Es war schon länger gemunkelt worden, dass es Adobe mit dem Production Studio zurück auf die Macintosh-Platfom zieht - nun ist es also soweit: Das nächste Adobe Production Studio wird es komplett für den Mac geben. Das bedeutet, dass neben den bereits für die Macintosh-Platform erhältlichen Programme aus dem Production Studio, also After Effects, Illustrator, und Photoshop nun auch Premiere Pro, Encore sowie Soundbooth für den Mac verfügbar sein werden. Mitte des Jahres ist bislang das einzig bekannte Erscheinungsdatum.

Was bedeutet dies für Adobe, für Apple und vor allem: für die Anwender?
Bevor wir uns diesen wichtigen Fragen zuwenden, lohnt ein kleiner Blick in die Geschichte der Videoschnittapplikationen für den Macintosh, um die wechselvolle Beziehung zwischen Apple und Adobe besser nachvollziehen zu können:
Es war einmal ein genialer Softwareentwickler Namens Randy Ubilios , der Anfang der 90er bei Adobe angestellt war und eine Schnitt-Software für Macs herausbrachte mit dem Namen Premiere. Dies war zu einer Zeit in der es ebenfalls Photoshop nur für die Mac-Platform gab. Die Software entwickelte sich schnell vom Nischenprodukt zu einer erfolgreichen Prosumer-Software, die einen weiteren Boost mit der Verfügbarkeit von Pentium-Prozessoren und dem Anbieten von parallelen Windows- und Macintoshversionen erhielt. Begabte Software-Entwickler wie Ubilios waren stets heiß umworben und so gelang es Mitte der 90er Macromedia, (die damals noch nicht zu Adobe gehörten), Ubilios von Adobe abzuwerben und mit der Entwicklung von KeyGrip zu beauftragen. KeyGrip sollte von Grund auf enger an die Quicktime-Engine gekoppelt werden, und so mehr Optionen für den professionellen Videoschnitt herausarbeiten zu können - Quicktime war zu diesem Zeitpunkt die ausgereifteste Media-Engine auf dem Markt. Jedoch entschied sich Macromedia in der aufkommenden WWW-Euphorie vom Produktprofil her eher in Richtung Webspezialst denn in Richtung klassische Multimedia-Sotware-Company zu entwickeln und so stand eine fast fertig entwickelte Videoschnitt-Software samt Entwickler-Team zum Verkauf, die damals sowohl auf PC als auch auf Mac lief und kurzerhand von Apple aufgekauft wurde. Schnell wurde Firewire-Support integriert und 1999 präsentierte Apple Final Cut Pro 1.0 auf der NAB, mittlerweile wieder Mac-only. Premiere wurde derweil von Adobe sowohl für die Macintosh-Platform als auch für die Windows-Platform aufrecht erhalten. Mit dem Erstarken von Final Cut Pro brachen jedoch die Premiere-Verkäufe auf der Mac-Seite ein, während die Windows-Version sich immer neuer Anwender erfreute.
Konsequenter Weise stellte Adobe dann in 2003 mit der Vorstellung von Premiere Pro 1.0 die Entwicklung für den Mac ein. Auch der zu diesem Zeitpunkt erfolgte Umstieg auf G5-Prozessoren von IBM mag sich negativ auf die Entscheidung Adobes ausgewirkt haben, für die Mac-Platform weiter zu entwickeln. Doch dies bleibt Spekulation.
Die in 2005 von Apple begonnene Migration von IBM-G5 nach Intel-Prozessoren und die zeitgleich von Intel und Apple zur Verfügung gestellten neuen Sofware Developer Tools sollen es Developern vereinfachen, die zuvor ausschließlich für Windows entwickelt und optimiert haben, auch für die Macintosh-Platform zu entwickeln. Die Bedingungen für eine Rückkehr von Adobe Premiere Pro auf die Macintosh-Platform hätten also nicht günstiger sein können und diese Chance wurde, wie wir seit heute wissen, auch genutzt.
Was bedeutet dies nun für Apple, Adobe und am wichtigsten: den Anwender ?
Zunächst zu Apple:
Apple sieht sich mit dem Production Studio einer erstarkten Konkurrenz gegenüber. Ähnlich wie Final Cut Studio bietet das Production Studio eine hochintegrierte Arbeitsumgebung an, deren Trümpfe Standards wie Photoshop und After Effects sind. Weshalb sollte man also noch zu Final Cut Pro greifen, wenn man bereits mit After Effects und Photoshop arbeitet und hier über Dynamik Link bequem zwischen den Applikationen und damit auch zu Premiere Pro wechseln kann? Apple wird darauf eine Antwort finden müssen. Die Stärken hingegen von Final Cut Pro liegen in der sehr ausgereiften Software, wohingegen Premiere Pro in gewisser Weise als Newcomer zu betrachten ist, der Anpassungs- und Optimierungs-Arbeit noch vor sich hat. Entscheidend dürfte sein, wie Apple den Entwicklungsvorsprung für sich zu nutzen und zu kommunizieren vermag. Noch lässt sich dieser an einigen Ecken und Kanten von Premiere Pro erkennen - doch Adobe hat bereits mächtig aufgeholt - die Unterschiede werden zunehmend marginal.

Und um auch ein wenig zu spekulieren: Apple könnte versuchen, sich mit einer stärkeren Hardware-Integration von Final Cut Studio gegen Adobe zu behaupten. Dies bedeutet, dass spezielle Videohardware in Form von Beschleunigern, I-O-karten etc. entwickelt werden könnte, um gegen Adobes hochintegrierte Software mithalten zu können. Man wird sehen ...
Adobe:
Mit der Entscheidung die Adobe Production Studio-Umgebung auf den Mac zu bringen, liegt Adobe zeitlich goldrichtig. Noch nie wurden so viele Macs verkauft wie bisher und das bedeutet, dass Adobe auf einen wachsenden Markt setzt. Doch auch die Mac-Version des Production Studios sieht sich ein paar Risiken ausgesetzt: Neben der engen Verzahnung von Hardware und Software durch Apple gibt es auch das Boot-Camp-Problem: Da sich auf den aktuellen Macs mit Intel-Prozessoren auch Windows installieren lässt, könnte es zu einer Kannibalisierung von Mac-Studio-Verkäufen durch die Windows-Version kommen. Entscheidend dürfte hierfür sein, wie bequem sich Windows parallel zu Mac OS X betreiben lässt - und davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Die Vorteile scheinen für Adobe jedoch zu überwiegen: In erster Linie dürfte dieser Move Adobe verlorenes Terrain bei professionellen Mac-Anwendern zurückbringen, die eine zwar kleine jedoch größer werdende und vor allem sehr kommunikationsfreudige User-Gruppe darstellen. Wenn Adobe es schafft diese User mit qualitativ guter Software vom Schlage After Effects oder Photoshop in Bezug auf Premiere zu überzeugen, hat Adobe eine eigene kleine PR-Maschinerie hinzubekommen - sicherlich nicht verkehrt.
Der Anwender:
Wir profitieren von der Entscheidung Adobes am meisten. Eine Konkurrenz-Situation in Sachen Final Cut Pro gab es lediglich zwischen Avid und Apple und hier scheinen die meisten Claims bereits abgesteckt zu sein. Premiere Pro, Encore und Soundbooth werden auf exakt gleicher Augenhöhe mit Final Cut Pro, DVD Studio Pro und Soundtrack Pro konkurrieren und eine bessere Situation kann sich der Anwender gar nicht wünschen. Sowohl Preise als auch Funktionen stehen im direkten Vergleich und das bedeutet zwangsläufig bessere Konditionen für den Anwender. Mit zunehmender Angleichung der Funktions-Umfänge beider Software-Suiten werden jedoch auch andere Faktoren für die Kaufentscheidung wichtiger: Betriebssystem, Workflow, Skills, Interfacing ... spannende, erfreuliche Zeiten denen die Medienproduzenten da entgegen gehen ...
in diesem Sinne ... viel Spaß bei der Qual der Wahl ...
rob