will Canon nicht mit der C200 sein gesamtes Pulver verschießen. Und sobald eine neue C300 mk3 im Markt ist, darf die C200 auch internes XF AVC mit 10 Bit aufzeichnen.
Intern kann die Kamera in MP4 nur UHD mit bis zu 150 Mbit/s bei 4:2:0 Farbauflösung in 8 Bit aufzeichnen. Extern beherrscht nur der HDMI-Port die 4K-UHD-Ausgabe (mit 4:2:2 in 8 Bit).
In FullHD ist die interne Aufzeichnung auf magere 35 Mbit mit 4:2:0 in 8 Bit beschränkt. Dafür können sowohl der 3G-SDI-Ausgang wie auch der HDMI-Port FullHD in 4:2:2 mit 10 Bit ausspielen. Hierbei kommt auch das elegante 2:1 Downsampling zum Einsatz, das schon alle früheren Cinema EOS Modelle auszeichnet:

In FullHD sind bei interner Aufzeichung Zeitlupen mit bis zu 120 fps möglich.
Bei der RAW Cinema Light Aufzeichnung kann in C4K-Auflösung gearbeitet werden, wobei man die Datenraten nicht selber bestimmen kann. 4K bis 30p bedeuten variable 125 MB/s mit 12 Bit, 4K 50/60p sind ebenfalls variable 125MB/s mit nur noch 10 Bit.

Die Daten werden jedoch nicht linear in den RAW-Files gespeichert sondern vorher logarithmiert, damit jede Blendenstufe im RAW File ungefähr die gleiche Menge an Helligkeitsabstufungen hat. ARRI und Blackmagic speichern übrigens ihre 16 Bit Sensor-Daten nach dem gleichen Prinzip in 12 Bit RAW. Im Gradingprogramm werden diese dann für den Anwender transparent nach 16 Bit Linear “entfaltet”.
Ähnliches darf man also auch von Canon Cinema RAW erwarten, wenn die Softwareunterstützung in mehr Programmen vorhanden sein wird. Laut Canon steht das SDK für die Software-Entwickler bereit und bietet auch von Haus aus beschleunigte GPU-Decoding Unterstützung. Sollte dem so sein, hätte Canon hier seine SDK-Hausaufgaben sehr sorgfältig gemacht.

Fazit
Die C200 wird fraglos ein großer Erfolg für Canon werden. Im eigenen Cinema Kamera Portfolio wirkt die Kamera fast schon zu günstig bepreist, zumal sie in vielen Belangen den beiden größeren Modellen (C300 MkII, C700) das Wasser reichen kann und sie bei der internen RAW-Aufzeichnung sogar noch aussticht.
Noch relevanter schätzen wir jedoch ein, dass sie aktuell die zweitgünstigste “quasi drehfertige” 4K-RAW-Kamera im Markt ist. Diesen Preisbereich konnte bislang nur Blackmagic mit der URSA Mini Pro bedienen. Gerade von Canon hätten wir im Bereich RAW Aufzeichnung keine so direkte Konkurrenz erwartet. Gegenüber der URSA Mini Pro glänzt die C200 dazu mit der kompakteren Bauform (inkl. Akku), dem zusätzlichen Sucher und dem Dual Pixel Autofokus was den Aufpreis von 2.000 Euro schon rechtfertigen kann. Dazu kommt die von vielen geschätzte Canon Color Science, die man nun erstmals unter 10.000 Euro in 4K-RAW Qualität nutzen kann.
Wir erwarten dass die Kamera (wie schon die C700) durch ihren 1:1 Pixel Sensor-Readout jedoch beim Debayering/Aliasing hinter der Blackmagic URSA Mini Pro und der Panasonic UA-EVA1 zurückbleiben wird, jedoch muss man bekanntlich einen Tod sterben. Dies dürfte jedoch auch der einzig relevante Nachteil der C200 gegenüber der direkten Konkurrenz werden. Und wie schon erwähnt hat Canon mit dem verbauten 4,5K-Sensor noch einen Trumpf in der Hand. Sei es für ein Firmware-Update der C200 (unwahrscheinlich) oder ein teureres Modell (wahrscheinlich).