Logo Logo
/// 

Test : "Hey!" – Die heisse Phase

von Do, 7.August 2003 | 2 Seiten | diesen Artikel auf einer Seite lesen

 von Horst Stenzel
 7. Woche



von Horst Stenzel





7. Woche



Wir befinden uns in der heissen Phase der Produktion. Das ist einmal ganz wörtlich zu nehmen: Bei Schattentemperaturen von 37 Grad ist der Dreh in einem Auto bei geschlossenen Fenstern (wegen des Tons) nahezu unerträglich. Ich möchte nicht weiter ausmalen, wie die Schminke unserer beiden Protagonistinnen zerläuft, wenn sie nicht ständig nachpudern. Die Hitze nervt. Heisse Phase, das bedeutet aber auch: Der Hauptdreh hat begonnen und wird uns zwei Wochen von morgens bis abends in Atem halten. Auch das stresst die Nerven.

Am Sonntag ist Katharina planmäßig eingetroffen. Bis Mitternacht sind wir auch mit ihr das ganze Drehbuch durchgegangen. Es kann eigentlich nichts schief gehen. Am Montag folgten dann die ersten Aufnahmen mit Katharina, und zwar mit einer neuen Panasonic DVX100E (E für Europe = PAL), die uns der Hersteller dankenswerterweise für dieses Projekt zur Verfügung gestellt hat.

Ich habe etliche Testberichte und Meinungen zu dieser Kamera gelesen. Die Urteile reichen von überschwänglicher Begeisterung bis nahezu hasserfüllter Ablehnung. Wenn man wie wir jetzt praktisch die Wahl hat zwischen einer Sony PD150 und einer Panasonic DVX100, ist man hin- und hergerissen. Wir haben uns aber klar für die Panasonic entschieden. Die Kamera hat die neueste Technologie, und viele Forderungen aus der Praxis sind in die Konstruktion eingeflossen. Ich glaube nicht, dass sich die Bilder beider Kameras selbst grundlegend unterscheiden – in einigen Berichten war zu lesen, man könne problemlos Aufnahmen der beiden Kameras mischen. Bei der DVX100 sind viele für den Profi wichtige Funktionen nicht nur über verschachtelte Menus erreichbar, sondern durch einfache Knöpfe oder Schalter. Der Sucher ist besser, und der ausklappbare LCD-Bildschirm ist ungefähr doppelt so groß.

Wenn man auf Brusthöhe filmen will. hält man die Kamera am besten mit beiden Händen. Der linke Zeigefinger ruht auf dem Auto-push-Knopf, der rechte Daumen vorne an der Kamera auf dem Auslöseknopf. So geht das jedenfalls bei Sony. Bei Panasonic haben die Konstrukteure den vorderen Auslöser auf dem Handgriff platziert. Schade, nun beginnt und endet jede Aufnahme, die nicht aus Augenperspektive gemacht wird, mit einem Wackler! Noch ein Nachteil der Panasonic sei erwähnt (habe ich aber noch nicht selbst getestet): Der Ton läuft etwa um ein Frame dem Bild voraus. Panasonic-Techniker erklären das mit der Trägheit eines Bildspeichers, den das Videosignal durchlaufen muss. Ein ähnlicher Audio buffer wäre zu teuer, man könne die Asynchronotät ja leicht in der Nachbearbeitung korrigieren. Ein absurdes Argument! Die PD150 hat diesen Fehler nicht.

Noch ein Wort zur Optik. Stolz prangt groß an der Sonnenblende „Leica Dicomar“. Das ist das Ergebnis einer jetzt zwei Jahre bestehenden Kooperation zwischen dem deutschen Traditionsunternehmen in Solms (www.leica-camera.com) und der Matsushita-Gruppe in Osaka (www.panasonic.de). Eine ähnliche Zusammenarbeit besteht zwischen Zeiss und Sony. Panasonic hat sich nicht nur einen guten Namen kauft. Das Know-how (und wohl auch entsprechende Patente) stammt nach Aussagen eines Leica-Sprechers aus Deutschland, aber die Fertigung erfolgt in Japan. Herausgekommen ist jedenfalls eine exzellente Optik mit einem Weitwinkelbereich, für den man bei der PD150 einen ebenso teuren wie schweren Weitwinkel-Konverter benötigt. Die Schwierigkeit mit den weiten Winkeln: Sie verzerren leicht in Randbereichen, und die Chips verstärken oft diesen Effekt. Um eine weitwinklige Video-Optik wie bei der Dicomar realisieren zu können, ist eine enge Verzahnung der Entwicklung von Optik und Elektronik notwendig.

Der Zoom an der Panasonic DVX100 kann manuell oder motorgesteuert erfolgen. Es gibt sogar eine Brennweiten-Skala. Anfangs- und Endpunkt des Regelbereichs haben feste Anschläge. Allerdings ist die Handsteuerung in der Praxis unbrauchbar. Der Ring, der sich anfühlt wie ein billiges Plastikteil, reagiert bei geringster Berührung. Der angebrachte Zoomhebel ist kein Hebel, sondern nur ein Nippel ohne große Hebelwirkung. Das fordert Bastler und Tüftler heraus, eine bessere Lösung zu konstruieren. Erste Vorschläge gibt es bereits.

Hoch auf der Wunschliste jedes Filmers steht ein skalenmäßig einstellbarer Fokusring. Auch bei diesem neuesten Produkt wurde das nicht realisiert. Immerhin erscheint im Sucher eine von 0 bis 100 reichende Ziffer. Dadurch ist es relativ leicht möglich, in einer Einstellung die Schärfe zu verlagern. Warum nicht gleich die Optik mit einer Entfernungsskala konstruiert wird, möchte niemand ganz deutlich sagen. Ich habe aber den Eindruck, dass dies eher eine Marketingentscheidung ist als ein technisches Problem.

Viele Filmer bekommen glänzende Augen wegen der 25P-Fähigkeit der DVX100. 25P, das bedeutet 25 als Vollbilder aufgenommene Frames in der Sekunde (progressive scan). Das ist wie bei einer Filmkamera, und die Kamera kann tatsächlich dank veränderbarer Gamma-Kurven diesem Look sehr nahe kommen. In der Videotechnik dagegen werden 50 Halbbilder in der Sekunde verwendet. Im Ergebnis ist der Film fließender als bei 25P, wenn das Endprodukt auf einem Monitor gezeigt werden soll. Die Versuchung war groß, im Modus 25P aufzunehmen. Eine Umfrage bei verschiedenen Kameraleuten ergab, dass niemand praktische Erfahrungen hat (die sich auch auf Schnitt und Nachbearbeitung erstrecken müssten) und uns ermuntern kann. Am vergangenen Sonntag haben wir selbst Testaufnahmen gemacht. Der Shutter-Effekt bei rasch bewegten Objekten oder bei einem Schwenk hat uns abgeschreckt. Doch auch ohne 25P ist die DVX100 eine sehr gute Kamera.


1.Woche: "Hey!" - so fing alles an
2.Woche: "Hey!" – Woher kommt das liebe Geld ?
3.Woche: "Hey!" – Die große Inspektion
4.Woche: "Hey!" – Große Effekte mit kleinem Zubehör
5.Woche: "Hey!" – Immer kommt es anders als man denkt
6.Woche: "Hey!" – Das Production Design



2 Seiten:
von Horst Stenzel / 7. Woche
  


Weitere Artikel:


Test: Seitenwechsel: Vom Regisseur zum Schauspieler Do, 10.August 2017
Der Dokumentarfilmregisseur und Kameramann Kai Ehlers berichtet, wie es sich anfühlt, plötzlich als Schauspieler vor der Kamera zu stehen und was man dabei über den Umgang mit Schauspielern als Regisseur lernen kann.
Test: Erfahrungsbericht „Der Teufel von Rudow“ Di, 1.Juni 2004
Was vor zwei Jahren begann und als Direct-to-DVD gedacht war, kommt jetzt sogar ins Kino. Der Spielfilm „Der Teufel von Rudow“ ist ein „Home-Made-Produkt“ auf der ganzen Linie -- mit der Canon XL-1 auf miniDV gedreht, dann auf einem herkömmlichen 2,4 GHz Rechner und einer Pinnacle Pro One geschnitten. In diesem zweiten Erfahrungsbericht von Martin Roth geht es vor allem um die Dreharbeiten und um den Sound -- der Film wurde komplett nachsynchronisiert und in 5.1 Dolby Digital abgemischt.
Test: "Hey!" – Das Finale Mi, 5.November 2003
Test: "Hey!" - Der erste Test Di, 23.September 2003
Test: "Hey!" – Die meiste Arbeit fängt erst an Sa, 30.August 2003
Test: "Hey!" - Das Ende der zweiten Phase Di, 19.August 2003
Test: "Hey!" – Das Production Design Do, 31.Juli 2003
Test: "Hey!" – Immer kommt es anders als man denkt Do, 24.Juli 2003
Test: "Hey!" – Die große Inspektion Do, 10.Juli 2003
Test: "Hey!" – Woher kommt das liebe Geld ? Do, 3.Juli 2003
Test: "Hey!" - so fing alles an Mi, 25.Juni 2003
Praxis: 12 Tipps für Wildlife-Filmer (beispielhaft mit Canon EOS C70 und Panasonic S5II) Fr, 7.April 2023


[nach oben]


[nach oben]















Artikel-Übersicht



Artikel-Kategorien:



update am 7.Dezember 2023 - 15:15
ist ein Projekt der channelunit GmbH
*Datenschutzhinweis*