Motiondesing und Editing haben sich dem bewegten Bild verschrieben, doch vielfach wird das Rohmaterial in Form von stehenden Bildern, sprich: Fotografien geliefert. Qualitativ hochwertige Workflows in Sachen Bildbearbeitung werden hierbei vorausgesetzt und die beginnen bei der Verarbeitung von fotografischen RAW-Formaten, selbst wenn später >nur< ein JPEG weiter verarbeitet wird. Adobes Photoshop Lightroom und Apples Aperture wurden für RAW-Bearbeitungs-Workflows im Bereich der digitalen Fotografie entwickelt - ein Praxisvergleich zeigt Stärken und Schwächen.
Über die Entwicklungsgeschichte dieser vergleichsweise recht jungen Softwaregattung ist bereits genügend woanders geschrieben worden. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle nur kurz darauf hingewiesen, dass Apple mit der Vorstellung von Aperture 1.0 im Oktober 2005 den Anfang machte, gefolgt von einer langen öffentlichen Beta-Phase von Adobes Lightroom, die im Januar 2006 begann und ein Jahr später, im Januar 2007 mit der Vorstellung der 1.0 Version endete. Im Folgenden wollen wir uns auf eine Auswahl von Features aus der Praxis konzentrieren, die wir bei den aktuellen Versionen von Aperture und Lightroom vergleichen wollen. Da sowohl Aperture als auch Lightroom recht komplexe Tools darstellen, die sich in erster Linie an den Prosumer, bzw. an den Profi richten, kann hier nur eine Auswahl an Features miteinander verglichen werden. Da sich Aperture und Lightroom unserer Meinung nach ziemlich stark in ihren Arbeitsweisen voneinander unterscheiden, sollte es dem geneigten Leser nicht allzu schwer fallen, die für seine oder ihre Arbeitsweise beste Bedienphilosophie zu wählen.
Getestet wurden Aperture und Lightroom auf Apples Flagschiff-17"-Laptop mit 4GB RAM, 2,4Ghz Intel Core Duo Prozessor und GeForce 8600M GT Grafikkarte mit 256MB Videospeicher. Letztere spielt vor allem bei Aperture eine nicht unwesentliche Rolle, weil hier ein Großteil des Bildprozessings über den Grafikchip abgewickelt wird, im Gegenteil zu Lightroom, welches mehr auf CPU-Power zurückgreift.
Bedienphilosophien
Gemeinsam ist Aperture und Lightroom die Verpfliichtung auf 3 entscheidende Arbeitsprozesse, die sich alle um die digitale Fotografie lagern: Die Verarbeitung von RAW-Formaten, die datenbankgestützte Bildverwaltung, sowie der Export in unterschiedlichste Medien wie Print, WWW, diverse Vorschaumodi (Mail) etc. Hierbei werden unterschiedliche Bedienkonzepte vertreten, die unterschiedlichen Arbeitsweisen zu Gute kommen. Adobes Lightroom stellt im Vergleich zu Apples Aperture den stärker reglementierten Workflow bei der RAW-Verarbeitung zur Verfügung. Der Modulare Aufbau von Lightroom gliedert die Software in fest unterteilte und damit auch voneinander getrennte Bereiche: Bibliothek, Entwickeln, Diashow, Drucken und Web.

Das bedeutet, dass die einzelnen Aktionen mehr oder weniger stringent an die einzelnen Module gebunden sind. Anders hingegen in Aperture, wo Bearbeitungs- und Sortierfunktionen weniger stark voneinaner getrennt sind, bzw. der User selbst entscheiden kann, welchen Arbeitsprozess er jetzt initiieren möchte. Die Empfehlung geht hier an das flexible Arbeiten mit Aperture für all diejenigen, die mehr eigene Entscheidungsfreiheit verbunden mit erhöhter Komplexität schätzen und an das pädagogisch-modulare Konzept mit Lightroom für all diejenigen, die sich einfacher mit klaren Vorgaben zurechtfinden.

Ein großer Pluspunkt in Aperture stellt das Arbeiten mit sogenannten Schwebepalletten dar, die einigen Anwendern aus Motion vertraut sein dürften. Das Arbeiten im Fullscreenmodus anhand von Schwebepaletten ermöglicht ein sehr intuitives, bild-nahes Arbeiten in Aperture, der ständig präsente graue Rahmen in Lightroom lenkt hingegen eher vom Bild ab - doch zugegeben, eine Entscheidung für oder wider die jeweilige Bedienphilosophie ist zu einem großen Teil persönliche Geschmackssache und sollte vor einem Kauf anhand der Trial-Versionen auf die eigenen Bedürfnisse hin ausprobiert werden.

Dies gilt ebenfalls für die Art des RAW-Converters. Bei Apple ist er in das Betriebssystem integriert und wird mit regelmäßigen Updates um neue Kameratypen erweitert. Bei Adobe wird das Camera-RAW von Photoshop verwendet, das ebenfalls einem kontinuierlichen Update unterliegt. Bei unserem Praxistest haben wir keinen Unterschied in der Verarbeitungsqualität der beiden RAW-Engines feststellen können - das bedeutet jedoch nicht, dass es bei anderen Kameratypen (als der Nikon D70s) nicht auch zu Unterschieden kommen kann - auch hier gilt: ausprobieren geht über studieren via Trial-Version.
Import
Der Import von Bildbeständen direkt von der Kamera oder von einer Festplatte, DVD etc. ist sowohl bei Aperture als auch bei Lightroom gut gelöst und klappte problemlos - wichtig beim Import neben dem direkten Import von der Kamera scheint uns die Möglichkeit, auch Unterordner aus älteren Archiven mit eigener Ordnerstruktur importieren zu können - sowohl Aperture als auch Lightroom kamen mit dieser Aufgabe ohne Aussetzer klar. Lightroom zeigt beim Import von Bildern den Status des Imports an, während man bei Aperture einfach warten muss, bis das Programm fertig ist. Hinzu kommen etwas längere Bearbeitungszeiten bei Aperture in der Erstellung von Vorschaubildern. Bei unserer Testbibliothek von knapp 1000 RAW-Aufnahmen liess sich jedoch mit beiden Programmen flüssig arbeiten - mit leichten Performance-Vorteilen für Lightroom, während Aperture mit zahlreichen Kopier- und Archivierungsoptionen komplexere Import- und Verwaltungsmöglichkeiten bot. Der IPTC-Support ist bei beiden Applikationen sehr gut gelöst.
Bildvergleich
Jeder bearbeitet seine Bildsequenzen anders - doch für viele wird zu den unverzichtbaren Arbeitsschritten der Vergleich von Bildern zählen. Sei es, dass Bilder innerhalb einer Sequenz miteineinander verglichen werden sollen oder am gleichen Bild unterschiedliche Bearbeitungsmöglichkeiten in einem >Vorher/Nacher< durchgespielt werden sollen. Beide Programme bieten hierfür erneut unterschiedliche Konzepte an.

Lightroom stellt einen X/Y Vergleichsbutton zur Verfügung, um unterschiedliche Bilder miteinander zu vergleichen. Allerdings scheint der Vergleich, wie der Button "XY" bereits sagt, auf zwei Bilder limitiert zu sein. Aperture stellt auch hier die flexiblere Lösung dar.

Per Mehrfach-Auswahl lassen sich beliebig viele Bilder vergleichen und bei Bedarf in sogenannten Stapeln oder Leuchttischen zusammenfassen. Ein Bild zu Bild Vergleich mit paralleler Zoom-Funktion ist ebenfalls möglich. Wer wie in Lightroom in einem Vorher/Nacher Vergleich in Aperture arbeiten möchte, erstellt eine Kopie des zu bearbeitenden Bildes und ruft dann beide auf. Einerseits etwas umständlicher in Aperture als in Lightroom gelöst, dafür jedoch flexibler, weil sich so beliebig viele Bilder abgleichen lassen. Während die bisherigen Unterschiede in den meisten Fällen erneut durch persönlichen Geschmack entschieden werden dürften, gibt es jedoch auch handfeste Features, die entweder da sind oder nicht. Bei Aperture liegt ein ganz entscheidender Vorteil in den sehr ausgefeilten Lupenfunktionen, die ebenfalls für den Bildbearbeitungsvergleich eine Rolle spielen können - bei Lightroom hingegen ist das große Plus in Sachen Tonwert-Kurven zu sehen. Hier nun also zu den unterschiedlichen Paradedisziplinen:
Lupe / Vergrösserungen
Die Lupen-Tools in Aperture stellen hervorragende Hilfsmittel bei der Beurteilung von Schärfe und dem Vergleich von Bildbearbeitungsparametern an ausgewählten Bereichen dar. Vor allem die sogenannte "zentrierte Lupe" erleichtert das Arbeiten ungemein, lässt sich diese auf Wunsch am Bildrand oder außerhalb des Bildes parken und dann mit dem Cursor die Bereiche einblenden, über denen sich gerade der Mauszeiger befindet.

Platziert man die Lupe hingegen über einem bestimmten Bildbereich, wo man gezielt Bildanpassungen vornehmen möchte, verändert sich zunächst nur der Bereich, der sich innerhalb der Lupe befindet - eine sehr gute Möglichkeit, Bildveränderungen gezielt zu überprüfen. Lightroom hingegen bietet hier nur die beschriebenen Vergleichstools an. Lupen-Funktionen sind in Form von fest eingestellten Vergrösserungswerten abrufbar und somit nur unzureichend implementiert. Wer mit hoher Präzision und Kontrolle an seinen Bildern arbeiten möchte, findet sich in diesem Punkt bei Aperture besser aufgehoben. Anders sieht die Sache hingegen bei der Korrektur von Tonwerten aus - hier weiss Lightroom klar zu punkten ...
Tonwerte
Beide Applikationen verfügen über ein oder mehrere Histogramme zur Beurteilung der Farb/Tonwertverteilung - soweit so gut. Für die Bearbeitung der Tonwerte stehen jedoch unterschiedliche Controls zur Verfügung.

Lightroom setzt bei den Tonwerten auf Bezierkurven während Aperture auf kombinierte Schieber über Histogramm-Grafiken setzt. Es mag der Omnipräsenz von Photoshop geschuldet sein, aber intuitiver ist eindeutig das Arbeiten mit der Bezierkurve in Lightroom. Dies soll nicht heissen, dass man in Aperture nicht zu den gleichen Ergebnissen in der Tonwertkorrektur kommt - doch in Sachen Tonwert geht nunmal nichts über Kurven. Punkt für Lightroom.
Stapel
Sowohl Aperture als auch Lightroom bieten sogenannte Stapel an. Hier können mehrere Fotografien einer Serie zusammengefasst und nach Präferenz (zumindest bei Aperture) innerhalb des Stapels sortiert werden. Vor allem für hochfrequente Bildfolgen eine sehr übersichtliche Sache, die die Projektbibliothek aufgeräumter hinterlässt. Bei der Verwaltung der Stapel liegt Aperture vor Lightroom, da bei Aperture die Sortierung innerhalb eines Stapels intuitiv klappte, bei Lightroom jedoch nicht. Zudem ist der Aperture-Stapel aufgeklappt übersichtlicher in der Gesamtbibliothek als bei Lightroom zu betrachten. Punkt für Aperture.
Systemanforderungen
Die Liste der Systemanforderungen beider Applikationen unterscheidet sich stark. Während Apple ausführlich und sehr genau zwischen Mindestsystemanforderung und empfohlener Konfiguration unterscheidet, reicht Adobe für Lightroom eine knappe Notiz für Windows und für Macintosh-Rechner. Zusammengefasst scheint sich Lightroom eher auch für ältere, bzw. nicht ganz so leistungsstarke Rechnerkonfigurationen zu eignen, wohingegen Aperture eher mit Top-Hardware richtig rund zu läuft. Dies ist ein Kritikpunkt, den Apple mit den letzten Updates zu Aperture bereits im Visier hat. Die Geschwindigkeitsunterschiede waren auf unserem State-of-the-Art MacBook Pro verschwindend gering mit minimalen Vorteilen für Lightroom - bei weniger kräftigen Konfiguationen mag dies anders aussehen.
Fazit
Aperture und Lightroom bieten unterschiedliche Philosophien und Lösungsansätze an und liegen doch sehr nahe beieinander - vor allem, wenn man die Endergebnisse in Form von Bildern betrachtet. Beide stellen hochwertige Werkzeuge für die RAW-Bildbearbeitung zur Verfügung. Aperture weiss mit intuitiverer Bedienung bei gleichzeitig höherer Flexibilität zu punkten, Lightroom profitiert von seiner guten Tonwertkorrektur und der Resourcen-schonenderen Implementierung. Es fällt schwer, einen eindeutigen Gewinner zu küren - Aperture erscheint vom gesamten Look&Feel >näher<, >visueller< am Bild, während Lightroom eher technischer und reglementierter wirkt. Wichtig ist es, die eigenen Bedürfnisse und Arbeitsweisen in Sachen RAW-Verarbeitung bewußt vor Augen zu haben, um die richtige Wahl zu treffen. Dessen eingedenk und mit einem potenten Hardware-Setup wie hier im Test versehen, würde der Autor derzeit minimalste Vorteile bei Aperture sehen, weil dessen >visuellere< Bedienung dem eigenen Bildverständnis eher entspricht - doch dies fällt in den Bereich persönlichen Gewichtung. Die dringende Bitte an Apple bleibt, möglichst bald Kurven für Tonwerte und effizienteres Arbeiten auf älteren Geräten zu ermöglichen - an Adobe hingegen, nicht so stark den Workflow zu reglementieren und auch mal schwebende Paletten im Vollbildmodus zuzulassen. Die UVPs liegen derzeit bei 319,- für Aperture und 296,31 bei Lightroom.
Rob